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Ohne Frauen wäre die katholische Kirche sehr arm

Bildlich gesprochen, ist die Kirche ein großer Dampfer

Heftiger Gegenwind weht aktuell nicht nur dem früheren Papst Benedikt XVI. ins Gesicht. Wegen ihres von vielen wohl als scheinheilig angesehenen Verhaltens bei der Aufarbeitung von Fragen des Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen steht so in der jüngeren Vergangenheit vor allem die katholische Kirche insgesamt stark in der Kritik. Obgleich schon seit längerer Zeit ein Trend zu Kirchenaustritten herrscht, dürfte das Missbrauchsthema erst recht ein Grund für die in jüngster Vergangenheit auch in Füssen vermehrt auftretenden Austritte aus der Kirche sein. Aber nicht nur wegen dieses konkreten Zeichens der Unzufriedenheit mit ihr dürfte sich die Kirche ganz allgemein mit immer zahlreicher aufkommenden Fragen konfrontiert sehen. Einige davon hat „Füssen aktuell“ dem Füssener Stadtpfarrer Frank Deuring gestellt.

Haben Sie Verständnis dafür, dass mehr und mehr Menschen der Kirche den Rücken kehren?
Was in der katholischen Kirche aufgedeckt wurde, sind schreckliche Gräueltaten, die die Kirche in eine große Krise geführt haben. Für mich als Seelsorger und auch bei vielen Gemeindegliedern gilt die Sorge vor allem den Betroffenen und den Opfern. Ich schäme mich dafür, was kirchliche Mitarbeiter an Schutzlosen verübt haben und von Verantwortlichen verschleiert worden ist. Jeder Austritt aus der Kirche schmerzt, wenngleich auch viele Menschen erfahren, wie viel Gutes von der Kirche ausgeht, vor allem hier vor Ort. Ein Austritt bedeutet ja schließlich auch, dass nicht mehr mitgestaltet werden kann und vielleicht auch viele gute Dinge nicht mehr in herkömmlicher Weise angeboten werden können. Das ist für alle ein großer Verlust!

Wie kann man Gläubige motivieren, mehr in die Kirche zu gehen?
Wir sind hier in Füssen schon seit einigen Jahren auf einem sehr guten Weg. Pfarrgemeinderäte und viele Engagierte haben sich darüber Gedanken gemacht, wie sie Menschen für das Thema Glauben, Beziehung mit Gott und untereinander stärken können. Darum haben wir sehr unterschiedliche Angebote geschaffen, die Menschen locken, sich wieder mehr mit dem Glauben auseinanderzusetzen und zu spüren, in allen Lagen des Lebens von Gott angenommen, getragen und geführt zu sein. Vor allem unser Sonntagabend-Gottesdienst mit schwungvollen Liedern und einer bunten Gestaltung soll Menschen helfen, einen neuen Zugang zu bekommen.

Teilen Sie die Kritik an dem Brief des früheren Papst Benedikt XVI.?
Wenn man bedenkt, dass Papst Benedikt während seiner Amtszeit bereits mit Missbrauchsopfern Gespräche geführt hat und damals schon die „Aufklärung“ über Missbrauch in der Kirche voranbrachte, ist es sehr befremdlich, dass er sich bei den Opfern für falsches Verhalten nicht entschuldigen kann. Die Aussage, dass er von dem damaligen Fall nichts gewusst habe, war offensichtlich nicht aus seiner Feder.

Ist die katholische Kirche in ihrer jetzigen Form ein Auslaufmodell?
Niemals! Viele Menschen wissen ihre Heimat dort und sie leiden unter der gegenwärtigen Situation sehr. Kirche ist und bleibt vor allem durch ihre Sakramente und in der Begleitung von Lebenswenden ein wichtiger Vermittler zwischen Gott und Mensch, Welt und Verantwortung.

Muss sich die katholische Kirche modernisieren?
Die Kirche hat im Laufe der letzten zwei Jahrtausende viele Erneuerungen erlebt. Sie ist im Bild gesprochen ein großer Dampfer, der nicht so schnell reagieren kann, wie man es sich wünscht. Es ist an der Zeit, sich fortwährend auf Veränderungen einzulassen, Neues zu wagen – aber immer auf Sichtweite, nicht durch Schnellschüsse, dennoch mit Mut, Herz, Verstand und im Vertrauen auf den Heiligen Geist.

Wie stehen Sie zur Abschaffung des Zölibats, Priesterheirat und zu Frauen als Priesterinnen?
Die Entscheidung zur zölibatären Lebensweise trifft jeder vor seiner Priesterweihe. Ich kenne Priester, die heute darunter leiden, vor allem vereinsamen. Darum wäre ich für eine Öffnung des Zölibats, nicht aber für eine Abschaffung. Denn ich persönlich spüre in dieser Lebensweise eine große Kraft und Berufung.
Der synodale Weg öffnet Türen für das Thema Priesterweihe für Frauen. Es wird aber kontrovers in der Kirche bleiben. Eines steht jedoch fest: ohne Frauen wäre die katholische Kirche sehr arm. Sie waren und sind eine große Bereicherung. Auch hier wissen sich Frauen von Gott berufen. Ich bin selbst gespannt, wie sich dieses Thema in der Kirche entwickeln wird.

Interviewfragen: Alexander Berndt · Foto: privat

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