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Allergie: die Epidemie des 21. Jahrhunderts?

Besonders Nahrungsmittel-Allergien sind eine tägliche Herausforderung

Allergien sind häufig. So häufig, dass sie sich in den letzten Jahrzehnten zu einer ernsten Bedrohung für die Bevölkerungsgesundheit und Volkswirtschaft entwickelt haben. Doch nicht nur für die Allgemeinheit, auch für jeden einzelnen Betroffenen bedeuten sie eine enorme Belastung. Sie schränken das tägliche Leben ein, haben Auswirkungen auf den Beruf oder die Schulnoten und können Krankenhausaufenthalte erfordern. Im Falle einer Nahrungsmittel-Allergie ist sogar das Leben bedroht und der Alltag wird zum Spießrutenlauf: Jeder Einkauf, Restaurantbesuch oder Kindergeburtstag ist mit der Sorge verbunden, einen Allergie-Auslöser zu übersehen und sich dadurch der Gefahr eines gefährlichen allergischen Schocks auszusetzen.

Noch vor zwei Generationen waren Allergien exotische Leiden. Inzwischen stehen sie nach dem chronischen Rückenleiden bereits auf Platz Zwei der häufigsten Erkrankungen. Heute leidet etwa jeder fünfte Deutsche und jeder vierte Österreicher an einer Allergie. Die Zunahme in den letzten Jahrzehnten wird durch unterschiedliche Aspekte unseres modernen Lebensstils erklärt. Geht der Trend so weiter, wird bald jeder Zweite von einer allergischen Erkrankung betroffen sein. Eine allergische Sensibilisierung (wenn das Immunsystem bereits gerüstet ist, aber noch keine Symptome auftreten) kann bereits jetzt bei der Hälfte der Bevölkerung festgestellt werden. Allergien können in den unterschiedlichsten Formen auftreten: Vom lästigen Juckreiz an Nase, Augen oder Haut bis zu Allergien mit lebensbedrohlichen Folgen.

Einfluss von  Alter, Geschlecht, Herkunft und Bildung

Eine Allergie kann in jedem Lebensalter auftreten. Bei Babys und Kleinkindern sind Nahrungsmittel-Allergien vorherrschend, ab dem Kindes- und Jugendalter reagieren die Abwehrkräfte dann in erster Linie auf Allergie-Auslöser die eingeatmet werden, wie etwa Pollen, Tierhaare, Hausstaubmilben oder Pilzsporen. Internationale Studien zeigen, dass allergische Erkrankungen in der 3. Lebensdekade am häufigsten sind. Generell sind Frauen etwas häufiger von einer Allergie betroffen als Männer und auch starke regionale Unterschiede sind zu beobachten: Salzburg und Oberösterreich verzeichnen die meisten Allergiker. Den  geringsten Allergikeranteil haben die Bundesländer Burgenland und Kärnten. Weiter haben die Herkunft, die soziale Schicht  und die Bildung offenbar Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, eine Allergie zu entwickeln. Höher Gebildete und Menschen in qualifizierteren Berufen und städtischen Regionen sind häufiger von Allergien betroffen als jene mit geringerem Einkommen, weniger Ausbildung und aus ländlichen Gebieten.

Nahrungsmittel-Allergien zwar selten, aber gefährlich

Aufgrund der gestiegenen Sensibilität für bewusste Ernährung stellen viele Menschen fest, dass gewisse Lebensmittel schlecht vertragen werden. Immer mehr Menschen glauben daher, unter einer Nahrungsmittel-Allergie zu leiden. Untersuchungen, wie 2014 an der Berliner Charité, zeigen anderes: Obwohl 35 Prozent der Befragten angaben, unter allergischen Symptomen zu leiden, konnte nur bei drei Prozent tatsächlich eine Allergie nachgewiesen werden.

