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Sozialpädiatrisches Zentrum in Kaufbeuren: Verfahren nun vor dem Sozialgericht

Ernüchterung bei den Beteiligten nach Behandlung der Petition im Bayerischen Landtag

„Wir sind enttäuscht, im Prinzip hängen die betroffenen Familien hier in der Region weiterhin komplett in der Luft,“ beschreibt Wolfgang Neumayer, 1. Vorsitzender der Lebenshilfe Ostallgäu, den Beschluss des Petitionsausschusses des Bayerischen Landtag. In diesem wurde vor kurzem die Petition der Lebenshilfe Ostallgäu für die Realisierung eines Sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ) am Klinikum Kaufbeuren behandelt. Die Staatsregierung unterstütze zwar das Anliegen, doch könne sie aufgrund des laufenden Verfahrens nicht mehr tun, lässt sich aus der Stellungnahme ableiten. Die Lebenshilfe Ostallgäu hat nun die Klage vor dem Sozialgericht eingereicht.

Nachdem der gemeinsame Antrag der Lebenshilfe Ostallgäu und des Klinikums Kaufbeuren für die Trägerschaft eines SPZ in Kaufbeuren in erster Instanz durch den Zulassungsausschuss, der paritätisch mit Vertretern der Kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenkassen besetzt ist, und auch dessen Berufungsausschuss abgelehnt wurde, zieht der Fall nun die gerichtliche Auseinandersetzung mit sich. „Wir werden weiter dafür kämpfen, dass betroffene Familien in der Region unterstützt werden,“ so Neumayer. „Denn diese sind die Leittragenden, wenn sich bürokratische Verfahren wie diese über Jahre ziehen.“ Wann der Antrag vor dem zuständigen Sozialgericht in München behandelt wird, ist noch völlig offen.

Seit rund vier Jahren bemühen sich die Lebenshilfe und das Klinikum bereits um ein Sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ), in dem Kinder und Jugendliche mit Entwicklungsstörungen und schweren Behinderungen behandelt werden können. Die zwei Stellen arbeiten bereits jahrelang eng zusammen. Wolfgang Neumayer verdeutlicht: „Wir wissen, was Kinder und Jugendliche mit einer Beeinträchtigung benötigen.“ Die Rückendeckung für ein solches Zentrum ist groß: von Seiten betroffener Eltern, niedergelassenen Fachärzten, der Politik und sogar dem einzig in der Region vorhandenen SPZ in Memmingen. Zudem startete die Lebenshilfe Ostallgäu im Frühjahr eine Online-Petition und mobilisierte rund 2.600 Menschen, mit einer Unterschrift das Vorhaben zu unterstützen. „Im Prinzip könnten wir hier in Kaufbeuren sofort starten, die Rahmenbedingungen sind alle vorhanden,“ zeigt sich auch Prof. Dr. Markus Rauchenzauner, Chefarzt der Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Kaufbeuren, ernüchternd über den Verlauf des Antrags. „Die Versorgungsengpässe, die durch lange Wartezeiten entstehen und später nicht mehr rückgängig gemacht werden können, sind vermeidbar.“

An langen Wartezeiten und Anfahrtswegen wird sich in absehbarer Zeit nichts ändern, denn eine außergerichtliche Lösung ist vom Tisch. „Wichtig ist, dass wir dran bleiben und als Fürsprecher für die vielen betroffenen Kinder, Jugendlichen und deren Familien kämpfen,“ verstärkt Lebenshilfe-Vorsitzender Wolfgang Neumayer die Dringlichkeit eines SPZ in der Region. „Dafür hoffen wir natürlich, dass sich das Sozialgericht möglichst bald mit unserem Verfahren beschäftigt.“

Chronologie:

  • Februar 2018: Erster Gemeinsamer Antrag der Lebenshilfe Ostallgäu und des Klinikum Kaufbeuren für ein SPZ in Kaufbeuren vor dem Zulassungsausschuss, der paritätisch aus Vertretern der Kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenkassen besetzt ist. Der Grund: Es besteht eine Unterversorgung von Kindern und Jugendlichen mit einer Entwicklungsstörung und/oder schweren Behinderung in der Region. Rein rechnerisch besteht für ganz Schwaben ein Bedarf für vier SPZ. Vorhanden sind aber nur zwei – eines in Augsburg und eines in Memmingen. Allein in der Region könnte ein SPZ in Kaufbeuren die Versorgung für mehr als 720.000 Einwohner abdecken.
  • Mai 2020:  Zweiter Gemeinsamer Antrag der Lebenshilfe Ostallgäu und des Klinikum Kaufbeuren für ein SPZ in Kaufbeuren.
  • März 2021: Absage des Antrags vor dem Zulassungsausschuss in 1. Instanz. Begründung: Der Bedarf in der Region ist nicht ausreichend, lange Fahrt- und Wartezeiten sind der ländlichen Bevölkerung zuzumuten. In der Praxis heißt dies Wartezeiten für Familien von bis zu 16 Monaten auf einen Termin im SPZ Memmingen und Anfahrtszeiten von bis zu zwei Stunden. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln haben Betroffene kaum eine Möglichkeit, an das Versorgungszentrum zu gelangen.
  • Mai 2021: Start der Online-Petition der Lebenshilfe Ostallgäu.
  • Juli 2021: Die Petition der Lebenshilfe Ostallgäu wird formal beim Bayerischen Landtag eingereicht. Zu diesem Zeitpunkt hat die Online-Petition schon rund 2.000 Unterschriften.
  • September 2021: Die Lebenshilfe Ostallgäu und das Klinikum Kaufbeuren reichen eine gemeinsame Klage vor dem Sozialgericht in München ein. Ein Verhandlungstermin hierzu ist offen.
  • Oktober 2021: Die SPZ-Petition wird im Ausschuss für Gesundheit und Pflege des Bayerischen Landtags behandelt. Aufgrund des laufenden Gerichtsverfahrens wird das Anliegen nicht weiter verfolgt.

Text: pm · Bild: Susanne Sigva

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