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Der kulturelle Treffpunkt – 80 Jahre Alpenfilmtheater Füssen

Die Werbung ist vorbei, das Licht ist aus, die Nachos des Nebenmannes riechen nach Käse, der Hintermann schlürft aus seinem Becher, die Liebespaare rücken zusammen und der Geruch von Popcorn liegt in der Luft: Willkommen im Kino. Willkommen zum Gemeinschaftserlebnis Film. In Füssen gibt es dieses Gemeinschaftserlebnis mit dem Alpenfilmtheater seit 80 Jahren. Als zweites Lichtspielhaus in Füssen erbaut, öffnete sich im Alpenfilmtheater erstmals 1936 der Vorhang. Wilhelm Nebel erbaute damals seinen mit Holzstühlen ausgestatteten Kinosaal, in dem über 450 Menschen Platz fanden. Für wenige Groschen konnten man damals ein paar Stunden der Realität entfliehen und in die fantastische Welt der bewegten Bilder eintauchen.

Das Kino ist ein sozialer-kultureller Treffpunkt, obwohl es schon einige Male totgesagt wurde. Tatsächlich mussten Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre viele Lichthäuser schließen. Auch in Füssen wie das Metropol in der Sonnenstrasse und auch das Rex in der Rexpassage.  Der Grund dafür waren die Videotheken. Als 1975 die erste Videothek in Kassel eröffnet wurde, dauerte es nicht lange bis es in ganz Deutschland Videotheken gab. Filmstudios erkannten das riesige Potential, das sich mit einer Videothek offenbarte. Nacheinander begannen diese ihre Kino-Filme auf VHS-Kassetten zu veröffentlichen und zu vermarkten. „Die Besucherzahlen gingen drastisch zurück“, so Lars Doppler, der gemeinsam mit seiner Frau Bettina das Alpenfilmtheater 1999 übernahm. Es folgte ein Umdenken, dass die Wirtschaftlichkeit der Kinobetriebe auf den Prüfstand stellte. Das Fazit: Warum nur einen Film zeigen? Die Ära des Ein-Saal-Kinos war zu Ende. Aus den großen Sälen, wo teilweise 1.000 und mehr Besucher Platz fanden, wurden nun zwei Kinosäle, manchmal sogar auch drei. Wer es sich leisten konnte, baute sein Lichtspielhaus um. „Auch das Alpenfilmtheater wurde umgebaut. Allerdings so gut, dass es keinem, der es nicht wusste, aufgefallen wäre“, erzählt Lars Doppler.

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Mit Charme und Innovation
Heute hat das Alpenfilmtheater vier Säle und gehört zu den führenden Häusern in Bayern. Die Liste der Innovationen lässt sich lesen, wie das „Who ist Who“ auf dem roten Teppich eines Filmstarts. Das Alpenfilmtheater gehörte nicht nur zu den ersten 3D-Kinos in Deutschland, im Allgäu war es das erste Lichtspielhaus mit einer Dolby Digital Sourround Anlage und noch heute hat es die beste Projektionstechnik im süddeutschen Raum. Seit Dezember 2015 wurde im Saal 2 ein Teil der Bestuhlung durch D-Box Motion Effect Seats ausgetauscht. Mit der D-Box wird Kino zum 4D Erlebnis, was bedeutet, dass Filme nun nicht nur gesehen, sondern auch gespürt werden können. Seit letztem Monat ist auch der Saal 1 mit D-Box Sesseln ausgestattet. Mit dieser Technik steht das Haus wieder wegweisend als 18. Kino in Deutschland und 3. Kino in Bayern.

Bettina und Lars Doppler haben in moderne Technik investiert und das trotz der 53,5 Prozent Abgabe pro verkaufter Kinokarte an die Filmverleiher und 2,8 Prozent an die Filmförderungsgesellschaft.  Das ist ganz üblich und Deutschlandweit so geregelt. Nimmt man den Film Deadpool als Beispiel, so verdienen 13.000 Personen daran. „Es ist wie in jeder Branche. Man muss investieren. Letztendlich entscheidet der Umsatz der verkauften Kino-Karten, ob wir den Film ausgeliehen bekommen  oder nicht. Wir wollen unsere Besucher unterhalten und dazu brauchen wir die aktuellsten Filme, die wiederum in brillianter Qualität gezeigt werden müssen,“ erklärt Doppler.

Doppler war Kartenabreisser, Platzanweiser, arbeitete an der Kasse und an der Theke, kehrte die Säle auf, war Filmvorführer und leitete letzendlich die großen Kinohäuser in München –  wie das „Gloria“, „Marmorhaus“, „Atlantis“ und das „Mateser“, bis er 1995 in Gernsbach einen eigenen Kinobetrieb übernahm. „Man muss sich in der Branche von unten nach oben arbeiten, um das Geschäft zu verstehen und um Erfolg zu haben“, so der 44-Jährige. Den Erfolg haben sie sich regelrecht verdient, so dass sie gemeinsam nach einem weiteren Kinobetrieb suchten. „Meine Frau wollte nach Bayern zurück. Sie kommt aus Pfaffenhofen. Deshalb suchten wir in Bayern nach einem Kino“, erzählt Lars Doppler. Eine Mitarbeiterin von Walt Disney stellte den Kontakt mit Hannelore Wiedemann her, die sich zur Ruhe setzen wollte. Es war die familiäre Atmosphäre und auch die Größe des Filmtheaters, das den Vorstellungen der Dopplers entsprach. Ihr Ansporn: Familiäre Atmosphäre beibehalten und trotzdem moderner werden. Blockbuster wurden teilweise ab Mitternacht bis zum nächsten Tag am Mittag gespielt, es wurden Vorpremieren gezeigt, die es damals nur in den Großstädten gab, freitags und samstags gab es Spätvorstellungen, wofür ihm die Mitarbeiter aus der Gastronomie sehr dankbar waren. Auch optisch gab es Veränderungen, zuletzt 2002, als aus dem Arkadendurchgang ein verglastes Foyer wurde, das sich architektonisch sehr charmant in die Hausfassade einfügt.

Heute hat das Alpenfilmtheater 610 Plätze. Kino 4 ist seit seiner Eröffnung 1997 die Heimat der Filmkunstreihe Lechflimmern, die heute noch mit großem Erfolg anspruchsvolle Filme nach Füssen bringt. Die Kinokarten können online gekauft werden und das Alpenfilmtheater Füssen gehört zu den wenigen Filmtheatern in Deutschland, die Live-Übertragungen von der Metropolitan Opera, dem Bolshoi Theater und den Berliner Philharmonikern auf der Leinwand zeigen. Kino ist eben ein Erlebnis, ein Kulturpfeiler, ein Ort, wo gemeinschaftlich gelacht und später diskutiert wird. Hier schmeckt das Popcorn einfach anders und die Kinowerbung stört nicht. Sie gehört dazu, genauso wie das Beobachten der Mitzuschauer. Es ist ein sozialer Treffpunkt, wo sich Menschen aller Coleur treffen.

Text · Bild (1): Sabina Riegger

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