Fit & WellLeben

Hilfe zur Selbsthilfe

Einsichten gewinnen und Lösungen erkennen

Mit systemischer Therapie persönliche Handlungsoptionen erweitern

Bea Altman-Schevitz und Dr. Jeffrey Schevitz sind systemische Therapeuten in der Kurklinik Eggensberger in Hopfen am See. Dr. Jeffrey Schevitz graduierte an der Princeton University (U.S.A.) und promovierte in Soziologie / Sozialpsychologie an der University of California, Berkeley. Viele Jahre war er Dozent an U.S.-amerikanischen und deutschen Universitäten. Neben der professionellen Ausbildung in systemischer Familientherapie am Institut für Familientherapie Weinheim (Bergstraße) hat er eine Fortbildung in Psychologie und Diabetes bei der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) absolviert.

Seine Frau Beatrice Altman-Schevitz erhielt ihren Bachelor Abschluss (B.A.) an der Syracuse University in New York. Sie studierte an den Universitäten Heidelberg und Frankfurt, mit dem Abschluss Diplom-Sozialpädagogin. 2015 machte sie auch die Ausbildung zur systemischer Familientherapeutin in Weinheim. Bea Altman-Schevitz war Familienberaterin und Sozialpädagogin beim sozialen Dienst (“Familiy Advocacy Program”) der U.S. Streitkräfte in Deutschland und war als Sozialarbeiterin der Stadt Kaufbeuren im Allgemeinen Sozialdienst und in der Betreuungsstelle für Erwachsene beschäftigt.

Sie freuen sich, ihre Praxen in Hopfen am See und in München wieder zu eröffnen. Dabei verwenden sie verschiedene Methoden an, um ihren Klienten und Klientinnen zu helfen. Angefangen von Rollenspielen bis hin zu Techniken zur Setzung von Grenzen, symbolische Rituale oder auch Mehr-Generationen Genogramm, um Familienbeziehungen bildlich darzustellen.

Im Gespräch mit Füssen aktuell erzählen die beiden Eheleute über die Kommunikation, ihre Arbeit und wie sehr Corona unseren Alltag verändert.

Corona ist noch immer allgegenwärtig, aber unser Alltag normalisiert sich wieder ein wenig. Wie haben Sie diesen Lockdown empfunden, vor allem auch als Therapeuten?
Wir haben uns selbstverständlich auch Gedanken gemacht. Überlegt, was auf uns und unsere Klienten und Klientinnen zukommen wird, welche Veränderungen passieren werden. Letztendlich bedeutet Corona für uns alle ein Umdenken. Viele haben vielleicht zum ersten Mal Zeit für sich und die Familie gehabt. Einige haben die Zeit genutzt das eigene Leben, sei es in der Beziehung oder im Arbeitsleben, zu reflektieren. Daraus sind sicher neue Ideen oder Überlegungen entstanden, welche Herausforderungen man tatsächlich annehmen möchte. Kurzum, die Corona-Zeiten haben nicht nur Ängste hervorgerufen, sondern haben uns regelrecht dazu gezwungen, zu entschleunigen und uns selbst zu betrachten. Wir stehen vor Herausforderungen, die vielleicht langfristig unsere Pläne neu gestalten werden. Uns persönlich zwang Corona, neue Technologien zu erlernen und kreativ in unser Leben einzusetzen. Dadurch mussten wir alte Routinen verwerfen, z.B. Gespräche mit Familienangehörigen, Kollegen, Lehrer und durch neue Kommunikationsformen wie WhatsApp, Skype, Zoom zu ersetzen.

Es hieß, dass auch psychisch gesunde Menschen während den Ausgangsbeschränkungen in eine depressive Stimmung gerutscht sind. Was haben Sie für eine Rückmeldung Ihrer Klienten und Klientinnen gehabt?
Gesunde Menschen waren weniger von depressiven Stimmungen betroffen, während diejenigen, die bereits vorher unter Depressionen litten, mit der Isolation zu Hause Probleme hatten. Menschen mit Depressionen nehmen Ängste intensiver wahr als Gesunde. Ihr oft bis ins kleinste Detail strukturierter Alltag ist weggefallen, und damit auch der persönliche Kontakt nach außen. Wir haben die Verbindung zu unseren Klienten und Klientinnen gehalten und ihnen Wege aufgezeigt, wie sie ihre Ängste und negativen Gedanken in andere Bahnen lenken können. Ein Mensch braucht Kommunikation, einen Gegenüber, um sich selbst zu empfinden. Wer das nicht hatte, musste erfinderisch werden. Einige Patienten von uns haben diese Kommunikation im Internet gesucht, die sie dann auch gefunden haben und die Isolation besser annehmen konnten. Es ging ihnen dadurch dann besser.

