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Im Portrait: Adriana Rehmann

Will man Adriana Rehmann portraitieren, so ist das nicht mit zwei, drei oder vier Stunden getan. Die Frau hat viel zu erzählen, von früher, von heute und für die Zukunft. Ihren 92 Mietern in den ehemaligen Hanfwerken ist sie wohl bekannt. Sie ist streng, sagen die Meisten. Eine zierliche Person mit enormer Energie, sagen Andere. Beides stimmt. Sie ist streng und hat eine Ausdauer, die man sich nicht bei einer Frau mit 1,58 Metern vorstellen kann. Ein gewaltiger Trugschluss.

Doch wer ist Adriana Rehmann? Sie ist die Verwalterin von 57.800 Quadratmetern Fläche, einem Areal, das der Firma Glass aus Memmingen gehört. Früher war es eine Seilwarenfabrik, jetzt ist es eine Chance für junge Start-Ups, die Räumlichkeiten brauchen, um sich zu präsentieren und sich eine Existenz aufzubauen. Bevor die 50-jährige Geschäftsfrau 2013 den Job als Verwalterin aufnahm, herrschte dort eine anarchistische Struktur. Jeder hatte was zu sagen – und letztendlich keiner. „Es war problematisch“, sagt Adriana Rehmann, „es musste eine Rahmenordnung geschaffen werden“. Nicht alle Mieter waren begeistert davon. Manche mussten das Areal verlassen. „Zum Glück“, sagt die Powerfrau. „Jetzt fühlt man sich hier wohl und man kann in Ruhe arbeiten. Ohne meine konsequente Haltung hätten wir keine Linie reingebracht, ich hätte mir keinen Respekt erarbeitet und wir hätten nicht so viele Start-Ups hier.“ Schließlich war das ihr Auftrag, Jungunternehmern einen Platz anzubieten. Wer noch Interesse hat, sollte sich melden. Etwa 30 % der Flächen stehen noch zur Verfügung.

Dass sie die richtige Frau dafür ist, hat das Unternehmen sicher gewusst. Denn Adriana Rehmann weiß wie es ist, neu anzufangen, sich durchzubeißen und sich selbst zu motivieren. Das Land, in dem sie geboren wurde, war von der restlichen Welt abgeschottet. Früher nannte man es „Das von Gott verlassene Land“. Albanien, das Land der Shqipetaren, das keinen Konsum und keine Religion duldete und immer mehr in eine desolate Lage rutschte. Der Kommunismus brachte der Bevölkerung Armut und den Parteifunktionären noch mehr Macht. Nach dem Tod des Diktators Enver Hoxha ebnete der damalige Staatspräsident Ramiz Alia 1991 den Weg in die Demokratie. Und ab da fängt auch die Geschichte von Adriana Rehmann an. In Berat geboren, einer wunderschönen alten Stadt, die seit 2008 zum UNESCO-Welterbe gehört, machte sie ihr Abitur und wollte Politik- oder Literaturwissenschaften studieren. „Dafür bekam ich keine Erlaubnis. Der Staat wollte, dass ich Mathematik oder Medizin studiere. Das waren Fächer, die mich nicht interessierten, also wartete ich.“ Das Warten hat sich gelohnt. Durch ein Abkommen zwischen Deutschland und Albanien wurden Mitarbeiter für eine Systemgastronomie gesucht. 360 Job-Anwärter haben sich gemeldet und nur sechs wurden genommen. Eine davon war sie. In einem Assessment-Center wurden ihre Deutschkenntnisse getestet und Personalgespräche geführt. „Ich hatte schon davor eine deutsche Sprachschule besucht. Trotzdem war alles anders, als ich nach Deutschland kam“, erinnert sie sich zurück. Es war eine harte Zeit und ein harter Job. Deutschland hat sie herausgefordert. „In Albanien wurde uns gesagt was wir tun müssen und was wir nicht machen durften. Dass ich auf einmal selbst entscheiden durfte, war eine neue Art von Freiheit, die keiner von uns Sechs kannte. Es war eine absolute Umstellung meines Lebens“, erzählt sie. Mittlerweile sind 25 Jahre vergangen, die Hälfte ihres bisherigen Lebens. Vor siebzehn Jahren war sie das letzte Mal in Albanien. „Es zieht mich nichts dorthin. Ich bin eine Deutsche und fühle auch so. Ich habe mich für dieses Land entschieden und da gehören Rechte und Pflichten dazu. Und dazu stehe ich“, gibt sie zu verstehen. Ihr Wunsch, an diesem Land teilzuhaben, ist in Erfüllung gegangen. Dass sie da ist, wo sie jetzt beruflich und privat steht, hat mit ihrem Ehrgeiz zu tun. „Ich kann nur dann am Erfolg, Freude, Wohlstand oder was auch immer partizipieren, wenn ich mich darauf einlasse. Sprich, mich integriere und es auch selbst will“, plädiert sie. Heute ist sie Dolmetscherin, Kauffrau und auch Immobilien-Fachwirtin.

Was soll man dazu noch sagen? Gut, dass sie so viel Ausdauer hat und Ja zu dem starken Integrationswillen.

Text: Sabina Riegger · Bild: Margarete Häfelein

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