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Die Bergwacht
– längst keine Männerdomäne mehr

Hilfe leisten, Menschen in Sicherheit bringen und vor allem Leben retten. Egal bei welchen Wetterverhältnissen, ob in gut oder scheinbar unerreichbarem Gelände und egal zu welcher Tageszeit. Das sind die Aufgaben der Bayerischen Bergwacht. In unserer Sonderserie zum Jubiläum der Bereitschaft Füssen, die im Herbst ihr 80. Gründungsjahr feiern kann, geben uns langjährige Mitglieder und Weggefährten einen umfangreichen Einblick in ihre Arbeit, wie auch in die Geschichte der Bergwacht.

Eine sehr lange Zeit war die Ausübung der Tätigkeiten in der Bergwacht noch eine reine Männersache. Das hat sich allerdings schon längst geändert, obwohl laut der ursprünglichen Satzung der Bergwacht Frauen als aktive Mitglieder überhaupt gar nicht zugelassen waren. Den Stein ins Rollen brachten erst Anfang der neunziger Jahre zwei Damen aus Baden-Württemberg, die damit vor Gericht gingen und Recht bekamen. Schon kurz nach der Änderung der Satzung konnte die Bergwacht Bereitschaft Füssen als eine der ersten in Bayern eine junge Frau gewinnen, „die sich in Ausbildung und Einsatz hervorragend bewährt hat“, schreibt die Chronik. So können nahezu alle Bergwachtbereitschaften entlang des Alpenrandes mittlerweile auch zahlreiche weibliche Mitglieder verzeichnen. Eine der Füssener Bergwachtfrauen im aktiven Dienst ist Stephanie Biedermann.

„European Tree Worker“

Die 26-Jährige kam schon im jungen Alter von sechzehn Jahren zur Bergwacht. „Das hat mich irgendwie schon immer interessiert“, sagt sie. „Mir macht es sehr viel Spaß, im Berg unterwegs zu sein, dazu kommt die Kameradschaft innerhalb der Truppe, die es ausmacht. Aber auch das Helikopterfliegen ist schon eine tolle Sache.“ Auf die Idee, aktives Mitglied der Bergwacht zu werden, kam die begeisterte Freizeitsportlerin eines Tages, als sie in der Kletterhalle direkt darauf angesprochen wurde. Als eher ungewöhnlich sieht sie ihre Tätigkeit nun aber nicht wirklich. „Das liegt auch daran, dass viele Mädels in meinem Freundes- und Bekanntenkreis ebenfalls bei der Bergwacht sind“, lacht sie. Als eine reine Männerdomäne würde sie die Arbeit definitiv nicht bezeichnen. Schließlich zählt die Füssener Gruppe aktuell fünf Damen im Team. Im benachbarten Pfronten sind es sogar zwölf. Und immerhin passt dieser Dienst auch zu Stephanies alltäglichem Job. Im Anschluss an ihre abgeschlossene Lehre zur Zimmerin hat sie vor Kurzem eine weitere Ausbildung zum „European Tree Worker“ angehängt. Bei einer Firma in Herrsching am Ammersee lernt sie nun derzeit den Beruf des Baumpflegers, wo sie ab und zu auch klettern muss. „Das ist vor allem dann der Fall, wenn Bäume gekürzt werden müssen, weil sie zu groß geworden sind oder zu nah ans Haus gewachsen sind“, erklärt sie. „Ich wollte einfach noch etwas Neues ausprobieren und habe nach etwas gesucht, was zu mir passt.“

Bis heute hat Stephanie Biedermann zahlreiche Einsätze absolviert, ihren ersten Einsatz hatte sie mit rund 20 Jahren. Wie bei den meisten ihrer Kollegen ist auch bei ihr die Liste der vermeidbaren Einsätze recht lang. Selbstüberschätzung und daraus entstehende Erschöpfung sind dabei die häufigsten Gründe. Als aktive Einsatzkraft muss auch Stephanie einmal im Jahr zur Sonderausbildung ins ZSA, dem Zentrum für Sicherheit und Ausbildung in Bad Tölz, wo verschiedene Rettungsszenarien real simuliert und durchgespielt werden. „Allerdings ist der Unterschied zwischen einem echten und einem inszenierten Helikoptereinsatz ziemlich groß“, sagt die Wahl-Pfrontenerin. „Das ist schon was anderes als in der Halle. Zum einen kommt in der Praxis der Wind dazu und zum anderen ist es schon beeindruckend, wenn man gar keinen Boden mehr unter den Füßen hat.“ Ein Gefühl von Unwohlsein, Höhen- oder Platzangst kennt sie dabei trotzdem nicht. Selbst beschreiben würde sie sich mit den Worten abenteuerlustig, spontan und leicht verrückt, verbunden mit viel Liebe zu den Bergen und der Natur. Die Fähigkeit des Baumkletterns, die sie derzeit im Rahmen ihrer Ausbildung erlernt, kann für ihren Dienst bei der Bergwacht noch enorm wichtig werden. Immerhin kommt es nicht selten vor, dass die Füssener Bereitschaft Gleitschirmflieger aus den Baumspitzen retten muss.

Text: Lars Peter Schwarz · Foto: Simon Toplak

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