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Die königliche Familie am Alpsee

Ein 1,9 km langer Bergsee mit kristallklarem Wasser, umrahmt von den Ammergauer Alpen. Ein Fleckchen Erde wie aus dem Bilderbuch. Nicht nur heutzutage ist der Alpsee ein beliebtes Ausflugsziel zum schwimmen, Boot fahren oder spazieren gehen. Auch die königlichen Hoheiten und Majestäten des 19. Jahrhunderts konnten sich seiner Reize nicht entziehen.

So war der Alpsee, der an seiner tiefsten Stelle zweiundsechzig Meter misst, des Öfteren Schauplatz für kleinere, aber auch größere Spektakel. Schon König Maximilian II. saß gerne am Ufer des Bergsees und vertiefte sich in eine Lektüre. Empfing Maximilian Gäste in seiner Sommerresidenz Hohenschwangau, stand auch meistens eine Alpsee-Kahnfahrt auf dem Programm. „Die Fahrt über den von großen Alpen umgebenen See (…) dieses und alles an und von jenem Orte gehörte zu den Lebensmomenten, die der Einzelne für alle Zeit aufbewahrt.“, schrieb der Dichter Hans Christian Andersen in seinem Dankschreiben an den König.

Maximilians Söhne Ludwig und Otto entdeckten den Alpsee ebenfalls für ihre Freizeitmöglichkeiten. „Wir verbringen hier unsere Vakanz recht angenehm zu und benützen die schönen Tage teils zu Ausflügen, teils zum Fischen im Alpsee, dessen klares, mildes Wasser uns auch zum schwimmen sehr angenehm ist.“, berichtet Kronprinz Ludwig, der spätere König Ludwig II. von Bayern, in einem Brief aus Hohenschwangau. Am 8. August 1859 durfte der fast 14-jährige Ludwig zum ersten Mal den See durchschwimmen. Dieses Ereignis war wohl so besonders, dass der Chronist des Schlosses jedes kleine Detail notierte. Ludwig durchquerte den See von der königlichen Schiffshütte aus. Jedoch nicht allein. Der junge Kronprinz durfte sich nicht unbeaufsichtigt in die Fluten des Alpsees begeben. Oberleutnant Baron Wulffen schwamm in einem gewissen Abstand neben ihm her und sein Erzieher Graf La Rosée begleitete den jungen Wittelsbacher in einem Kahn rudernd, in dem auch Ludwigs Bruder Otto, damals elf Jahre alt, Platz genommen hatte. In nur zweiundzwanzig Minuten erreichte der spätere Märchenkönig wohlbehalten das andere Ufer.

In jedem Sommer, in dem die königliche Familie in Hohenschwangau lebte, verbrachten sie alle viel Zeit am Alpsee. „Nun sind wir endlich in Hohenschwangau! Du kannst Dir denken, wie glücklich wir hier sind, heute vor 8 Tagen kamen wir an. – Das Wetter ist herrlich, angenehm zu Partien, zum Reiten, Fischen und Baden. – Wir fischen alle Tage, den einen Tag fischt einer im Alpsee, den anderen im Schwansee; ich fange fast jeden Tag einen Hecht; Otto fing gestern einen ungeheuren Hecht v. 13 Pfund! – Ich lese jetzt immer beim Fischen, was sich sehr gut vereinigen läßt.“, schreibt Ludwig an seine Erziehern. Auch an seinem 18. Geburtstag beginnt der Kronprinz den Tag mit einer Angelpartie am Alpsee. „Wundervoll ist der Alpsee am frühen Morgen, wenn der Nebel sich zertheilt und das Schloß in hehrer Pracht sich zeigt. – Schon um ½ 9 Uhr morgens las ich beim Fischen in der Geschichte der Philosophie über Socrates. (…) Hoffentlich bleiben wir noch einige Zeit hier, es ist wundervoll! …“

Doch nicht nur der junge Kronprinz und sein kleiner Bruder Otto versuchten sich in der Kunst des Angelns. Auch deren Mutter, Königin Marie von Bayern, genoss hin und wieder die Ruhe einer Angelpartie. So konnte es durchaus geschehen, dass man Ihre Majestät mit einer Angelrute bewaffnet vorzugsweise am Alpsee antraf. Der Sommer des Jahres 1854 wurde als ein besonders erfolgreiches Jahr verzeichnet. Die Königin fing insgesamt 29 Hechte im klaren Bergsee. Das Angeln gehörte eine Zeit lang zu Maries liebsten Freizeitbeschäftigungen. Sie fischte im Alpsee, im benachbarten Schwansee und fuhr hin und wieder in das wenige Kilometer entfernte Dorf Trauchgau, um in einem Bach Forellen zu fischen. An einem ihrer Lieblingsplätze am Alpsee erinnert noch heute das „Marienmonument“ an die Mutter des bayerischen Märchenkönigs.

Zu den größeren Ereignissen am Alpsee gehörte zweifelsohne die Inszenierung des Lohengrin. An einem Abend im November 1865, der Komponist Richard Wagner war einen Tag zuvor aus Hohenschwangau abgereist, ließ König Ludwig II. die Ankunft des Schwanenritters aus der Wagneroper Lohengrin auf dem Alpsee inszenieren.

Lohengrin, dargestellt von Ludwigs Adjutant Paul von Thurn und Taxis, stand in einem Kahn, der von einem künstlichen Schwan über den Alpsee gezogen wurde. Am Ufer saß ein Orchester, das die entsprechende Stelle der Oper musikalisch vertonte. Der König war so ergriffen von der Szenerie, dass er sie einen Tag später wiederholen ließ.

Nach dem Tod König Ludwigs II. wurde Schloss Neuschwanstein zur Besichtigung freigegeben. Der Tourismus nahm im kleinen Ort Hohenschwangau schnell Fahrt auf. Im Jahr 1893 besichtigten bereits 11.047 Besucher das Schloss Neuschwanstein. Auch Schloss Hohenschwangau zog schon 7.226 Gäste an. So tummelten sich immer mehr „Sommerfrischler“ am Ufer des Alpsees. Der Schwangauer Chronist Alois Left berichtet in seiner Chronik: „Einem längst gefühlten Bedürfnis wurde durch die Vergrößerung des Hotels zur Alpenrose entsprochen. Idyllisch am Ufer des Sees gelegen, erblicken wir jetzt einen stattlichen Neubau, mit einer größeren Zahl Balkone (…)“ „Auf dem Alpsee sind jetzt mehrere Kähne, welche zur Benutzung des Publikums gegen Entgeld bestimmt sind.“ Bis heute genießen die Touristen und Einheimischen die Vorzüge des klaren Bergsees beim Schwimmen oder Boot fahren, wie einst die königliche Familie.

Text: Vanessa Richter, Kulturvermittlerin im
Museum der bayerischen Könige in
Hohenschwangau
Foto: Hubert Riegger

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