Fit & WellLeben

Ein Plädoyer für Beschränkung und Selbstzurücknahme, nicht nur bei der Nahrung

Nach dem Fasching beginnt die Fastenzeit, die bis Karsamstag dauert. Das Fasten ist dabei laut dem Füssener Franziskanerpater Michael, zumindest wenn es „nach der Spiritualität und Ordnungstherapie von Pfarrer Kneipp“ begangen werde, „auf dem Weg in den Mainstream der Medizin“.

Schließlich sei nach Kneipp die Gesundheit des Lebens und das Heilsein der Seele (Psyche) Ziel des Fastens, erklärt Pater Michael. Dementsprechend wird die Gesundheit bei Kneipp als die stets neu herzustellende Ausgewogenheit zwischen den gesunderhaltenden Kräften einerseits und den belastenden Anforderungen andererseits verstanden.

Bereits vor 150 Jahren sagte Pfarrer Kneipp, was heute wohl auch ein Gesundheitsminister sagen würde, nämlich, dass es kein Wunder sei, „wenn Krankheiten so viele Opfer fordern, denn die Menschheit ist weit von der früheren, einfachen, natürlichen Lebensweise abgewichen. Nicht etwa, dass die Errungenschaften unserer Zeit wieder geopfert werden müssten, aber es muss ein Ausgleich gefunden werden, um die überanstrengten Nerven zu stärken, ihre Kraft zu erhalten. Es muss das Gleichgewicht hergestellt werden zwischen der Arbeit und der Lebensweise.“

Dieses Gleichgewicht zwischen den gesundheitsfördernden Maßnahmen und den belastenden Anforderungen herzustellen bot für Pfarrer Kneipp die von ihm hochgeschätzte Frühjahrskur. Kneipp nannte sie auch Blutreinigungskur mit Wasseranwendungen und Aderlass. Mit seiner Frühjahrskur verband der „Wasserdoktor“ aber nicht eine echte Fastenkur mit einer Nullkalorienzufuhr, wie wir sie heute als Heilfasten kennen, und auch kein gezieltes Intervallfasten.

Vielmehr ging es Kneipp beim Fasten darum, einen unausgewogenen und ungesunden Lebensstil wieder ins rechte Lot zu bringen, in die rechte Mitte und das rechte Maß. So sollen beim Fasten die Krankheitsstoffe im Blut aufgelöst und das Aufgelöste ausgeschieden werden. Damit soll das gereinigte Blut wieder in die richtige Zirkulation und der Organismus wieder in Schwung gebracht sowie gekräftigt werden. In seiner Ordnungstherapie gibt Kneipp für alle die passende Weisung für die Fastenzeit aus. So sagt er: „Jedes Zuviel und Zuwenig setzt an Stelle von Gesundheit Krankheit. Im rechten Maß und in der Mitte liegt die Ordnung und die Gesundheit.“

Praktisch heißt das laut Pater Michael für die im Shoppingrausch Befindlichen, sich strikt nur mit dem Nötigsten einzudecken, um einmal festzustellen, wie zahlreich die Dinge sind, die sie nicht brauchen und dass uns nicht alles, was wir nicht haben, fehlt. Für die zu viel Plappernden gilt es, sich im Schweigen, in der Stille und Konzentration zu üben, um überhaupt zu erkennen, was wirklich zählt im Leben. Für die sich digital Volldröhnenden, dass sie ihr Smartphone mal ausschalten, um sich im Selberdenken wiederzufinden.

Die Autobahndrängler können sich auch mal mit der rechten Spur zufriedengeben. Die süßen Leckermäuler sollen auf Zuckerabstinenz umsteigen und Leber und Lunge können mal aufschnaufen und sich regenerieren bei Alkohol- und Nikotinverzicht beziehungsweise –minimierung. Und für die an Sitzflächen Festklebenden gilt die Weisung, ihre Beine zu bewegen und loszumarschieren, wie Kneipp meint: „Der erste Weg zur Gesundheit ist der Fußweg.“

Kneipp setzt in der Fastenzeit auf Beschränkung und Selbstzurücknahme, nicht nur in der Nahrung, sondern in der gesamten Lebensweise. In der Fastenzeit geht es bei Kneipp grundsätzlich um Freiheit und Gesundheit durch Verzicht. Einerseits gilt dabei: Verzichten engt ein, andererseits: Verzichten können macht frei und bringt ersehnte Zufriedenheit. Bedürfnislosigkeit und Selbstzurücknahme, verbunden mit geistiger und seelischer Bildung, sind der Königsweg zum guten und sinnvollen Leben.

Kneipp weist an den verschiedensten Stellen darauf hin, dass man immer den ganzen Körper behandeln muss. Beim Fasten geht es Kneipp auch immer um den ganzen Menschen, der sich mit Kopf, Herz und Bauch einer reinigenden und entschlackenden Fastenkur unterziehen sollte. Zudem ist Kneipp daran gelegen, das rein körperliche Fasten mit spirituellen Gedanken und Wegen zu vertiefen, um der Seele aufzuhelfen und den Geist zu klären.

In seinem Buch „So sollt ihr leben“ weist Kneipp auf die Einheit unseres Körpers hin, der durch ein ihm entsprechendes Fasten von jedem einzelnen individuell gestaltet werden muss, betont Pater Michael und fügt hinzu, dass Kneipp allgemein sagt: „Ich will euch aufmerksam machen, dass ihr jederzeit vernünftig lebt. Wer lange leben will, muss darauf achten, dass die Seele in Ordnung bleibt. Und dann muss er dafür sorgen, dass der Leib, soviel wie möglich und notwendig ist, im besten Zustand erhalten werden kann. Bedenkt: Man lebt nicht, um zu essen und zu trinken, sondern man isst und trinkt, um zu leben.“

Für Pfarrer Kneipp ist die Fastenzeit eine Zeitspanne, in der man seine Gewohnheiten, seine Lebensstrategien überdenken und korrigieren, vielleicht auch erst einmal registrieren und auf ihre Tauglichkeit überprüfen kann, um sie dann gegen neue, sinnvollere und gesündere einzutauschen, damit an Ostern nicht nur ein neuer Frühling in unsere Welt einzieht, sondern auch ein neuer Frühling in unser eigenes Leben. Frei nach Sebastian Kneipp unterstreicht Pater Michael so: „Fasten ist das Salz der Erde. Und wer gut durchsalzen ist, bleibt lange frisch.“

Text: pm/Alexander Berndt · Foto: Hubert Riegger

Verwandte Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Das könnte Dich auch interessieren
Schließen
Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Nacht der Musik 2024