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Ein Leben wie im Film – Paula Kellner

So wie früher ist es nicht mehr, alles läuft ein bisschen langsamer und gemächlicher. Jetzt sind es andere Dinge, die für Paula Kellner an Bedeutung gewonnen haben, wie zum Beispiel das Frühstück mit ihrer Tochter Eva.

Im Juni feierte Paula Kellner ihren 90. Geburtstag. Familie, Freunde, Bekannte und halb Füssen kamen, um ihr zu gratulieren. Viele Frauen können sich noch daran erinnern, als sie ihren Stoffladen in der Brunnengasse eröffnete. Ein Segen für die Frauenwelt, denn Paula Kellner hatte nicht nur Stoffe, sondern auch Zuschnitte in ihrem Geschäft. Plötzlich war die Modewelt aus Paris, New York und Mailand nicht mehr ganz so weit weg. Paula Kellner selbst war der Inbegriff einer modernen, gut gekleideten Frau.

Wenn sie zurückblickt, ist sie dankbar, dass es damals nicht mit der Lehrstelle bei „Schwenger“ als Verkäuferin klappte. „Das war nicht so wie heute, wo man sich die Lehrstellen aussuchen kann.“ Sie lernte Schneiderin bei Kunigunde Dallhammer, einer Schneidermeisterin in der Drehergasse. Für sie war es ein Glücksfall, denn mit der Ausbildung war es ihr möglich, ihre Kundschaft in Bezug auf Stoffe und Schnitte ausführlich zu beraten.

Paula Kellners Leben hätte ein Drehbuch eines Filmes sein können. Emotional, intensiv, eine Liebes- und Lebensgeschichte, die nur das Leben so schreiben kann. Ihren Mann Franz lernte sie noch während ihrer Ausbildung kennen. „Er war Musiker und spielte Bass und kam jeden Abend an unserem Haus vorbei“, schwärmt sie noch heute, wenn sie an die Zeit zurückdenkt. Ihr Mann spielte jeden Abend mit seiner Band in der Kaserne bei den Amis. So richtig zusammengekommen sind sie allerdings im Fasching.

Die Mutter sah die Verbindung sehr ungern. „Sie sagte immer, dass Musik eine brotlose Kunst sei. Wenn mein Vater damals noch gelebt hätte, wäre er derselben Meinung gewesen“, erzählt die 90-Jährige. Paula Kellner interessierte die Meinung recht wenig. „Ich wusste, dass er der Richtige ist.“ Sie behielt Recht.

Als Musiker war Franz Kellner in den amerikanischen Kasernen in ganz Deutschland unterwegs und Paula Kellner mit ihm. Er spielte Musik und sie arbeitete in verschiedenen Haushalten. 1953 heirateten sie, schlicht und einfach. Irgendwann wollten sie noch kirchlich heiraten, doch daraus wurde nichts. Die lange Tour von 12 Jahren brachte das Ehepaar auch nach Marrakesch und Tripolis, wo sie einige Jahre lebten.

Wenn man sich die Bilder anschaut, müssen es wunderbare Zeiten gewesen sein. So bunt und schillernd wie ihre Stoffe. Sie führten eine gute Ehe, eine auf Augenhöhe, wie sie sagt. Heute ist Kellner bereits Urgroßmutter und glücklich, dass sie so eine großartige Familie hat. Ihr Enkel Marius ist auch Musiker, „kein Berufsmusiker, aber einer, der leidenschaftlich Musik macht“, sagt sie lächelnd.

Die „Nähgalerie“ gibt es heute noch. Tochter Dagmar übernahm sie zuerst, bis sie in den Ruhestand ging. Seit einigen Jahren führt Tochter Eva Holzmann das Geschäft in der Brunnengasse. „Meine Eltern waren Pioniere“, sagt Eva Holzmann und schaut dabei Paula an. „Ja“, sagt die alte Dame, die wie keine andere die Modewelt der Frauen in Füssen prägte.

Text · Foto: Sabina Riegger

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