Menschen

„Man muss seine Grenzen kennen“

Im Gespräch mit Dr. Paul Wengert

Füssen.    Seit 16 Monaten ist Dr. Paul Wengert Landtagsabgeordneter. Er ist Wirtschafts-, verkehrs- und tourismuspolitischer Sprecher seiner Fraktion. Was hat sich in dieser Zeit getan und wie wird das Büro des Landtagsabgeordneten von der Bevölkerung angenommen? Das und mehr wollte Füssen aktuell in einem Gespräch von Dr. Paul Wengert wissen. 

 

Die Menschen assoziieren mit der SPD, Soziales und Arbeit und weniger die Wirtschaft. Als neuer Wirtschafts-, verkehrs- und tourismuspolitischer Sprecher liegt sicherlich noch viel Arbeit vor Ihnen? Ich bin im Moment immer noch dabei, fleißig Visitenkarten zu verteilen. Es ist natürlich ein Stück Arbeit, sich als neuer Sprecher bekannt zu machen. Vor mir war das Hildegard Kronawitter, die als Frau des langjährigen Münchner Oberbürgermeisters einen gewissen Bekanntheitsgrad hatte. Da bin ich natürlich noch schwer am Aufbauen. Das hängt auch damit zusammen, weil die SPD leider nicht in einem Atemzug mit Wirtschaftskom-petenz und Wirtschaftspolitik in Verbindung gebracht wird. Meines Erachtens zu unrecht. Bei der CSU hat man ja beim Landesbank-Skandal gemerkt, wie weit es mit ihrer Wirtschaftskompetenz her ist und bei der FDP merkt man auch, dass ihre Wirtschaftskompetenz  eine sehr einseitig ausgeprägte Kompetenz zu sein scheint und sich vor allem im Lobbyismus wiederfindet.

Sie sagten, dass Sie die Hoffnungen des Finanzministers und des Ministerpräsidenten nicht teilen, dass das geliehene Geld von 10 Milliarden an die bayerische Landesbank jemals in der entsprechenden Größenordnung zurückfließen wird. Warum? Im Moment ist die Landesbank nicht einmal in der Lage, die Zinsen für die vom Freistaat Bayern gewährten Zahlungen zu leisten. Ich weiß auch nicht, ob das das Ende der Fahnenstange ist. Ich bin ja Mitglied der so genannten Landesbank Kommission des Bayerischen Landtags und kann nur sagen: Der Sumpf bei der Landesbank erweist sich als immer tiefer.

Sehen Sie ein Ende der Konjunkturkrise? Ich bin optimistisch. Die Auftragseingänge zeigen, es geht wieder aufwärts und Gott sei Dank sind die schlimmsten Prognosen der Wirtschaftsexperten auch nicht eingetreten was die Arbeitslosigkeit angeht. Wobei ich denke, dass wir auch 2010  auf dem Arbeitsmarkt mit einem blauen Auge davon kommen.

Ist das nicht alles ein bisschen Augenwischerei, nachdem die Arbeitslosenzahlen durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in der Statistik gar nicht erscheinen
? Natürlich ist es so, dass Menschen die in Beschäftigungsförderungsmaßnahmen sind oder die als sogenannte Ein-Euro-Jobber noch dazuverdienen, aus der Statistik rausfallen. Die Statistik kann man strecken, aber es ist jetzt nicht so, dass in den letzten Monaten irgendwelche neuen statistische Regeln eingeführt worden wären, um so praktisch die Voraussagen der Wirtschaftsexperten zu unterlaufen. Es sind vergleichbare Zahlen. Insofern ist es schon ein sehr beruhigendes Zeichen oder eine beruhigende Entwicklung, dass wir nicht auf die von Wirtschaftsforschern vorausgesagten fünf Millionen Arbeitslosen zusteuern, sondern dass von meinem Gefühl her die vier Millionen auch nicht erreicht werden.

Als Abgeordneter haben Sie hier in Füssen ein Büro. Kann jeder zu Ihnen kommen, wenn er Fragen oder Probleme hat beziehungsweise Hilfe braucht?  Im Grunde ja. Das Büro in Füssen dient der Abwicklung aller Vorgänge, die im Alltag eines Abgeordneten vorkommen, um sein Mandat wahrzunehmen. Das heißt Terminvorbereitungen, Ausarbeitung von Papieren und Sitzungen sowie die Beantwortung von Fragen, die aus der Bürgerschaft kommen, oder auch von Verbänden. Natürlich zählt dazu auch die Betreuung von Menschen, die das Gespräch suchen und die anrufen und sagen: Ich brauche einen Termin mit dem Abgeordneten. Zum Teil entlasten mich meine wissenschaftliche Mitarbeiterin, Ulrike Propach, und meine Büroleiterin, Brigitte Protschka, indem sie Termine auch selbst machen oder bereits am Telefon qualifiziert abschließende Auskünfte geben. Vieles erledigt auch meine Sekretärin, Claudia Perzl, selbständig.

