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Der Skilift in Seeg

Ein Stück deutsche Skisportgeschichte

Der Lift ist eine echte technische Besonderheit, die auf der ganzen Welt eher selten zu finden ist. Erbaut wurde er 1959 von Peter Schweiger, der im Ort ein Sägewerk besaß. Zusammen mit zwei Technikern baute er, unter teilweiser Verwendung von Serienbauteilen aus der Industrie, einen sogenannten Pendellift. Den Höhenunterschied von etwa 100 Metern überwand der Lift mit einer Schlepplänge von gut 350 Metern und einer Fahrgeschwindigkeit von fünf Metern pro Sekunde.

Der Antrieb war in einer Holzhütte untergebracht und bestand aus einem Drehstrom-Getriebemotor mit Magnetbremse und einer gefütterten Antriebsscheibe. So schaffte es der Lift, immerhin gut 300 Personen pro Stunde auf den Berg zu ziehen. 40 Pfennige hat eine Einzelfahrt damals gekostet.

Etwas nachdenklich blickt Irene Epple-Waigel auf den Hang über uns. Hier, wo für sie und ihre Schwester Maria alles angefangen hat. Wo der Grundstein für ein Stück bedeutsamer deutscher Skisportgeschichte gelegt wurde. Wir stehen am Lifthäuschen des alten Skilifts in der Gemeinde Seeg, der nun teilweise abgebaut wird.

Die Anlage ist über die Jahre baufällig geworden und somit eine Gefahr für Spaziergänger, die auf dem Weg direkt unterhalb der alten Stützen vorbeikommen. Nicht nur, dass die beiden späteren Ski-Asse Irene und Maria Epple hier das Skifahren erlernt haben: Der Lift stellt zudem einen wichtigen und prägenden Zeitabschnitt in der Geschichte des skibegeisterten Dorfes dar, dessen Spuren nun verschwinden könnten.

Hinauf mit dem Traktor

Irene und Maria Epple haben am Lift oft trainiert. Beide Schwestern hatten eine Jahreskarte und an guten Tagen wurde der Hang bis zu 40 Mal gefahren. Oft war die Schlange mehrere hundert Meter lang.

„Hier drüben, auf der linken Seite, sind wir manchmal auch mitten durch den Wald gefahren“, lacht die zweifache Vizeweltmeisterin von 1978 und 1980 sowie olympische Silbermedaillengewinnerin von Lake Placid 1980 und deutet die Schneise an, die heute nur noch schwer erkennbar ist. „Ich erinnere mich noch sehr gut an den ersten Jugendskitag, an dem ich mitgefahren bin, damals noch außer Konkurrenz, da war ich noch gar nicht in der Volksschule. Das war auch der Beginn des Skilifts von Seeg. Die Anlage ist Anfang der sechziger Jahre in Betrieb gegangen. Davor gab es einen Traktor, der hier eine Seilwinde nach oben gezogen, und so die Skifahrer an der Stange hochgezogen hat. Einer musste dann immer diese Stange mit dem Seil wieder nach unten fahren. Meistens traf es dann den Letzten, der die Stange verlassen hat.“

Eine technische Besonderheit

Der Lift selbst ist eine echte technische Besonderheit, die auf der ganzen Welt eher selten zu finden ist. Erbaut wurde er 1959 von Peter Schweiger, der im Ort ein Sägewerk besaß. Zusammen mit zwei Technikern baute er, unter teilweiser Verwendung von Serienbauteilen aus der Industrie, einen sogenannten Pendellift auf dem nahegelegenen Seeger Berg. Den Höhenunterschied von etwa 100 Metern überwand der Lift mit einer Schlepplänge von gut 350 Metern und einer Fahrgeschwindigkeit von immerhin fünf Metern pro Sekunde.

Zwei Gehänge waren mit Stangen versehen, an denen jeweils sechs Teller hingen, mit denen es rauf- und runterging. Der Antrieb war in einer Holzhütte untergebracht und bestand aus einem Drehstrom-Getriebemotor mit Magnetbremse und einer gefütterten Antriebsscheibe. So schaffte es der Lift, immerhin gut 300 Personen pro Stunde auf den Berg zu ziehen. 40 Pfennige hat eine Einzelfahrt damals gekostet, sechs Fahrten zwei Mark. Präpariert wurde die Skipiste mit einer schwerfälligen Walze, die nur von zwei Männern von Hand bedient und nicht ganz ungefährlich den Hang hinabgefahren wurde.

Irene Epple hat hier oft trainiert. Beide Schwestern hatten eine Jahreskarte und an guten Tagen wurde der Hang bis zu 40 Mal gefahren. „Oft war die Schlange mehrere hundert Meter lang“, erinnert sich die Seegerin. „Da gab es Jugendskitage und Vereinsmeisterschaften, der Lift war wirklich sehr beliebt. Er war auch für die Jugend ein Treffpunkt. Man war schnell da, konnte zu Fuß vom Dorf hinlaufen und hatte da praktisch eine Skipiste direkt vor der Haustüre.

Der Hang ist zudem auch sehr anspruchsvoll. Er ist relativ steil und nicht gleichmäßig geneigt, eher gestuft und unübersichtlich. Man musste schon aufpassen, wenn man mit Tempo über die obere Kuppe kam. Ein sehr guter Skifahrer war man dann, wenn man die schmale Liftspur, die hier rechts und links von Bäumen eingesäumt ist, herunterwedeln konnte. Ich weiß noch gut, wie stolz ich war, als das zum ersten Mal geklappt hat. Die ganz Mutigen sind die Liftspur Schuss runtergefahren.“ Im Februar 2019 ist Irene Epple-Waigel mit dem Seeger Lift zum letzten Mal gefahren, seit gut fünf Jahren steht er nun still.

Ein Lift als Freilichtmuseum

Nicht nur die gesamte Elektrik ist mittlerweile in die Jahre gekommen und baufällig, auch die Steuerungsanlage und die Liftstützen müssten dringend erneuert werden. Voraussichtlich im Herbst will sich der Gemeinderat in Seeg mit dem Thema noch einmal befassen.

„Es wäre extrem schade, wenn man den Lift tatsächlich endgültig abreißen sollte“, sagt Irene Epple-Waigel, als wir langsam den Weg zum Parkplatz zurückgehen. „Er ist ein Stück Dorfgeschichte und bedeutet mir und meiner Schwester natürlich auch sehr viel. Wir haben hier wirklich unsere ersten Schwünge gemacht, und da begannen vielleicht die beiden Laufbahnen im Skiweltcup. Es würde mich sehr traurig machen. Vielleicht gibt es aber doch eine Möglichkeit, dass man wenigstens einen Teil der Anlage so sicher machen kann, dass man sie wenigstens als eine Art Freilichtmuseum erhalten kann. Schön wäre es natürlich, wenn der Lift wieder in Betrieb gehen könnte, auch wenn es nur wenige Tage im Jahr wären, die auch immer weniger werden.“

Eines wird aber auch weiterhin bleiben. Wenn der Winter beginnt, nutzt Irene Epple-Waigel den ersten Schnee, um hier an diesem Hang mit ihren Tourenski hinaufzusteigen und dann die ersten Schwünge des Jahres zu machen.

Text: Lars Peter Schwarz · Fotos: LPS, privat

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