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Tradition mit Innovation

Stadtcafé in Füssen eröffnet im Juli

Fast ein Jahr war das Stadtcafé in Füssen geschlossen. Endlich öffnet das Traditionshaus wieder seine Türen, voraussichtlich im Juli. Seit über 100 Jahre war es das Café in der Altstadt von Füssen mit einem Genusshandwerk vom Feinsten. Manchmal wurden die kurzen Pausen zu langen, weil es gerade so gemütlich war und zu einem Stück Kuchen gesellte sich leicht ein zweites dazu. Hier trafen sich die Füssener, Urlauber, Geschäftsleute, Schauspieler, Politiker, Hausfrauen und Handwerker. Ein buntes Coleur, wie es sich für ein Café gehört. Manchmal wurde an den Tischen politisiert, ein gemeinsames Leben geplant oder von Trennung gesprochen. Als das Stadtcafé schloss, ging eine Ära zu Ende.

Jetzt steht ein Neubeginn an, und die neuen Besitzer aus Füssen verstehen viel von Qualität und der Liebe zum Detail. „Tradition mit Innovation“ nennt es Moses Ceylan. Der Zwei-Sterne-Koch ist gebürtiger Füssener und lebt in der Schweiz. Er wird den neuen Eigentümern beratend zur Seite stehen. Über seine Aufgabe freut er sich sehr, zumal es auch Erinnerungen an früher weckt. “Ich wollte im Stadtcafé eine Lehre als Konditor machen. Das hatte damals leider nicht geklappt – aber die Liebe zu einem guten Kaffee und Kuchen ist mir geblieben”, meint er lächelnd. Seine Besuche in Füssen waren auch meistens mit einem Stadtcafé-Besuch gekoppelt. Für ihn, auch heute noch, ist das Café eine Institution.

„Füssen aktuell sprach mit Moses Ceylan über das neue Stadtcafé.

Als erstes die Frage wird das Wiener Café im ersten Stock so erhalten bleiben wie es war?
Moses Ceylan: Selbstverständlich. Die Eigentümer haben erst vor kurzem die Böden abgeschliffen, die Decken geputzt, die Möbel restauriert. Es ist das Herzstück des Hauses. Wenn die Wände sprechen könnten, würden sie uns sicher viele Geschichten erzählen können. Die einzige Änderung, die vorgenommen wurden, war der Austausch der Vorhänge. Die waren nicht mehr zu retten, und außerdem waren sie nicht Brandschutz geeignet.

Sie stehen dem Betrieb hier beratend zur Seite und sind in dem Prozessablauf involviert. Wie sieht Ihre Beraterfunktion aus?
Moses Ceylan: Ich werde mein Wissen und mein Know-How hier mit einfließen lassen. Zusammen mit den Mitarbeitern will ich dafür sorgen, dass der spürbare Geist dieses ehrwürdigen Hauses auf unsere Art und Weise neu zum Leben erweckt wird. Unsere Philosophie ist Innovation durch Tradition. Das bedeutet einen langen Atem und viel Arbeit im Detail. Ich werde also vor allem in den ersten Monaten sehr viel Zeit hier verbringen und werde als Trainer, Coach oder Mentor immer ansprechbar sein. Allerdings soll der Betrieb auch nicht von mir abhängig sein, sondern selbstständig. Ich habe mehrere kulinarische Projekte, die ich parallel aufbaue.

Sie werden also nach wie vor ein Schweizer Bürger bleiben?
Moses Ceylan: Ja, definitiv, mir gefällt es dort und es ist auch der Mittelpunkt meines Privatlebens. Dort habe ich auch vor knapp fünf Jahren meine große Liebe gefunden, die selber eine kleine Schokoladenmanufaktur in Zürich führt und dort unter anderem die ersten veganen Pralinen in der Schweiz herstellt. Vielleicht werden die ja künftig auch hier im Stadtcafe genießbar sein.