Sind es spezielle Fragen, die an Sie gestellt werden?  Das Spektrum reicht von persönlichen Problemen, von der Unterstützung bei Behördenangelegenheiten bis zu Klagen über Behörden. Viele Leute wissen einfach oft auch gar nicht, wohin sie sich wenden müssen. Es geht aber auch um Alltagsthemen, in denen irgendwo Verkehrssituationen nicht zufriedenstellend sind, wie beispielsweise in Füssen an der Hopfener Straße, weil dort ein Übergang für Fußgänger fehlt.
Können Sie gezielt helfen? Ich versuche es so gut wie möglich. Ich habe ja keine Exekutiv-Funktion, das heißt ich kann nicht dem Landrat sagen er muss dies oder jenes machen oder dem Bundesverkehrsminister, dass er jetzt endlich eine Umgehung für eine bestimmte Gemeinde bauen muss. Aber ich kann Informationen geben, also sagen, wie es geht, wo man sich hinwenden muss. Ich kann mit Behörden Kontakt aufnehmen und mich unmittelbar ins Verfahren einschalten. Es bewirkt schon etwas, wenn ein Abgeordneter sich sachkundig in so ein Verfahren einschaltet.

Sie sind Präsident des Chorverbandes Bayerisch Schwaben und Vize-Präsident des bayerischen Roten Kreuzes. Wie schaffen Sie das alles zeitlich?  Das ist eine Frage der Organisation und des Zeitmanagements. Ich erledige etwa auch viel Arbeit auf dem Weg nach München und von München zurück oder auf anderen Reisen. Dank moderner Kommunikation ist das auch im Zug möglich. Beim Chorverband Bayerisch-Schwaben habe ich die Funktion eines politischen Repräsentanten, der den Verband nach außen vertritt, vor allem gegenüber der Politik und in einem bestimmten Umfang auch auf Veranstaltungen den Verband repräsentiert. Beim Roten Kreuz ist das ein bisschen anders. Da gibt es zwei Vize-Präsidenten neben der Präsidentin. Wir teilen uns die verschieden Aufgaben und Termine untereinander auf. Ich bin zum Beispiel Aufsichstratsvorsitzender der Handelsgesellschaft des BRK, die alles was an Verbandsmaterial, Medikamenten bis hin zu Fahrzeugen und Einsatzbekleidung des Roten Kreuzes betrifft, beschafft. Und das letzte Amt, das ich angenommen habe, ist das des 2. Vorsitzenden der Harmoniemusik Füssen.

Was ist ihr nächstes Ziel, Abgeordneter des Bundestages?
Also ich sehe das nicht hierarchisch. Es gibt drei Gewalten in Deutschland: Das ist die Exekutive, die Legislative und die Judikative und ich bin wahrscheinlich einer der wenigen, die es geschafft haben, in allen drei Gewalten tätig oder tätig gewesen zu sein. Ich war erst Richter, dann war ich Bürgermeister und jetzt bin ich Abgeordneter. Ich werde dieses Jahr 58. Da setzt man sich nicht unbedingt nochmal ein Ziel, das man unbedingt in Berlin fünf Jahre tätig gewesen sein muss. Man muss auch seine Grenzen kennen. Ich habe ein gutes halbes Jahr gebraucht, bis ich im Landtag „angekommen“ bin, bis ich also einigermaßen gewusst habe wie was läuft? Es gibt manche Dinge, die weiß ich immer noch nicht oder ich muss zwischendurch nochmal nachschauen – etwa was die Geschäftsordnung angeht. Und man muss sich seine Netzwerke auch erstmal aufbauen. Das geht nicht von einem Tag auf den anderen. Es gibt in Bayern zum Beispiel 500 bis 600 Verbände, wenn man da nur die 50 wichtigsten kennenlernen möchte, braucht man zwei bis drei Jahre. Da macht es keinen Sinn, dann gleich sozusagen wieder in eine andere Etage des Büros zu wechseln und in den Bundestag zu gehen.

Das ist eine ziemlich ehrliche Antwort.
Ja das ist so. Man muss auch seine Grenzen kennen und kann nicht sagen, ich habe jetzt das und jenes ausprobiert und jetzt probier ich das hier auch noch aus. Ich weiß es durchaus zu schätzen, wenn jemand sagt: „Oh du müsstest eigentlich in den Bundestag. Aber ich hab mich nun einmal für den Landtag entschieden und dabei soll es auch bleiben.“

Vielen Dank für das Interview. Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg bei Ihrer Arbeit.
Ich habe für die Einladung zu danken.


Das Interview führte Sabina Riegger
 Bilder: rie

 

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