Kolumne

Zurück und dann vor

Vor einer Weile hatten wir Besuch aus Berlin. Unsere Freunde leben mit neun anderen in einer WG. Wobei die Assoziation einer Wohngemeinschaft wahrscheinlich eher nicht auf ihre WG zutrifft. Woran denkt man bei dem Wort WG zuerst?

Vielleicht an so etwas wie: Studenten die pleite sind, mit drei Nebenjobs, verstopfte Abflüsse, Rennräder im Flur, Mottoparties, Putzpläne und einen leeren Kühlschrank?

Aber wenn neun Menschen zusammenleben, die ihr Studium längst beendet und gute Jobs haben, dann stehen die Rennräder im eigenen Fahrradkeller. Und die Bude ist in Wahrheit ein schönes Altbauhaus mit einer Haushaltshilfe, Garten, Fischgrätparkett und Klavier.

Wir haben viel geredet. Über Kühlschranksysteme in WGs, über Martinique, über (das mittlerweile angesagte) Berlin-Neukölln und die Falafel dort, über die Öffis, über Ängste und Familienfeste und irgendwann darüber, dass bald wieder ein Jahr vorüber sein wird.

Der Ofen war an und kurz war es ganz still. Vielleicht war es das erste Mal in der ganzen Woche, dass niemand von uns etwas sagte. Jeder von uns wollte kurz reflektieren und an die vergangenen Tage, Wochen und Monate zurückdenken.
Und ehrlicherweise dachte ich bei dieser Frage sofort an dasselbe wie in den vergangenen Jahren auch: „Du hast nichts aufgeschrieben! Schon wieder nicht!“

Vor vielen Jahren bin ich über eine Liste von Fragen gestoßen. Es waren aber keine 08/15-Fragen. Natürlich nicht. Es waren die Fragen eines Philanthropen, eines Mannes, der auf Bali sein Glück gefunden hatte, und seither Listen mit Fragen zusammenstellt, durch die man entweder in Aufbruchstimmung oder in Abbruchstimmung gerät.
Sein Ziel: Resilienz für alle!

Vor jedem Jahresende wollte ich all seine Fragen aufs Neue beantworten. Ich wollte für jedes Jahr eine Art Rückblicksbuch kreieren. Alles für die Resilienz. „Also, ich bin dann soweit fertig mit reflektieren. Und ihr?“ Meine Freundin beendete die Stille. Die Stimmung war ein bisschen wie beim Flaschendrehen am Lagerfeuer.

Jetzt war ich dran: „Wisst ihr, ich lächle, es gibt da eine Liste! Frage Nummer 19 darauf lautet: Was hast du zu geben? Meine Antwort: um die 4000 Fotos bisher! Und das wiederum bringt mich zu dem Schluss: Viele Fotos, viele Erlebnisse.“

Danke 2022.

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