LokalesTourismus

Wirtschaftssäule Tourismus

Gelder für die marode Stadtkasse

Letzte wissenschaftliche Untersuchungen auf der Grundlage von Zahlen aus dem Jahr 2019 belegen, dass mit knapp 230 Millionen Euro rund ein Viertel des in Füssen erwirtschafteten Volkseinkommens der Einheimischen dem Tourismus zuzuschreiben sind. Die Wirkung des Tourismus zeigt sich u.a. in zahlreichen Arbeitsplätzen, dem damit verbundenen Lebensunterhalt für viele Familien in Füssen und Umgebung, aber auch vielen Einrichtungen und Veranstaltungen, die zum Teil oder gänzlich aus touristischen Mitteln finanziert werden.

Als Anstalt des öffentlichen Rechts ist Füssen Tourismus und Marketing eine 100%ige Tochter der Stadt Füssen, gleichzeitig juristisch und wirtschaftlich eigenständig. Das Unternehmen ist aktuell wirtschaftlich gesund und schuldenfrei, wie Füssens Tourismusdirektor Stefan Fredlmeier sagt. Durch die prekäre Haushaltssituation der Stadt Füssen gibt es derzeit wieder Überlegungen, wie eine Entlastung des städtischen Haushalts durch FTM möglich wäre Im Gespräch mit Stefan Fredlmeier wollte Füssen aktuell wissen, ob eine Finanzierung des städtischen Haushalts mindestens zum Teil aus touristischen Mitteln erfolgen kann.

Was halten Sie von der Aufforderung den Kurbeitrag, der momentan bei 2,50 Euro für Erwachsene liegt, zu erhöhen, um damit der Stadt Füssen finanziell unter die Arme greifen zu können?
Für die komplizierte Haushaltssituation Füssens gibt es leider keine einfachen Antworten. Wissen muss man, dass es sich bei Kurbeitrag und Fremdenverkehrsbeitrag um Beiträge handelt, die ausschließlich zweckgebunden eingesetzt werden dürfen, in diesem Falle also nur zu touristischen Zwecken. Dies ist der wesentliche Unterschied zu Steuern, bei denen es keine Zweckbindung gibt. Insofern muss man also prüfen, wie hoch die Aufwendungen für den Tourismus sind, die man mit Kurbeitrag und Fremdenverkehrsbeitrag decken soll.

Dazu bedarf es einer Kalkulation, die wir jährlich durch ein externes Fachbüro vornehmen lassen und bei der wir sehr eng und vertrauensvoll mit der Kämmerei und dem Steueramt der Stadt Füssen zusammenarbeiten. Die Höhe des aktuellen Regelbeitrags von € 2,50 ist das Ergebnis der derzeitigen Kalkulation zur Deckung von Kosten, die im Haushalt von FTM und der Stadt Füssen als touristisch identifiziert wurden.

Wenn der zu deckende Aufwand steigt, bedarf es der Erhöhung des Kurbeitrags, wie zuletzt mit Wirkung ab Dezember 2022 geschehen, oder auch des Fremdenverkehrsbeitrags, der ebenfalls kürzlich angepasst wurde. Der Kurbeitrag und ein kleinerer Teil des Fremdenverkehrsbeitrags stehen FTM zur Verfügung. Ein größerer Teil des Fremdenverkehrsbeitrags fließt in den Haushalt der Stadt Füssen und wird von dieser auch zweckgebunden eingesetzt.

Gemäß §2 der Unternehmenssatzung von FTM heißt es unter anderem „…die Förderung der Entwicklung und Attraktivität der Stadt Füssen nach innen und außen mit Schwerpunkt im Bereich des Tourismus, aber auch die Verbesserung der Infrastruktur in Handel, Dienstleistung, Gewerbe und Verkehr; …“ Heißt das, dass es rechtlich konform ist, dass die Gelder von FTM für nichttouristische Zwecke eingebracht werden können?
Wie oben erläutert, ist genau dies nicht möglich, da sich FTM ausschließlich aus Beiträgen finanziert, die für den Tourismus zu verausgaben sind. Dies deckt sich mit unserem Unternehmenszweck. Wäre FTM durch die Einheimischen und aus dem städtischen Haushalt steuerfinanziert, sähe es anders aus. Vermutlich würden dann einfach die Budgets reduziert, die FTM seitens der Stadt zugewiesen würden. So aber handelt es sich bei FTM um ein eigenständig wirtschaftendes und rein auf den Tourismus ausgerichtetes städtisches Unternehmen, das auch kraft Satzung keine anderen Aufgaben ausführen darf.

