Menschen

Ein Leben zwischen zwei Welten

Dr. Gebhard J. Kiechl – von harter Polizeiarbeit und einer großen Liebe zur Literatur

Pinswang.    23. September 1939 – der Todestag von Siegmund Freud, aber auch der Geburtstag von Gebhard J. Kiechl. Zwei Menschen, die der Psychologie ebenso wie der Literatur zugetan sind. Zunächst wuchs Gebhard J. Kiechl bei seiner Mutter auf, bis er nach deren Tod zu Verwandten kam. Ein stabiles Elternhaus durfte er in seiner Kindheit nicht erleben. Mit Beginn der Schulpflicht wurde der schüchterne Junge auf ein Internat nach Schwaz geschickt. Doch empfand er diesen Umstand nicht als Zwang, sondern als Glück. Hier konnte er seiner früh entstandenen Liebe zur Literatur Raum geben. „Ich war ein introvertiertes Kind, habe alles gelesen, was ich in die Hände bekommen konnte. Das Internat war für mich eine Chance”, blickt er zurück. Er hielt Lesungen in der Mensa und verwaltete ehrenamtlich die Bibliothek. Im Internat lernte der junge Kiechl einen ganz besonderen Menschen kennen: Professor Dr. Franz-Josef Kofler, der sein Mentor und Freund wurde. Mit ihm  besprach er seine geschriebenen Werke und setzte sich mit der Philosophie auseinander. Nach dessen Tod widmete er ihm das Gedicht „Mein Freund ist tot”.

Ein junger Erwachsner

Trotz dem Hang zur Literatur entschied sich der 20-jährige Abiturient zu einem Jurastudium an der Universität Innsbruck. Bereits zu diesem Zeitpunkt plante er eine Familie, welcher er die Sicherheit und Zuneigung geben konnte, die er als Kind nicht erfahren hatte. Sein ausgeprägtes Verantwortungsbewußtsein und die Erlebnisse seiner Kindheit ließen ihn in dieser Aufgabe zu einem liebevollen Ehemann und Familienvater werden.

Erst verdiente er als Lehrer und Erzieher den Unterhalt für die Familie. „Diese Zeit war für mich, was soziale Kontakte, Konfliktfähigkeit, Durchsetzungsvermögen und Anti-Aggressionsverhalten angeht, sehr lehrreich. In meinem späteren Berufsleben habe ich von dieser Zeit sehr profitiert.“  In seinem Beruf als Kommissar in Wien und Innsbruck und später als Präsidialist für die Organisation bei der Polizei in Inns-bruck, lernte der ruhige Mann die Kehrseite des beruflichen Aufstiegs kennen. 

Beruflicher Aufstieg

Mit diesem beruflichen Schritt wurde Gebhard J. Kiechl plötzlich mit einer ganz anderen, ihm völlig fremden Realität konfrontiert. Morde und Verbrechen im wechselnden Schichtdienst aufzuklären war anfangs beruflich wie privat nicht einfach. Auch mit der zum Teil vorherrschenden Grausamkeit der Verbrechen musste er sich erst arrangieren. „Das Erschreckende an den Taten war bei mir immer die Auswirkung, die Betrachtung der Opferseite. Als Kriminalist wird man sehr nüchtern, was die Betrachtung der Täterseite angeht. Obwohl man weiß, dass hier auch Faktoren mitspielen, die den Täter zu seinen Handlungen zwingen. Erschreckend ist auch die Art der Ausführung, die oft perversen Aktionen, die da ablaufen. Für einen gewöhnlich denkenden Menschen sind diese schwer zu erfassen”. Trotz dieser negativen Seite seines Berufes, gelang es dem sehr nachdenklichen Gebhard J. Kiechl aus der Polizeiarbeit methodische Vorgehensweisen für seine literarische Arbeit zu nutzen und im Gegenzug gab Ihm die Literatur Halt und Ablenkung zum harten Alltag.
Diese Symbiose vom kriminalistischen Alltag und Literatur, nutzte Kiechl aus. Seine hervorragenden Leistungen wurden honoriert. Gebhard J. Kiechl wurde stellvertretender Polizeidirektor in Innsbruck, zuständig für Staats-, Personen- und Objektschutz. Sein Aufgabenbereich beschränkte sich nun nicht  „nur“ auf den harten Alltag aus Verbrechen, Mord und Drogen.  Extremismus, Terrorismus und Spionage waren jetzt neue Felder mit denen er sich befassen musste. Besonders die Organisation und die Sicherheit von Staatsempfängen lag Ihm am Herzen. Von Bill Clinton bis Jacques Chirac durfte er alle bedeutenden Politiker dieser Zeit kennen lernen und für die Sicherheit und Organisation der Staatsempfänge sorgen. „Die Aufregung war immer groß, aber durch das konzentrierte Vorgehen von mir und meinem Team ist immer alles gut gegangen”, sagt er sichtlich bescheiden. Vor allem die in den 90er Jahren fortschreitende Technik, wie das Internet, die DNA-Analyse und der Wandel in der Kommunikation haben seine Arbeit sehr vereinfacht. Durch die intensive Arbeit mit den neuen Medien boten sich auch für seine literarische Arbeit neue Perspektiven und Möglichkeiten.

Ein neuer Weg

In den vielen Berufsjahren kam die Liebe zur Literatur und der Schriftstellerei immer etwas zu kurz. Dennoch versuchte er sich ständig weiterzuentwickeln, vielleicht auch Sachen aus einer anderen Perspektive zu sehen, die er vielleicht vorher nicht so gesehen hätte. Neben seiner Tätigkeit als Polizeibeamter studierte er Sprachwissenschaften und Psychologie an der Universität in Innsbruck. „Die Psychologie war mir immer schon ein Grundbedürfnis und für meine Lebensgestaltung maßgeblich. Natürlich hat es mir in meinem Beruf weitergeholfen, aber ich habe es hauptsächlich für die Literatur gemacht, damit ich die verschiedenen Themen fundieren kann. Ich wollte gesellschaftlich relevant publizieren. Ich wollte als Gegensatz zu den Sprachwissenschaften noch eine weitere Grundlage haben.” Wenn man Gebhard J. Kiechl kennenlernt, weiß man sofort was er damit meint – keine Oberflächlichkeit sondern ehrliches Interesse.

Mit seiner Pensionierung vor neun Jahren hat er sein Leben umgestellt und widmet sich nun ausschließlich der Literatur. Anfangs fiel es ihm schwer, den Stress des Polizeialltags und die prägenden Erlebnisse dieser Zeit hinter sich zu lassen. Geholfen hat ihm vor allem die Familie. „Meine Enkel bescheren mir viel Freude. Bei ihnen kann ich unbeschwert und manchmal kindisch sein”. Ohne seine Frau wäre Gebhard J. Kiechl vielleicht den einen oder anderen Weg nicht gegangen. Sie ist die Frau, die sein Interesse an Literatur teilt und ihm seit fast 50 Jahren Ehe zur Seite steht. Seine schärfste
Kritikerin ist jedoch seine Tochter  Barbara, eine promovierte Sprachwissenschaftlerin, zu der er ein ganz besonderes Verhältnis hat.

Bald geht Gebhard J. Kiechl wieder einen neuen Weg, dieses Mal nach Pinswang. Dort renoviert er ein altes Haus. „Es wird mein Ruheort sein“, sagt er besonnen. „Dann kann ich mich der Literatur, Schriftstellerei und meiner Familie widmen.“

Text · Interview · Bild: Stephanie Derday
 

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