Wie sehr hat die Corona-Zeit unseren Alltag verändert beziehungsweise beeinflusst?
Sehr. Es werden uns plötzlich die Stärken und Schwächen unserer Gesellschaft bewusst und offensichtlich gezeigt. Das hatten wir vorher noch nie. Das Leben hat sich für jede und jeden von uns in ungeahnter Weise verändert. Wir betrachten viel mehr und hinterfragen und schätzen den Kleinkosmos Familie mehr denn je.

Die Corona-Zeit bringt auch für viele Arbeitnehmer, die zuvor noch nie im Home Office gearbeitet haben, eine große Umstellung mit sich. Der „Luxus“, sich selber die Arbeitszeit einzuteilen, hat Vor- und Nachteile. Die Eingliederung in das normale Arbeitsleben fällt trotzdem vielen zunehmend schwer. Welchen Tipp können Sie den Betroffenen mitgeben?
Das Home Office ist nicht für jeden geeignet. Den einen stört es nicht wenn privates mit dem beruflichen vermischt wird. Andere möchten auf die Flexibilität von Home Office nicht verzichten, weil sie sich selbst motivieren können und gegen die vielen Ablenkungen, die es zu Hause gibt, resistent sind. Mein Tipp: Die Vor- und Nachteile aufschreiben und sich ganz ehrlich die Fragen beantworten. Dann erst kann man mit seinem Vorgesetzten klare Arbeitszeiten definieren und mit der Familie Vereinbarungen treffen, denn zu leicht werden private Arbeiten mit den beruflichen in einen Topf geworfen. Auch hier sollte eine klare Linie gezogen werden.

Ein starkes Thema waren während dieser Zeit die Hochzeiten und die Trauerfälle. Man konnte die Freude und das Leid nicht teilen. Wie wichtig ist es, mit anderen Menschen gemeinsam zu trauern oder sich zu freuen?
Ganz wichtig. Da sind wir wieder bei der Kommunikation, die ihren Ursprung aus dem lateinisch stammenden Wort communicare hat. Es bedeutet: teilen, mitteilen, teilnehmen lassen; gemeinsam machen, vereinigen. Mit dieser sozialen Handlung setzen wir Signale, die andere an unsere Gefühle teilhaben lassen. Dadurch entstehen positive oder auch negative Einflüsse, die uns fördern oder auch behindern können. Kurzum gesagt, es hilft uns, wenn wir Menschen um uns haben, die unsere Gefühle teilen.

Sie haben Ihre Praxis wieder geöffnet. Als systemische Therapeuten begleiten Sie Menschen in schwierigen Situationen. Können Sie uns bitte kurz erklären, was systemische Therapie bedeutet?
Die systemische Therapie ist eine Therapiemethode, die in relativ kurzer Zeit zu einem Erfolg führt. Vom Ursprung her ist es gar keine Therapiemethode, sondern mehr eine Philosophie. Systemische Therapeuten verwenden eine Vielfalt von Methoden und Techniken an, um ihren Klienten zu helfen, eigene Einsichten zu gewinnen und dadurch zu Lösungen ihrer Probleme zu kommen.

Das heißt Hilfe zur Selbsthilfe?
Ja. Das Ziel der systemischen Therapie ist es, schädliche und blockierende Beziehungen zu erkennen und zu verändern. Die Lösung entsteht aus einem Selbstreflexionsprozess. Das heißt, wir aktivieren die individuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten, die zur Problembewältigung zur Verfügung stehen. Dabei arbeiten wir mit verschiedenen Methoden, um somit einen Perspektivenwechsel hervorzurufen. Damit entsteht ein anderes Wahrnehmungsfeld, das persönliche Handlungsoptionen erweitert.

Das ist mit einer Sitzung sicher nicht getan?
Nein. Man baut ja auch diese Probleme die man hat, nicht in kürzester Zeit auf. Es braucht eine Weile, um sich wieder zu orientieren. Man muss mit drei bis fünf Sitzungen rechnen.

Vielen Dank für das Gespräch.
Wir danken Ihnen für Ihr Interesse an unserer Arbeit.

INFO:
Dr. Jeffrey Schevitz & Beatrice Altman-Schevitz
Therapiezentrum Eggensberger · Ringweg 6 · D-87629 Füssen (Hopfen am See) · Tel: 0 83 68 /9145415 · Fax: 0 83 68 / 9145417
www.systemische-beratungshilfe.de

Text: Sabina Riegger · Foto: Margarete Häfelein

Verwandte Artikel

Das könnte Dich auch interessieren
Schließen
Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Nacht der Musik 2024