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70 Jahre Drehhütte in Schwangau

Sie ist ohne Zweifel eines der beliebtesten Ausflugsziele im südbayerischen Raum, die Drehhütte, die in diesem Jahr ihr 70. Jubiläum feiert. Zwar sind über den Bau der Hütte keine schriftlichen Aufzeichnungen mehr überliefert, auch eine Hüttenchronik wurde bisher nie erstellt, so dass ihre tatsächliche Entstehung und Entwicklungsgeschichte vielen eher unbekannt sein dürfte. Allerdings können sich wenige der älteren Schwangauer noch gut an diese Zeit erinnern.

Eine abwechslungsreiche Geschichte

Die Drehhütte, früher auch Drehalpe genannt, liegt in 1250 Metern Höhe und blickt auf eine interessante und abwechslungsreiche Geschichte zurück. In verschiedenen Steinbrüchen in der Nähe der ursprünglichen Hütte, wurde im 17. und 18. Jahrhundert Wetzstein abgebaut und bearbeitet. Fundstellen, die dies belegen können, lassen sich auch heute noch dort ausfindig machen. In wechselnder Besetzung, je nach Jahreszeit, quartierten sich damals Wetzsteinschleifer, Holzknechte oder auch der Alphirte in der Schutzhütte ein. „Der Bau der heutigen Drehhütte erfolgte im selben Jahr, in dem auch das Milchhäusle erbaut wurde“, erzählt Landwirt Josef Schwarz aus dem Schwangauer Ortsteil Brunnen. Als junger Bursche war der heute 85-Jährige mit seiner Familie beim Holzschlagen in dem Waldgebiet unterhalb der Hütte dabei. „Jeden Tag sind wir dann zu den Arbeitern, die mit dem Bau der Drehhütte beschäftigt waren, hoch gelaufen, um mit ihnen Mittagspause zu machen, weil sie ein Feuer da oben hatten.“ Das genaue Baujahr bestätigt auch Landwirt Leopold Christa, der damals zwölf Jahre alt war. „Das war 1950. Ein paar Jahre zuvor hatte man zuerst am Mühlberger Älpele eine neue Hütte gebaut, bevor man dann die alte Drehhütte durch den Blockbau ersetzt hat.“ Eher ungewöhnlich dürfte dabei das Fundament des Gebäudes sein. Denn für die Erstellung der Bodenplatte wurden vier bis sechs tief unten abgesägte Wurzelstöcke genutzt, die mit Bruchsteinen und Holzbalken aufgefüllt wurden und somit eine waagerechte und ebene Fläche für das Haus bilden.

Eine Legende: Der Hüttenwirt Eugen Müller

Zur Zeit der Erbauung der Drehhütte wurde das Gebiet von der sogenannten Wald- und Weidegenossenschaft bewirtschaftet. Eine Vereinigung von Landwirten und Grundbesitzern, aus der im Jahr 1977 die Waldkörperschaft Schwangau hervorging, die auch heute noch im Besitz der Drehhütte ist. „Bis dahin gehörte der Grund und Boden noch der Gemeinde und alles, was darauf wuchs, der Genossenschaft“, erklärt Leopold Christa, der selbst Mitglied war. „Diese Regelung galt so lange, bis dann 1977 die große Waldteilung vollzogen wurde. Seitdem gehört der Gemeinde der gesamte Grund, der rechts von der Tegelbergabfahrt liegt und der Waldkörperschaft alles, was links davon liegt, darunter eben auch das Gebiet rund um die Drehhütte.“ Insgesamt sind es etwa 800 Hektar Grundbesitz, über die die Körperschaft, der 169 Mitglieder angehören, verfügt.

