KulturLeben

Königlich Reisen

Auf einen Einkaufsbummel nach München, für ein langes Wochenende nach London oder einfach mal die Verwandtschaft zu Kaffee und Kuchen in Augsburg besuchen. Für uns ist das heutzutage (ohne die Corona-Pandemie) kein Problem und kaum der Rede wert.

An das bequeme und schnelle Reisen mit Motorrad, Auto, Zug, öffentlichem Bus, Taxi bis hin zum Flugzeug war im 19. Jahrhundert allerdings nicht zu denken. Die Fortbewegung damals beschränkte sich meistens auf die eigenen Füße oder aber – sofern man sich das leisten konnte – auf einen Ochsen- oder Pferdewagen. Egal welche dieser Fortbewegungsmöglichkeiten man wählte, größere Strecken zu überwinden, war ein langwieriges Unterfangen, gerade wenn man ländlich wohnte.
Die bayerische Königsfamilie erreichte Hohenschwangau im 19. Jahrhundert nur auf einem Pferd reitend oder mit der Pferdekutsche. Die Kutsche war die einzige Möglichkeit, von München aus das Alpenvorland zu erreichen. Erst im Jahr 1852 erweiterte man die Eisenbahnstrecke in Richtung Alpen durch einen neuen Bahnhof, der nun die nächstgelegene Eisenbahnhaltestelle nach Hohenschwangau bildete. Dieser Bahnhof war in Biessenhofen, zwischen Marktoberdorf und Kaufbeuren. Von nun an hatte man die Möglichkeit, bis hier mit dem Zug zu fahren und dort in eine Kutsche umzusteigen.

Die Vorzüge des Bahnhofs in Füssen konnten weder König Max II. noch Königin Marie oder König Ludwig II. genießen, denn dieser wurde erst 1889 fertiggestellt. Zu diesem Zeitpunkt waren sie alle bereits gestorben. Jedoch war es der Leichnam von Königin Marie, der als erster „Fahrgast“ auf der neuen Strecke von Füssen nach München mit der Eisenbahn transportiert wurde.

Kutsche fahren ist heutzutage für die meisten Menschen eine Freizeitbeschäftigung. Man verbindet diese Art der Fortbewegung entweder mit Sport oder aber man gönnt sich eine romantische Kutschfahrt, um den Alltag zu entschleunigen. Aber stellen Sie sich vor, Sie könnten nur auf diese Weise zum Beispiel nach München reisen. So werden aus eineinhalb Stunden, die man heutzutage benötigt, im Handumdrehen neun bis zehn Stunden Fahrzeit. Die Wagen waren mehr oder weniger gut gefedert und so wurden die Reisenden bei schlecht befestigten Landstraßen gut durchgeschüttelt. Nach gewissen Strecken musste man eine Pause machen, um die Pferde zu tränken oder sie zu wechseln. Für diesen Zweck gab es auf den stark befahrenen Straßen alle paar Kilometer Post- oder Umspannstationen. Mussten Nachrichten schnell von A nach B gebracht werden, schickte man einen Reiter, einen Postillon, der auf einem Pferd reitend die volle Strecke im Galopp zurücklegte. Aber auch er musste regelmäßig anhalten, um sein Pferd zu tränken oder zu wechseln.

