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Der kleine Basar in der Brunnengasse

Die Musik von Prince und Michael Jackson haben ihn geprägt. „Es war meine Zeit“, erzählt Meloud el Hihi. In seinem Geschäft in der Brunnengasse 16 in Füssen riecht es nach Rosen, Weihrauch, Seife und Leder. Auf einem großen Teller aus Messing, der als Tisch dient, stehen Gläser und Datteln. „Das sind echte Datteln, unbehandelt und nicht in Zuckersirup eingelegt. Es kann sein, dass irgendwo im Inneren noch ein Wurm ist“, lacht der 51-Jährige.

Mehrmals am Tag macht er Tee, seine spezielle Mischung aus grünem Tee, Minze, Rosenknospen und etwas Safran. Jede Berber-Familie in Marokko hat ihre eigene Teemischung, doch die Zeremonie des Ausschenkens ist bei allen gleich. Der Tee wird im hohen Bogen von der Teekanne ins Glas und wieder zurückgeleert, damit eine schöne Schaumschicht entsteht.

Für manche mag das wohl mehr Show sein, für Meloud el Hihi dient diese Zeremonie zur Aromaentfaltung und Abkühlung des Tees. Über den Tag verteilt kommen Freunde vorbei, um mit ihm Tee zu trinken und über das Weltgeschehen und den Alltag zu sprechen. Mit der Politik ist er nicht zufrieden. „Es wird so viel kaputt geredet und weniges klargestellt. Schlimm ist es, dass man alles über einen Kamm schert“, erzählt er.

Seit 17 Jahren ist er mit seinem Geschäft „Marrakech“ in der Brunnengasse und durchaus ein Unikat. Ob Winter oder Sommer, er ist immer barfüßig in seinen Sandalen unterwegs. Ob er nicht friert? „Nein absolut nicht. Ich fühle mich so sehr wohl“, erklärt er und führt es auf die Ernährung zurück. „Wir essen hauptsächlich vegetarisch und alles in Bio-Qualität. Gutes Essen ist so wichtig für den Körper. Wenn wir uns schlecht ernähren, werden wir krank“, so der Familienvater.

Bevor er nach Füssen kam, lebte er in München und in der Oberpfalz, in Weiden. Dort wohnt auch sein 26-jähriger Sohn, den er aus seiner ersten Beziehung hat. „Ich war damals sehr chaotisch und habe alles, was man als junger Mensch so macht, mitgemacht,“ blickt er zurück. Dass er mal Rastalocken und Ohrringe trug, kann man sich nicht vorstellen.

Genauso wenig die langen Nächte in den Discotheken. „Ich habe drei Jahre lang in einer Disco gearbeitet. Es war eine interessante Zeit“, lächelt er. Erst als er einen schweren Autounfall hatte, änderte sich seine Sichtweise auf das Leben. Es war in Agadir, als er mit Freunden spät nachts aus der Disco kam und nach Hause fuhr.

Wahrscheinlich war es die Unachtsamkeit oder das schnelle Fahren, was zum Unfall führte. Das Auto überschlug sich mehrmals. Meloud el Hihi und seine Freunde blieben unverletzt. „Heute bin ich Meloud el Hihi, der etwas älter und gesetzter geworden ist und gelernt hat, seine eigene Meinung zu haben. Jeder Lebensabschnitt hat seine Zeit, die auch zum Leben dazu gehört“, erklärt er.

Seit 32 Jahren lebt Meloud el Hihi in Deutschland. „Es ist ein Land, das ich sehr schätze. Manchmal stört mich das Schimpfen und Jammern der Menschen und der fehlende Gemeinschaftssinn. Es wäre vieles einfacher, wenn man sich gegenseitig unterstützen würde“, ist er der Meinung.

Gleiches mit Gleichem zu vergelten, findet der Familienvater schlichtweg unmöglich. „Wenn einer blöd tut, dann muss man nicht auch so sein. Ich bin der Meinung, wenn man freundlich ist und das Gute vorlebt, dann kommt es auch zurück.“

Meloud el Hihi hat viele eigene Lebensweisheiten, die er nicht nur sagt, sondern auch lebt. Dass er ein Takke trägt und ein Berber-Gewand anhat, lässt manche Menschen in „Schubladen“ denken, wie er sagt. „Das Äußere sagt nichts über das Handeln und Tun eines Menschen aus“, so seine Meinung.

Menschen nicht gleich vorzuverurteilen hat er schon in jungen Jahren von seinem Vater gelernt. „Er war Professor und unterrichtete unter anderem Mathematik. Für ihn war es wichtig, dass seine Schüler sich ihre eigene Meinung bilden dürfen und nicht nur eine Sichtweise haben“, erzählt er.

In seinem Reich aus 1001 Nacht fühlt er sich wohl. Seine Kunden und Besucher auch. „Es ist eine kleine marokkanische Oase mitten im Allgäu“, meint eine Kundin, die Meloud el Hihi seit über 25 Jahren kennt. Möbel, Teppiche, Lampen, Taschen, aber auch Seifen, Gläser, Karaffen und vieles andere mehr findet man in dem kleinen Laden. „Das tun zu dürfen, was man gerne macht, ist für mich Freiheit.“

Text · Foto: Sabina Riegger

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