Wie können wir uns die Ausrichtung der Küche vorstellen? Wird es traditionell bleiben, so wie bisher, oder darf man auch etwas Neues erwarten?
Moses Ceylan: Die Tradition, ich bin ja hier in Füssen und im Allgäu verwurzelt, die wird natürlich spürbar sein. Innovation durch Tradition heißt aber, dass wir aus der Klassik eine Moderne schaffen wollen. Weißwürste gibt es überall, bei uns allerdings auf eine andere Art. Wir machen hier eine Laugenseele, auf die die gegarten, aufgeschnittenen Weißwürste dann mit Salat drapiert werden. Frischer Meerrettich, eine Kümmelmayonnaise und süßer Senf runden den Geschmack dann ab. Ein Genuss. Ich möchte, dass der Gast nicht sagt, dass er eine Weißwurst bei uns gegessen hat. Ich will, dass er sagt, dass er die schmackhafteste und einzigartigste Weißwurst hier gegessen hat.

Sie haben es geschafft, sich in der Schweiz zwei Michelin Sterne zu erkochen. Wollen Sie das hier in Füssen auch umsetzen, also eine Sterneküche umsetzen?
Moses Ceylan: Hier wird es definitiv keine Sterneküche im Stadtcafé sein. Die Sterneküche war ein langer Weg und eine Lebenseinstellung, eine Lebensweise, die ich sehr strikt befolgt habe. Für mich ist es wichtig, hier meinen Flair und meine Erfahrungen und den Geschmack einzubringen. Es wird orientalische Noten geben, wie hausgemachten Hummus oder Falafel, aber auch leichte asiatische Gerichte oder knackige Salate. Einfach simple, elegant und tasty, der Gast soll neue Geschmäcker kennenlernen können.

Ihre Gäste dürfen sich auf eine interessante Küche freuen.
Moses Ceylan: Auf jeden Fall. Wir versuchen eine weltoffene Küche zu sein, inspiriert von Frische und Leichtigkeit, eine Küche nicht nur mit kurzatmigen Trends. Ich möchte, dass die Gäste gesättigt sind, aber nicht übersättigt, dafür aber mit Geschmack erfüllt, was aber auch nicht bedeutet, dass es kleine Portionen sein werden, die auf die Teller kommen.

Sie legen großen Wert auf Qualität und eigene Produktion. Was bedeutet das im Detail?
Moses Ceylan: Wir werden natürlich vieles hier im Haus herstellen, haben aber nicht die Erfahrung wie die Familie Würkert, die das Haus nun über 100 Jahre lang geführt und vor allem geprägt hat. Das können wir gar nicht schaffen, das wäre also zum Scheitern verurteilt. Hier werden wir künftig von den beiden Konditoreien Lipp in Rückholz oder Brommler in Memmingen unterstützt. Es ist auch eines unserer Ziele, mit möglichst vielen Herstellern aus der Region zusammenzuarbeiten. Nichtsdestotrotz haben wir eine Konditorin im Team, die vieles im Haus produzieren wird.

Wie wichtig sind die Einheimischen Gäste für Sie?
Moses Ceylan: Wir möchten kein weiteres Restaurant nur für den Tourismus sein, darüber sind wir uns einig. Das größte Kompliment, das wir überhaupt jemals bekommen können, sind möglichst viele Stammgäste aus Füssen und der Umgebung.

Sie haben viele der ehemaligen Mitarbeiter des Stadtcafés wieder zurückgeholt. Warum war das wichtig für Sie?
Moses Ceylan: Natürlich kann das Herzstück des Hauses, die Familie Würkert, nicht ersetzt werden. Es werden aber einige wieder hier sein, die auch vorher hier beschäftigt waren. Wir wollen authentisch sein und das funktioniert nur, wenn wir wir selbst sind, trotzdem aber den Flair und die Herzlichkeit mitbringen. Es wird eine Herausforderung für uns, die wir aber auch mit Leib und Seele meistern werden.

Ich danke Ihnen für das Gespräch und wünsche Ihnen viel Erfolg.
Moses Ceylan: Ich habe zu danken und freue mich, ab und an wieder in Füssen sein zu dürfen.

Text · Foto: Sabina Riegger

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