Hielt sich die königliche Familie in Hohenschwangau auf, waren der Stall und die Wagenremise bis zum letzten Platz besetzt. Bis 1844 brachte man Pferde und Kutschen noch im Nebengebäude des Schlosses Hohenschwangau unter. Doch da man dort nur wenige Kutschen und nur sieben Pferde einstellen konnte, erwarb Kronprinz Maximilian, der spätere König Max II., den Pferdestall des Braumeisters Mang Anton Müller (heutiges Schlossbräustüberl) und ließ gegenüber eine Wagenremise erbauen. Hier konnte man 22 königliche Kutschen unterstellen. Über dem Stall wurden Zimmer für die Stallbediensteten eingerichtet. Bereiter, Kutscher, Leibreitknechte, Futter-, Wagen-, Sattel- und Geschirrmeister, Postillione, Vorreiter und Fuhrknechte wurden hier untergebracht. So waren sie nah bei den edlen königlichen Pferden. In diesem Stall standen nicht nur die Kutschpferde, mit denen die Majestäten reisten, sondern auch deren Leibreitpferde. Gerade König Ludwig II. war ein ausgezeichneter und leidenschaftlicher Reiter. Ihm war es wichtig, bei den unterschiedlichen Ritten auf dem passenden Pferd sitzen zu können. So ritt er beispielsweise auf „Wala“, einer dunkelbraunen, fast schwarzen, sehr kräftigen und ausdauernden Ponystute in das Schweizerhaus in der Bleckenau. Hingegen konnte man ihn im gestreckten Galopp auf „Verbena“, einer aus England stammenden Schimmelstute, oder dem braunen Vollblut „Nikur“ durch das Voralpenland preschen sehen. Ludwig II. schätze seine edlen Reitpferde so sehr, dass er sie malen ließ. Diese Gemälde zeigen aber nicht nur die anmutigen Rösser, sondern erzählen auch von den Ausritten des Königs, von seinen Aufenthaltsorten in Hohenschwangau, Linderhof, in den Bergen oder in München. Der König selbst ist nie zu sehen, denn die Pferde sollten hier im Vordergrund stehen.

Die Pflege der königlichen Pferde war bis ins kleinste Detail festgelegt. So durfte ein gerade gerittenes Pferd beispielsweise „nur dann, und zwar mit laulichtem Wasser, an den Füssen bis zur Krone gewaschen werden, wenn es völlig abgekühlt ist. (…)“. Weiter heißt es: „(…) Wenn nun das Pferd hinlängst gestriegelt worden ist, so nimmt der Putzer in beyde Hände einen Wisch Stroh unter dem Pferd heraus, reibt selbes von der Stirne durch alle Theile, und über die hinteren Gliedmassen bis zu den Hüften hinab, auch wohl zwischen beiden Vorder- und Hinterschenkeln hindurch. (…)“. Es wurde sogar genau reglementiert in welcher Hand der Pferdepfleger die Bürsten und Kardätschen zu halten hatte und in welchen Bewegungen, kreisend oder nach dem Strich, das Fell zu bürsten sei. Aber nicht nur die Pflege der Pferde war bis ins kleinste Detail vorgeschrieben, auch das Erscheinen des Stallpersonals selbst war streng reglementiert: „(…) Alle im Dienste Seiner Majestät des Königs von Baiern stehenden Stall-Personen sollen sich eines guten Lebenswandels und sittlichen Betragen befleißen, an Sonn- und Festtagen ihre Kirche besuchen, sich friedfertig, dienstgefällig und höflich sowohl unter sich, als auch gegen andere bezeigen, sich des Spiels und der Trunkenheit in- und ausser den königlichen Ställen, auf Reisen und Verschickungen auch sonst überall enthalten. (…)“. Weiter heißt es in der Verordnung, dass man „(…) immer reinlich am Körper und in reinlicher Kleidung erscheinen soll (…)“. Aber vor allem „(…) soll sich keiner unterstehen, in er Stadt einen Hut umgekehrt aufzusetzen, oder einen Stock zu tragen, welcher nur für einen Hof-Livree-Offizianten sich ziemt.“

Erst Anfang des 20. Jahrhunderts hielten die damals neumodischen Automobile im königlichen Fuhrpark Einzug. Es war Prinzregent Luitpold, der als erstes Staatsoberhaupt Bayerns mit dem Auto chauffiert wurde.

Text: Vanessa Richter, Kulturvermittlerin im
Museum der bayerischen Könige in
Hohenschwangau
Foto: Wikipedia

Verwandte Artikel

Das könnte Dich auch interessieren
Schließen
Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Nacht der Musik 2024