BrauchtumLeben

Sehnsucht nach Heimat

Eine Ausstellung über die Füssener Trachtenvereine

Die Entwicklungen und Traditionen der heimischen Trachtenkultur stehen in den kommenden Monaten in der Lechstadt im Mittelpunkt. Von Ende Juli bis in den Februar nächsten Jahres hinein zeigt das Museum der Stadt Füssen die Sonderausstellung „Sehnsucht nach Heimat“.

Zum ersten Mal präsentieren die alteingesessenen Trachtenvereine aus der Kernstadt sowie den früher selbständigen Gemeinden Weißensee und Hopfen am See dabei gemeinsam ihre Geschichte und ihre „Schätze“. Für die Durchführung dieses Sonderausstellungsprojekts haben sich das Museum der Stadt Füssen, die Trachtenkultur-Beratung des Bezirks Schwabens, die Trachtenvereine im Ortsgebiet, der Obere Lechgau-Verband und das Allgäuer Heimatwerk zusammengeschlossen.

Immerhin können die vier Vereine in Füssen zusammen mit über 500 Mitgliedern auf bis zu 120 Jahre Trachten- und Vereinsgeschichte zurückblicken. Die beteiligten Vereine, darunter der Gebirgstrachten und Heimatverein D’Neuschwanstoaner Stamm Füssen, der Trachtenverein D’Falkenstoaner Weißensee und der Trachtenverein Burg Hopfen, zählen damit zu den ältesten Trachtenvereinen im Allgäu. Die Ausstellung gewährt einen Blick hinter die Kulissen der Trachtenkultur und zeigt seltene Exponate. Wir haben uns zum Ausstellungsaufbau mit Museumsleiter Dr. Anton Englert und Richard Hartmann vom Allgäuer Heimatwerk zu einem ersten Rundgang im Museum der Stadt Füssen im Barockkloster St. Mang getroffen.

Wie schwer war es, diese Ausstellung zusammenzustellen und die Liste der Exponate auszuwählen, die hier gezeigt werden?
Die Vorbereitungen zu der Ausstellung haben vor drei Jahren begonnen. Wir haben uns am Anfang zusammengesetzt und erörtert, was wir darstellen und ausdrücken wollen. Wie hat sich dieses Brauchtum entwickelt? Was ist Tracht eigentlich und welche Ausdruckskraft hat sie? Das waren dabei die wichtigsten Fragen für uns. Bei der Konzeption der Ausstellung und bei der Texterstellung für die Erklärungen der Exponate und Stationen hat uns dann die Trachtenkultur-Beratung des Bezirks Schwabens tatkräftig unterstützt. Insgesamt haben wir aus rund 300 verschiedenen Exponaten ausgewählt, etwa 80 sind am Ende übrig geblieben.

Herr Englert, was genau gibt es in der Ausstellung alles zu sehen? In welcher Reihenfolge wurde diese Thematik didaktisch umgesetzt und welche Stationen und Kapitel erwarten den Besucher?
Die Ausstellung beginnt mit einer kurzen Einführung in das Thema anhand von Fotografien aus der Zeit der Industrialisierung um die Wende zum 20. Jahrhundert, als sich die ersten Trachtenvereine bildeten. Zugereiste Fabrikarbeiter, die in den Hanfwerken Anstellung fanden, schufen sich damit eine eigene Heimat in Füssen. Tracht, Tänze und Gebräuche der Gebirgsbewohner wurden damals zu einer volkstümlichen Mode. Das erkennt man auch gut anhand von Fotografien und einem Gemälde von Prinzregent Luitpold, worauf zu sehen ist, dass auch der Hochadel Gebirgstracht trug, um Volksnähe zu zeigen. Anschaulich erklärt werden dann die Entstehungsgeschichte und die Beweggründe der einzelnen Vereine. Die verschiedenen Trachten mit ihren jeweiligen Bestandteilen und Merkmalen werden schließlich im Refektorium im Rahmen einer Ton- und Lichtschau präsentiert. Eine Wand mit Werbeanzeigen aus alten Zeitungen belegt unter anderem, wie sich mit den Trachten und dazugehörigen Utensilien auch schon damals mehr und mehr ein eigener Markt entwickelte. Zu sehen ist auch die offizielle Gründungsurkunde des ältesten Trachtenvereins der Stadt. Eine Originalfahne und zahlreiche Fahnenbänder, bestickte Hosenträger und Vereinsabzeichen zählen zu den Objekten der Zeitgeschichte. Eine weitere Abteilung zeigt die einzelnen Aktivitäten der Vereine, von der Jugendarbeit über Heimatabende, bis hin zu den großen Gautrachtenfesten, ebenso wie ihre verschiedenen Tänze und Schuhplattler. Höhepunkte sind aber natürlich die Trachten selbst.

Was macht die Ausstellung auch für Kinder interessant?
Kinder können hier sehen, was zu einem Verein und seinen Aktivitäten alles dazu gehört. Wir zeigen dazu viele bunte Objekte und Bilder, anhand derer viel Wissen anschaulich vermittelt wird, da Kinder in der Regel wenig Texte lesen. Kinder und alle, die dazu Lust haben, können sich vor einer Fotowand als Trachtlerinnen und Trachtler fotografieren lassen. Der Gedanke dabei ist, dass man die Kinder begeistert, genauso aber auch deren Eltern, ohne die die Kinder nicht kommen würden. Man kann erleben, dass es hier in Füssen neben Fußball oder Eishockey auch noch eine weitere lebenswerte Tradition gibt, die Menschen miteinander lebenslang verbindet und die es wert ist, auch weiterhin erhalten zu werden.

Herr Hartmann, wie haben Sie die Zusammenarbeit zwischen Ihnen, dem Trachten- und Heimatexperten, und Herrn Englert, dem Volkskundler und Wissenschaftler, erlebt?
Herr Englert verfügt über eine Akribie, die ich als künstlerisch Schaffender nicht immer habe. Wir haben uns dem Thema von zwei Seiten aus angenähert und ergänzt. Ich bin sehr dankbar, denn obwohl das Thema Trachten und Heimat mein Fachgebiet ist, habe ich durch die Arbeit an der Ausstellung noch enorm viel dazu gelernt. Ein großer Teil meines Wissens stammt aus Überlieferungen und Geschichten. Jetzt habe ich fundiertes Wissen dazugewonnen. Dieses Wissen ist für mich wie ein Schatz. Diese Ausstellung ist etwas ganz Besonderes geworden, in der auch Menschen, die sich auskennen, noch jede Menge Interessantes und Wissenswertes erfahren können.

Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg.
Wir danken Ihnen für Ihre Unterstützung.

INFO
Die Sonderausstellung „Sehnsucht nach Heimat – Trachtenkultur im Füssener Land“ ist vom 30. Juli 2021 bis 27. Februar 2022 im Museum der Stadt Füssen zu sehen.

Text: Lars Peter Schwarz · Foto: Sabina Riegger

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