Erschwerend kommt ein Aspekt hinzu: Das sogenannte Kommunale Abgabengesetz, das uns die Orientierung gibt, was wir als Tourismusunternehmen umsetzen und finanzieren dürfen, gibt uns mehr „Spielraum“ als die Finanzgesetzgebung. Bedeutet: Den Nutzen, den auch Einheimische aus den touristischen Aktivitäten von FTM ziehen, erkennt das Finanzamt nicht als touristischen Aufwand an. Am Beispiel: Wenn wir im Rahmen eines Projektes eine Sitzbank aufstellen, so ist dies gemäß Kommunalem Abgabengesetz möglich, wenn es eine touristische Begründung gibt. Natürlich wird diese Bank aber nicht nur von Gästen, sondern auch von Einheimischen genutzt. Diese Nutzung von Einheimischen ist der Eigenanteil, der seitens des Finanzamtes nicht als touristischer Aufwand anerkannt wird.

Dies fällt uns regelmäßig bei unserem Jahresabschluss auf die Füße. Wenn wir unsere Liquidität stabil halten, was unser oberstes Ziel sein muss, rutschen wir über den Eigenanteil automatisch in die Gewinnzone. Und ein Gewinn wird besteuert. Zu vermeiden wäre dies nur, wenn wir handelsrechtlich auf eine schwarze Null zielen würden. Aber dann wären wir immer mit der Liquidität im Minus, und die Stadt Füssen müsste aus Steuergeldern die Liquiditätslücke schließen. Kompliziert? Ja! Und daher gibt es auch keine einfachen Antworten!

Wer entscheidet was zur touristischen und was zur städtischen Infrastruktur gehört? Ist es überhaupt möglich das so differenziert zu trennen?
Tatsächlich ist genau diese Fragestellung ein Knackpunkt bei der Kalkulation. Erst einmal geht es darum, was überhaupt touristisch relevant ist. Bei der Infrastruktur betrifft dies Urlaub und Freizeit, also den Nutzen bzw. die Nutzung durch den Gast. Bei allem, was sich im öffentlichen Raum befindet, haben wir es mit einer Mischnutzung zu tun, also einer Nutzung sowohl durch Einheimische als auch durch Gäste. Natürlich zählen wir nicht, wieviele Gäste oder Einheimische wie oft die oben beschriebene Bank nutzen.

Wir rechnen anhand der Einwohner- und Übernachtungszahlen hoch, wie die jeweiligen Anteile sein könnten. Und dies ist dann wiederum wichtig auch für das Finanzamt, mit dem wir die Anteile letztendlich „aushandeln“. Machen wir uns nichts vor: Das ewige Hin- und Herschubsen, ob es sich um eine Infrastruktur für Einheimische oder Gäste handelt, führt nicht wirklich weiter und ist zumeist dadurch motiviert, dass man die Unterhaltspflicht und die Kosten dem anderen zuschieben möchte.

Glücklicherweise laufen aber die Gespräche zwischen Stadt und FTM diesbezüglich extrem partnerschaftlich und vertrauensvoll , da wir die Entlastung des Gesamthaushaltes als Gemeinschaftsaufgabe betrachten. All dies mit Unterstützung und Entscheidung durch den Stadtrat sowie den Verwaltungsrat und Marketing- und Wirtschaftsausschuss von FTM.

Füssen Tourismus und Marketing trägt bereits einige Posten der Stadt Füssen finanziell mit, wie wirkt sich das auf Ihren laufenden Betrieb aus?
Ja, wir haben bereits Entlastungspakete geschnürt, die dazu dienen sollen, Bausteine von der Agenda der Stadt auf die Agenda von FTM zu übertragen. Voraussetzung ist, dass dies touristisch relevant und natürlich von FTM finanziell zu meistern ist. Beispiele dazu: der Aufbau des WLAN-Netzes, die Loipen im Winter, Unterstützung der Kulturveranstaltungen der Stadt auch mit Blick auf den touristischen Wert, Veranstaltungen ganz generell oder auch Projekte wie der Mitterseepark und die Lechfall-Plattform, die den Lebensraum Füssen doch gehörig entwickeln.

