KulturLeben

Kindertage am Königshof

„Sie waren die Lieblinge des Volkes und in der That auch die anmuthigsten und schönsten Kinder, die man sich denken konnte,“ liest man in den Erinnerungen einer Zeitzeugin über den Kronprinzen Ludwig, den späteren König Ludwig II. von Bayern und seinen jüngeren Bruder Otto. „So sehr sich die kindlichen Gesichter ähnlich waren, so waltete darin doch eine ersichtliche Verschiedenheit: der Kronprinz mit dunklem Haar und dunklen Augen, Prinz Otto dagegen blond und zart.“

Ihre Kindheit und Jugend verbrachten die Brüder vor allem auf Schloss Hohenschwangau, in der Umgebung ihrer Erzieher. Ihre Sommerferien verlebten sie zwischen 1853 und 1863 in der eigens für ihren Vater errichteten Königlichen Villa in Berchtesgaden.

Die beiden Prinzen erhielten bereits ab dem Tag ihrer Geburt die ersten Bediensteten, Erzieherinnen, Kinderfrauen, Ammen und Lehrer, die den größten Teil des Umfelds der beiden bildeten. Der normale Tagesablauf folgte einem ausgearbeiteten Stundenplan, der die Mahlzeiten, den Aufenthalt an der frischen Luft sowie die Zeit mit der Mutter reglementierte. Jeden Tag, außer an Sonntagen, wurden die Prinzen zwischen fünf und halb sechs Uhr morgens durch einen Diener geweckt, der „laut räuspernd ins Schlafzimmer kam“. Nach dem Waschen hatten die Prinzen in den folgenden zwei Stunden Zeit zum Lernen und sich auf den Unterreicht des kommenden Tages vorzubereiten. Die folgende halbe Stunde, ab halb acht Uhr, war für das Frühstück reserviert. Es folgte der Vormittagsunterricht bis 12 Uhr, der nur kurz durch den täglichen halbstündlichen Besuch der Mutter ab 10 Uhr unterbrochen wurde.

Die Fächer Griechisch, Latein, Französisch, Geometrie, Geografie, Mathematik, Religion aber auch Tanzen, Zeichnen und Klavierspielen standen u.a. auf dem Stundenplan. Für das anschließende Gabelfrühstück blieb nie viel Zeit. Es musste innerhalb von 15 Minuten eingenommen werden, da die Prinzen ab 12.15 Uhr ihre tägliche Zeit an der frischen Luft in Form von Ausritten, Spaziergängen, Ausfahrten und Ähnlichem verbringen sollten. Nach einer kurz eingeräumten Ruhepause von 15 Minuten begann dann der Nachmittagsunterricht von 14.30 Uhr bis 16 Uhr. Das daran anschließende Sieben-Gänge-Menü nahmen die Prinzen gemeinsam mit den Eltern ein.

Wenn man sich heutzutage vorstellt, dass ein solches Menü sicherlich eine üppige Mahlzeit darstellte, war die Realität eine andere. „Es gehörte zu den Torheiten der damaligen vornehmen Erziehung, daß man Kinder sich nicht satt essen ließ, und der künftige König [Ludwig II.] war froh, wenn ihm (…) Lakaien zuweilen Proviant aus der Stadt mitbrachten, oder etwas von ihrer reichlichen Kost mitteilten“, erinnert sich ein Zeitzeuge. Ab fünf Uhr abends erhielten Ludwig und Otto eine Stunde Zeit für ihre Hausaufgaben, gefolgt von einer Stunde zur freien Verfügung und einer Stunde Abendessen. Ab acht Uhr abends sah der Stundenplan nochmals einen halbstündigen Besuch der Mutter vor, sofern sie das Sieben-Gänge-Menü nicht gemeinsam hatten einnehmen können. Ab 20.30 Uhr blieb nun noch eine halbe Stunde Zeit, um sich für die Nacht fertig zu machen, denn ab neun Uhr herrschte Nachtruhe.

Eine Zeit, die – wenn man den Überlieferungen glauben mag – Ludwig nicht immer zum Schlafen nutzte. Denn trotz des vollgestopften Tages las er viele Nächte heimlich in den unterschiedlichsten Büchern, gefesselt von deren Geschichten. So konnte es hin und wieder vorkommen, dass der Kronprinz noch nicht ausgeruht war, als morgens um 5 Uhr der Diener mit lautem Räuspern im Schlafzimmer zum Wecken erschien.

Auch an sozialen Kontakten sollte es den Prinzen nicht gänzlich fehlen. Aus diesem Grund erhielten gleichaltrige Adelige Einladungen an den Hof zum sonntäglichen Spielen. Das Spiel der Kinder sollte gemeinsam, ungezwungen und ohne hierarchische Strukturen stattfinden. Weswegen den jungen Gästen gleich zu Beginn verboten wurde, die Prinzen mit „Königliche Hoheit“ anzusprechen. Ob es allen geladenen Kindern und Jugendlichen gleichwohl möglich war, sich vom Stand der Prinzen nicht einschüchtern zu lassen und frei mit Ludwig und Otto zu spielen, ist nicht bekannt. Wurde das Spiel allerdings doch einmal zu „bunt“ und entwickelte sich in eine „unhöfliche“ Richtung, mussten die Protagonisten das sonntägliche Spiel verlassen. „(…) so einmal Graf Tony Arco, weil der dem Kronprinzen eine Ohrfeige gegeben hatte.“

Die damalige Erziehung zielte darauf ab, die Königskinder nicht zu verweichlichen oder zu verhätscheln. Sie sollten die Annehmlichkeiten, die ihre Stellung später einmal mit sich brachte, zu schätzen wissen. Demzufolge begrenzte man auch ihre finanziellen Mittel. So erhielt Ludwig beispielsweise zwölf Gulden Taschengeld im Monat. Ein Betrag, der sich ab seinem 15. Lebensjahr auf 25 Gulden monatlich erhöhte. Um den Umgang mit Geld zu erlernen, hatten die Prinzen die Aufgabe, genau über ihre Ausgaben, und seien sie noch so klein, buchzuführen. Ludwig, der es liebte zu schenken, kaufte von seinem Taschengeld meist Aufmerksamkeiten für seine Mutter, seinen Bruder, seine Cousins, seine Freunde und die Damen seiner Mutter. Er erwarb aber „auch Brot für die Nymphenburger Hirsche, Schwäne und Fische oder Spazierstöcke, Bilder und Photographien“. Und wie es wohl jedes Kind tun würde, investierte Ludwig sein Geld in allerhand Naschwerk wie Bonbons und Schokolade. In der Weihnachtszeit wuchsen die über das Jahr eher geringen Ausgaben stetig an. Es war dem Kronprinzen wichtig, alle Menschen seines Umfelds mit Geschenken zu bedenken. Gerade seine Mutter und sein Bruder wurden mit Präsenten förmlich überhäuft.

Aber auch er selbst hatte Weihnachtswünsche und vermerkte diese schriftlich. Neben Bildern aus der Allerheiligen Hofkirche und einem Gebetbuch schrieb er in einem Jahr auch kindliche Dinge wie eine Lokomotive mit Dampfbetrieb und Bremswagen oder „ein Linienschiff nebst Kajüte ungefähr 3 Schuh 2 Zoll lang“ auf seine Liste. Aber bei all den Wünschen fügte er meist abschließend hinzu: „Wenn es nicht zuviel ist“.

Text: Vanessa Richter · Foto: Wikipedia

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