Menschen

„Füssen ist unsere neue Heimat“

Ein Südamerikaner mit Hamburger Wurzeln

Füssen.    Es war 1974. Ein ganz besonderes Jahr. Es war die Fußball-Weltmeisterschaft und Deutschland stand gegen die Niederlande im Finale. Sie gewannen damals 2:1 gegen Holland und wurden Fußball-Weltmeister. Die beiden Kapitäne Johan Cruyff und Franz Beckenbauer haben es Neri Tom Lüttmann angetan, so dass er seinem Sohn den Namen Johann Franz Lüttmann gab. Soweit ist das auch nichts ungewöhnliches, wenn Johann Franz Lüttmann nicht in Guatemala-Stadt geboren worden wäre.

Wenn man nach dem Äußeren geht, müsste Franz Lüttmann Fernando, Xavier oder sonst einen anderen südamerikanischen Namen tragen. Lüttmann passt auch nicht so ganz. Tatsächlich stammen die Vorfahren von Franz Lüttmann aus Hamburg. Sie waren Kirchenmänner und Kaufleute. Heute, nach einigen Generationen, ist nicht allzu viel von der deutschen Abstammung zu sehen. Vor drei Jahren kam Franz Lüttmann nach Füssen, um sich für ihn und seine Familie ein neues Leben aufzubauen. Füssen war für den heute 36-jährigen keine unbekannte Stadt. Mit 18 Jahren kam er als Au-Pair Junge nach Füssen, zur Familie Dehn, mit denen er ständig in Kontakt blieb. Heute hat er selbst drei Kinder und ist mit einer Ärztin verheiratet. „Ich vermisse Guatemala, seine bunten Farben“, erzählt der junge Familienvater. Wie viele andere südamerikanische Länder auch, ist das Gefälle zwischen arm und reich sehr groß. „Es gibt die ganz Reichen und die ganz Armen. Diese Armut kann man sich in Deutschland nicht vorstellen. Auf der einen Seite sind die Hochhäuser und auf der anderen Seite gibt es die Behausungen aus Karton“, erzählt der studierte Marketingprofi. Für seine Familie wollte er eine gesicherte Existenz. Seine Kinder sollen behütet aufwachsen, mit einer Perspektive für die Zukunft. „In Guatemala-Stadt leben vier Millionen Einwohner. Sie kommen von überall her, in der Hoffnung, eine Arbeit zu finden. Doch dafür braucht man einen Universitätsabschluss. Viele geraten auf die schiefe Bahn, nehmen Drogen und verlieren die Hoffnung“, erzählt der gläubige Christ.

Starker Glaube

Der Glaube ist in Guatemala sehr wichtig, er hat einen hohen Stellenwert. Vielen Menschen gibt der Glaube einen Halt und vor allem Hoffnung. „Für uns war es auch selbstverständlich, dass meine Frau und ich uns zwei Jahre lang intensiv mit der Bibel beschäftigten und an Bibelkreisen teilgenommen haben. Mit unserem Wissen konnten wir schließlich den Menschen auf der Straße helfen.“ In Füssen engagieren sich Franz Lüttmann und seine Frau Claudia Vasquez Blanco de Lüttmann sehr in ihrer christlichen Glaubensgemeinschaft .
In Füssen hat die Familie Lüttmann einen festen Platz gefunden. „Füssen ist für uns unsere neue Heimat geworden. Wir haben hier Freunde gefunden, die Kinder fühlen sich wohl und wir uns auch.“ Was Franz Lüttmann schätzt, ist die viele Zeit, die er nun mit seiner Familie verbringen kann. „In Guatemala habe ich von acht bis 17 Uhr gearbeitet, von 18 bis 21 Uhr studiert und danach noch gelernt. Es blieb keine Zeit für Privates. Hier habe ich eine sehr schöne Arbeit, die mir sehr gut gefällt und mich auch ausfüllt und es bleibt mir immer noch Zeit mit meiner Familie etwas zu unternehmen.“ In den drei Jahren waren die Lüttmanns noch kein einziges Mal zu Hause in Guatemala. Allein der Flug kostet für die fünfköpfige Familie etwa 5.000 Euro. „Wir bekommen aber immer wieder Besuch von unseren Familien, da hält sich dann die Sehnsucht in Grenzen“, so Claudia Vasques Blanco de Lüttmann. Ob sie als Ärztin in Füssen arbeiten will, steht momentan außer Frage. „Die Kinder sind noch klein, daher sind sie momentan wichtiger als die Karriere.“

Fast ein Jahr lang war Franz Lüttmann Verleger in Guatemala. Er brachte ein Auto-Magazin heraus. „Guatemala ist sehr stark von Amerika geprägt. Wir haben dort wahnsinnig viele Fernseh- und Radiosender. Ein Auto-Magazin in dieser Form gab es noch nicht. Was wir unterschätzt haben, war der Analphabetismus.“ Heute arbeitet Franz Lüttmann an der Rezeption im Hotel Sonne. „Es ist eine dankbare Arbeit. Ich komme täglich mit so unterschiedlichen Menschen zusammen, kann behilflich sein – und das ist etwas, das mir sehr gefällt.“ Kommunikationsschwierigkeiten hat der Südamerikaner mit deutschem und guatemalischen Pass nicht. Er spricht fließend Englisch, Spanisch und sehr gut Deutsch und Italienisch.

 

Text · Bild: Sabina Riegger

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