Ohne touristische Gelder könnte so manches nicht finanziert werden. Viele Infrastrukturbausteine sind eh schon weitgehend in der Obhut von FTM: Info- und Leitsysteme, diverse Kneippareale, die Wanderwege- und Radwegebeschilderung etc. Letztlich finden also der oft geforderte Beitrag des Tourismus zugunsten der Einheimischen und die Entlastung des städtischen Haushalts auch auf diesem Wege schon lange statt.

Bislang wurde der Tourismus in Füssen eher belächelt, oftmals kritisiert und weniger als eine starke Wirtschaftssäule betrachtet. Haben Sie das Gefühl, dass sich diese Betrachtungsweise, seit der desolaten finanziellen Lage der Stadt Füssen, geändert hat?
Schwer zu sagen. So manche Diskussion startet ja allein mit der Frage, wer was zahlt, weniger damit, wieviel uns was wert ist. Betrachten wir mal den Kern: Zuerst ist Füssen ein Lebensraum. Den Einheimischen bietet man eine Daseinsvorsorge, darüber hinaus auch viele Annehmlichkeiten, die die Lebensqualität steigern. Und natürlich bewahrt man das kulturelle Erbe. Erst danach ist Füssen ein Urlaubsraum. Letzterer verursacht zusätzliche Kosten, die durch zusätzliche Einnahmen gedeckt werden sollten. Stichworte: Kurbeitrag und Fremdenverkehrsbeitrag.

Unter dem Strich lebt Füssen gut mit und von dem Tourismus. Immerhin haben sich sehr viele Füssener bewusst dafür entschieden, im Tourismus tätig zu werden, sei es als Angestellte oder als Vermieter. Und so manches Haus kann erst gebaut und finanziert werden, indem man eine Wohnung als Ferienwohnung touristisch anbietet. Der Tourismus kam ja nicht über uns wie ein Virus, sondern wir haben dafür maßgeblich die Voraussetzungen geschaffen.

Wenn man nun fordert, dass der Tourismus und damit maßgeblich die Gäste, dabei primär die Übernachtungsgäste stärker finanziell belastet werden sollen, um den städtischen Haushalt zu entlasten, ist die Frage legitim, ob es der Tourismus war, der die Stadt in die Schuldenfalle getrieben hat. Auch hierfür gibt es keine einfache Antwort, aber garantiert ganz viele Meinungen.

Unter dem Strich kann Füssen und können die Füssener – bei allen Problemen – stolz auf den Tourismus sein. Er ist eine wahre Spitzenleistung, wird von anderen höchst respektiert, und wir werden von vielen um ihn beneidet. Während der Corona-Zeit war der Blick für die Bedeutung des Tourismus geschärft – aus Sicht des Tourismus im positiven Sinne. Inzwischen ist man wieder stärker auf die negativen Seiten des Tourismus fokussiert – zumindest in öffentlicher Diskussion.

Eine Frage zuletzt: Schloss Neuschwanstein wird Weltkulturerbe. Welche Auswirkung wird das auf die Stadt Füssen haben?
Zunächst freue ich mich, dass die Schwangauerinnen und Schwangauer so entschieden haben: ein wichtiger Schritt von der häufig kritisierten Disney-Aura hin zur auch offiziellen und höchstmöglichen Anerkennung des Schlosses Neuschwanstein als Weltkulturschatz und -erbe. Ich beginne mit dem, was ich im Falle eines erfolgreichen UNESCO-Antrags nicht erwarte: eine massive Zunahme an Gästen und Autoverkehr. Dazu ist das Schloss Neuschwanstein bereits zu bekannt, und die Zahl der Tickets bleibt ein limitierender Faktor.

In jedem Fall erhoffe ich mir ein stärkeres Engagement in den Bereichen Besuchermanagement, Mobilität und Parken. Schwangau und Füssen sitzen da im selben Boot – gemeinsam mit der Schlösserverwaltung und dem Wittelsbacher Ausgleichsfonds. Es lohnt sich dabei immer, Ideen und Projekte näher zu prüfen, selbst wenn sie zunächst verwegen erscheinen. Auf den zweiten oder dritten Blick sind sie dann vielleicht keine Spinnereien mehr, sondern Ideen für Entwicklungssprünge.

Das Interview führte Sabina Riegger
Foto: Hubert Riegger

Verwandte Artikel

Das könnte Dich auch interessieren
Schließen
Schaltfläche "Zurück zum Anfang"