Im Laufe der vergangenen siebzig Jahre hat sich die ehemalige Schutzhütte schließlich zu einem der bekanntesten und meist besuchten Ausflugsziele in der Region entwickelt. Entscheidend geprägt hat diese Entwicklung zweifelsohne der erste Wirt der Drehhütte, Eugen Müller. Mit seiner Familie hatte er die Hütte über vier Jahrzehnte lang nicht nur bewirtschaftet und bewohnt, er sorgte auch dafür, dass das Gebäude durch An- oder Umbauten sowie verschiedene Modernisierungen immer mehr an Attraktivität und Standard gewinnen konnte. Der gebürtige Füssener kam 1965 als Hirte auf die Hütte, begann aber bereits in den darauffolgenden Jahren systematisch damit, den Betrieb als Einkehr für Wanderer immer mehr auszubauen. So wurde aus der einfachen Hütte, die Müller einige Jahre später offiziell pachtete, mit der Zeit ein modernes Gasthaus. Für die Waldkörperschaft stellen die Einnahmen durch ihre Verpachtung, neben dem Holzverkauf, heute das wichtigste Standbein dar.

Leben ohne Pferde undenkbar

„Vor Eugen wurde die Hütte von der Bayerischen Wasserkraft AG gepachtet“, erinnert sich die ehemalige Wirtin Hedwig Doser, die rund 30 Jahre lang zusammen mit ihrem damaligen Ehemann die Hütte betrieben hat. „Dann war da auch noch der Wastl Mohrherr, der als Hirte vorher dort gewohnt hat und mit seinem Muli alles Wichtige nach oben transportiert hat. Eugen war ein Aussteiger, würde man heute sagen, er hat das Gymnasium in der zwölften Klasse beendet, weil er unbedingt Bauer werden wollte. Dann kam er nach Oberstdorf, wo er seine frühere Frau Heike kennenlernte, mit der er dann dort oben eingezogen ist. Er wollte dem Alltag entfliehen.“ An Arbeit hat es sicher nicht gefehlt, die Müllers lebten spartanisch, mussten Holz zum Feuern machen und waren komplett auf sich gestellt. Es war hart, kalt und karg, ohne Stromversorgung. Alles was Eugen Müller zum Leben benötigte, schaffte er zu jeder Jahreszeit mit Hilfe seiner Pferde hinauf zur Hütte. Oft war die Arbeit mühsam, besonders im Winter, wenn der Schnee meterhoch lag, oder nach Stürmen, wenn die Pfade und Wege von umgestürzten Bäumen blockiert wurden.

Mit dem Bau eines Fahrweges Mitte der 70er Jahre änderte sich der Betrieb auf der Drehhütte recht schnell. Der Transport der Waren hinauf zur Hütte wurde somit um einiges einfacher. „Ich kam am Heilig Abend 1978 auf die Drehhütte“, erinnert sich Hedwig, die vielmehr unter ihrem Spitznamen Mausl bekannt ist, noch ganz genau. „Allerdings wollte ich nur bis Heilig Drei König aushelfen, daraus wurden letztendlich gut 35 Jahre“, lacht sie. Damals war in der Winterzeit noch viel mehr los, als im Sommer. Es war vor allem Eugen Müllers Bekanntheitsgrad, der dazu beigetragen hat, dass die Drehhütte immer bekannter wurde. „Eugen war ein echter Pferdefanatiker“, erzählt Max Häring, ehemaliger Vorstand der Waldkörperschaft, der auch für Müller Kutsche gefahren ist. „Ihm ist es zu verdanken, dass das Colomansfest wiederbelebt wurde. An der Gründung des jetzigen Colomanvereins, der aus der früheren Interessensgemeinschaft hervorging, war er als Motor maßgeblich beteiligt.“

Der Wind dreht sich

Ihren Namen hat die Hütte übrigens von dem Fallwind, der vom Rohrkopf herunter kommt. An der letzten Kurve vor der Hütte dreht sich der Wind. Heute wird die Alpe von den Wirtsleuten Andrea und Hubert Winkler ganzjährig bewohnt und auch bewirtschaftet. Besonders an kalten Wochenenden drängen sich die Besucher in der urigen Hütte um den warmen Kachelofen, um herzhafte Allgäuer oder Südtiroler Brotzeiten und Spezialitäten zu genießen. Herzlichen Glückwunsch zum 70. Jubiläum der Schwangauer Drehhütte.

Text: Lars Peter schwarz · Foto: Sabina Riegger (Archiv)

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