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Ein Erfolgsmodell wird zehn

Die Wertachtal-Werkstätten Füssen feiern heuer Jubiläum

Na, wenn das kein Grund zum Feiern ist! Mit dem Ziel angetreten, „Menschen mit Behinderung wohnortnah in die allgemeine Wirtschaft zu integrieren“, sind die Wertachtal-Werkstätten in Füssen inzwischen gar nicht mehr wegzudenken und „unentbehrlich für die Stadt“, erklärt deren Leiterin Dagmar Rothemund. So hat sich die Außenstelle der Kaufbeurer Lebenshilfe Ostallgäu in der Lechstadt mittlerweile als fester Bestandteil bei dem Vorhaben etabliert, das Thema Inklusion in der Gesellschaft zu verankern. Das war nicht immer so, kann sich Diplom-Sozialpsychologin Rothemund an die Zeit vor 2013 erinnern, als sie sich gefragt hatte, warum es damals in Füssen „kein Angebot für Menschen mit Behinderung“ gab, gehandicapte Menschen in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Selbst zu dieser Zeit in Marktoberdorf tätig, setzte sie sich in der Folge vehement dafür ein, dies zu ändern. Und so öffneten die Wertachtal-Werkstätten vor ziemlich genau zehn Jahren in der Hiebeler Straße in Füssen ihre Pforten, was denn auch heuer im Herbst gebührend gefeiert werde, wie Rothemund ankündigt.

Nach dem Vorbild des Bamberger Modells von „Integra Mensch“ haben die Wertachtal-Werkstätten in Füssen ihren Betrieb einst mit 13 Menschen mit Behinderung angefangen. Im Laufe der Jahre sind daraus 60 geworden, die derzeit von 25 Mitarbeitern betreut werden, die dabei eine „sehr gute Qualität an Pädagogik“ an den Tag legen. Und während sich so im Rahmen des Projektes „Integra Mensch – Füssen bewegt“ nach wie vor Betriebe und Bewerber beispielsweise über Praktika kennenlernen können, erhalten die Betriebe unverändert die Möglichkeit, Patenschaften für die Bewerber zu übernehmen. Nicht nur in dieser Hinsicht hat man laut Rothemund „viel erreicht“ in den vergangenen zehn Jahren, in denen unter anderem 2017 sowohl die Räumlichkeiten der Wertachtal-Werkstätten erweitert als auch 2019 die unmittelbar daran angrenzende Kindertagesstätte mit dem Namen „Werkstattwichtel“ eingeweiht wurden. Dort werden behinderte Kinder ebenso gut angenommen, wie erwachsene Menschen mit Behinderung in den Werkstätten willkommen geheißen werden.

„Wir haben einen wahnsinnigen Zuspruch“, unterstreicht Rothemund dabei sowohl auf die Kita als auch die Werkstätten bezogen, denen sie denn auch „eine große Nachfrage und einen guten Ruf“ attestiert. Demzufolge sei die Atmosphäre dort „sehr schön“, während man „hochprofessionell, aber trotzdem mit entspannter Grundhaltung und einem hohen Maß an Vertrauen untereinander“ arbeite. Das soll schließlich auch für Behinderte gelten, denen man in möglichst naher Zukunft eine zertifizierte Ausbildung als Kita-Assistent anbieten und damit weiter dazu beitragen möchte, dass Inklusion nicht nur Theorie, sondern gelebte gesellschaftliche Praxis darstellt.

Bei der Kita-Assistenz handelt es sich laut Rothemund um „eine kleine Ausbildung für Menschen mit Behinderung“, an deren Ende die Auszubildenden eine Prüfung vor einer „Fachakademie, die Erzieher ausbildet“, absolvieren. Voraussetzung für die Ausbildung, die „immer einen theoretischen und einen praktischen Block“ umfasst, stellt ein einjähriges Praktikum in einer Kita dar. Die schließlich zertifizierten Kita-Assistentinnen und –Assistenten übernehmen dann die verschiedensten Aufgaben in ihrem Job wie beispielsweise „spielen mit den Kindern, lesen mit den Kindern oder Essen ausgeben“, wie Rothemund erklärt und ergänzt: „Sie sind zusammen mit den Erzieherinnen eingeteilt und haben immer was zu tun.“ Finanziert wird das Ganze dabei von der Agentur für Arbeit sowie der Deutschen Rentenversicherung und dem Bezirk Schwaben. Als Alternative zu Werkstätten für behinderte Menschen gibt es indes zudem das sogenannte „Budget für Arbeit“.

Das Budget für Arbeit

Das Budget für Arbeit (BfA) soll Menschen mit Behinderungen als Alternative zu Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglichen. Es beinhaltet einen Lohnkostenzuschuss an den Betrieb, der einen Menschen mit Behinderung beschäftigt sowie Betreuungsleistungen für Menschen mit Behinderungen. Menschen mit Behinderungen können ein Budget für Arbeit erhalten, wenn sie Anspruch auf Leistungen im Arbeitsbereich von anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen nach § 58 SGB IX oder ein sozialversicherungpflichtiges Arbeitsverhältnis bei einem privaten oder öffentlichen Arbeitgeber mit tariflicher oder üblicher Entlohnung haben.

Mit Abschluss des Arbeitsvertrages wird das BfA als sogenannte Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben gewährt.Wie lange das BfA gewährt wird, hängt vom individuellen Einzelfall ab. Ein wichtiges Ziel des BfA besteht darin, dass der Mensch mit Behinderung seinen Lebensunterhalt oder einen großen Teil davon durch sein eigenes Einkommen finanzieren kann. Zudem soll Menschen mit Behinderungen damit eine Alternative zum Arbeitsbereich in einer WfbM ermöglicht werden. Während dem BfA besteht Versicherungspflicht in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung. Bei Fragen rund ums BfA hilft je nach Zuständigkeit der Träger der Eingliederungshilfe, der Träger der Unfallversicherung, der Träger der sozialen Entschädigung oder das Jugendamt weiter.

Text: Alexander Berndt · Archivfotot: SR Verlag

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