Eine aktuelle Analyse von über 50 europäischen Studien zeichnet ein ähnliches Bild: 17 Prozent der Menschen berichten über nahrungsmittelbedingte Beschwerden – tatsächlich konnte die Allergie abhängig von der Diagnosemethode in nur 1-3 Prozent der Fälle bestätigt werden. Trotzdem man immer wieder auch von einer Zunahme an Nahrungsmittel-Allergien und der damit verbundenen täglichen Leiden hört und liest – Schätzungen der aktuellen Inzidenz (Anzahl an Neuerkrankungen) sowie Prävalenz (Häufigkeit insgesamt) sind unsicher. Es werden etwa 17 Millionen Nahrungsmittel-Allergiker in Europa gezählt. Eines zeichnet sich aber ab: Während die Inzidenz europaweit offenbar stabil bleibt, scheint die Prävalenz zuzunehmen. Eine wahrscheinliche Erklärung dafür ist, dass sich in den letzten Jahren die Möglichkeiten in der Diagnose deutlich weiterentwickelt haben und so immer mehr Allergien entdeckt werden können.

Auch geografische Unterschiede zeigen sich in der europaweiten Analyse: Im Nordwesten Europas gibt es am meisten Menschen mit Nahrungsmittel-Allergien, während die Prävalenz im Süden am geringsten ist. Diese Aussage muss jedoch mit etwas kritischem Auge betrachtet werden, da die epidemiologischen Studien methodische und diagnostische Unterschiede in den einzelnen geografischen Regionen aufweisen. Auch die Risikofaktoren für die Entwicklung einer Nahrungsmittel-Allergie sind widersprüchlich. Allerdings spielen vermutlich das Geschlecht, Alter, Heimatland, Vorhandensein weiterer Allergien und genetische Faktoren eine wichtige Rolle. Als gesichertes Wissen gilt: Kinder sind mit bis zu 8 Prozent häufiger betroffen als Erwachsene.

Doch auch wenn diese Form der Allergie nicht häufig ist, aufgrund der Gefahr eines allergischen Schocks, der binnen Minuten zur tödlichen Bedrohung werden kann, ist sie besonders ernst zu nehmen. In jedem Fall gehört sie in die Hände eines allergologisch versierten Facharztes!

Heuschnupfenallergie

Für viele Deutsche sind Frühling und Frühsommer die schlimmsten Zeiten des Jahres. Ihre Nase juckt und läuft, der Kopf ist schwer und die Sinne sind benommen. Die Menschen leiden unter einer Pollenallergie (Baumpollen- oder Graspollenallergie).  Das Niesen kommt so häufig, dass die Schleimhäute schmerzen. Rund 16 Millionen Menschen in Deutschland leiden unter Heuschnupfen (Graspollenallergie).  Etwa 15 Prozent von ihnen reagieren allergisch auf Baumpollen, 85 Prozent leiden unter Graspollen. Für letztere kann sich die Leidenszeit sogar bis in den Spätsommer oder Herbst hinziehen.

Doch häufig sind es nicht nur die Pollen, die Heuschnupfenallergikern zusetzen. Zwischen acht und zehn Millionen von ihnen entwickeln im Laufe der Zeit eine Kreuzallergie. Plötzlich rufen auch Lebensmittel, meistens verschiedene Obst- und Gemüsearten, Allergiebeschwerden wie juckende und geschwollene Lippen sowie Atemnot hervor. „Auslöser sind Eiweiße in diesen Nahrungsmitteln, die ähnlich aufgebaut sind wie Eiweiße in Pollen. Auf das Immunsystem wirken sie zum Verwechseln ähnlich, weshalb es darauf mit Allergiesymptomen wie bei Heuschnupfen reagiert. Sind die allergieauslösenden Substanzen im Organismus, reagiert das Immunsystem auf sie mit einer heftig überschießenden Reaktion. Die fälschlicherweise als feindliche Angreifer eingestuften Stoffe werden bekämpft.

„Ein bewährter Weg, das zu verhindern und dagegen vorzugehen, ist deshalb die Harmonisierung der aus dem Gleichgewicht geratenen körpereigenen Abwehrkräfte, zum Beispiel mit der Kombination einer gegen allergische Erkrankungen gerichteten Immuntherapie und der gezielten Zuführung von Vitaminen und Mineralstoffen.

Text · Bild: FA / Prof. Dr. Anita Rieder

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