Kolumne

Momente

Ich habe gekocht, die Kerzen auf dem Tisch flackern, wir reden, essen und lachen. Unsere Freunde sind gerade zu Besuch. Auf unserem runden Holztisch stehen verschiedene Schüsseln und Teller. Es gibt frisches, ofenwarmes Brot, gebackenes Gemüse mit Granatapfelkernen und frischem Koriander, Auberginenpaste, Süßkartoffeln, Oliven. Ach, einfach Mezze in allen Variationen. Dazu läuft im Hintergrund auch noch eine meiner Lieblingsbands, das Holz im Ofen knistert und gerade könnte es nicht mehr schöner sein.

Manchmal gibt es diese Momente, die sich so surreal anfühlen, obwohl sie echt sind. Das gerade ist so ein Moment.

Vorhin habe ich meiner Freundin schon Löcher in den Bauch gefragt. Sie ist Flugbegleiterin und mir gehen die Fragen dazu nie aus. Ich wollte wieder alles über unberechenbare Fluggäste, Turbulenzen, wilde Bordaffären und Air Marshals wissen.

Und jedes Mal wieder stellen wir danach fest, dass ich früher offensichtlich zu viele schlechte Action-Filme geschaut haben muss. Wir haben über Buenos Aires geredet, über Steuererklärungen, über Campingplätze in der Normandie, über das wilde Schweden und später seltsamerweise auch über Ofenkartoffeln.

Dann haben wir über alte Zeiten gesprochen. Darüber, wie wir uns damals in der Notaufnahme kennengelernt haben. Ich kam nach einem Fahrradsturz mit gerissenen Bändern am Sprunggelenk ins Krankenhaus und sie nach einem Sturz beim Wandern. Bei ihr war es das Knie.

Und jetzt sitzen wir hier. Aber nicht mehr nur zu zweit, wie im Wartebereich damals. Sondern inzwischen zu siebt. Wir stellen fest, wie schnell unsere Kinder groß werden und wir mit ihnen älter. Am Tisch wird es still, aber es ist nicht bedrückend. Im Gegenteil. Mit einem zufriedenen Lächeln denken wir wohl alle gerade an unsere Kinder.

Ich lehne mich zurück. Es ist, als würden die Stimmen leiser und die Musik lauter. Meine Freundin greift nach einem Stück Brot und drückt es in die Auberginenpaste. Es schmeckt ihr. Ich bin glücklich. Am liebsten würde ich noch stundenlang so sitzen bleiben. Aber Bastian, der Mann meiner Freundin, unterbricht die Stille. Er fällt mit der Tür ins Haus: „Stellt euch vor, die Rotznasen der AfD haben doch tatsächlich ein Wahlplakat auf der Wiese vor unserem Haus platziert!“ Mein Mann legt nach: „Die Wahlwerbung von denen in unserem Briefkasten habe ich direkt zerrissen.“

Wir werden heute Abend noch lange weiterreden. Und es wird sicher nicht die letzte laute Tür gewesen sein. Wir haben noch genügend zu essen, die Musik läuft weiter und vor allem spielen nebenan Kinder. Unsere Kinder.

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