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Gicht

Das verflixte Zipperlein

Wie alte Quellen belegen, peinigt die Gicht die Menschen schon seit der Antike. So suchten sie fortwährend nach Mitteln, um ihre starken Schmerzen während einer Gichtattacke zu lindern. Zum großen Heer der Gichtgeplagten zählen viele bekannte Persönlichkeiten wie Heinrich VIII., Karl V., Peter Paul Rubens oder Wallenstein, um nur einige zu nennen.

Erste erhaltene Schriften, die sich mit der Gicht beschäftigten, waren die Werke des berühmten griechischen Arztes Hippokrates um 460 v. Chr. Er nannte die Erkrankung „Podagra“, da der typische sehr schmerzhafte Gichtanfall meist im Grundgelenk der großen Zehe (altgriechisch = Podagra) auftritt. Hippokrates war ein guter Beobachter. So erkannte er, dass die Gicht in Familien oft gehäuft vorkommt. Neben der genetischen Veranlagung identifizierte er als weitere Risikofaktoren Untätigkeit und Maßlosigkeit im Essen und Trinken. Erstaunlicherweise unterschied er schon in seiner „Abhandlung der Erkrankungen“ zwischen der Gicht und anderen schmerzhaften und entzündlichen Gelenkbeschwerden, die er Arthritis nannte. Hippokrates suchte die Ursache der Gicht in der sog. Humoralpathologie, das heißt in einer Störung des Gleichgewichts der Körpersäfte. Allerdings ging noch davon aus, dass sich eine überschüssige Flüssigkeit im Organismus an der Stelle des geringsten Widerstandes – der großen Zehe – staut. Daher waren Behandlungen wie z.B. der Aderlass und Abführmittel noch lange Mittel der Wahl. Im 5. Jahrhundert in Byzanz war die Gicht sogar „hochaktuell“ und beschäftigte dort die Ärzte. Grund dafür war, dass die zahlreichen Angestellten und Mitglieder des Kaiserhofs durch ihr maßloses Schlemmen und Trinken sowie ihres täglichen Nichtstuns sehr häufig davon betroffen waren. Wahrscheinlich hat der byzantinische Arzt Jakob Psychrestos als erster die Herbstzeitlose (Colchicum autumnale) als Heilmittel gegen die Gicht eingesetzt.

Aus heutiger Sicht ist es verblüffend, mit welcher Treffsicherheit die Menschen der Antike wirksame Heilpflanzen fanden. Im Rahmen der „Signaturenlehre“ verwendeten Ärzte die Zwiebel der Herbstzeitlose als Gichtmittel, da ihre Form an die große Zehe erinnert. Vergiftungen durch eine Überdosierung waren allerdings nicht ganz ausgeschlossen. Selbst zu unserer Zeit ist der daraus gewonnene Wirkstoff Colchicin noch ein probates Mittel zur Behandlung eines akuten Gichtanfalls, gehört allerdings in die Hände eines Arztes.
Die heilige Hildegard von Bingen bezeichnete diese Erkrankung sogar geradezu als Seuche. Etwas zu heftig für unsere Zeit ist aber zweifelsohne dieses Rezept: „ Wer einen Überfluss an Fehlsäften, sprich Gicht in sich hat, der nehme einen Ameisenhaufen samt Ameisen und koche ihn in Wasser und stelle so ein Bad her und steige in dieses Badewasser hinein und halte seinen ganzen Körper unter Wasser mit Ausnahme des Kopfes (…) Er soll es oft machen, und die Gicht wird von ihm weichen.“ Vielleicht etwas stark für unsere heutige Zeit, aber nichtsdestotrotz wird der sog. Ameisenspiritus (in Alkohol gelöste Ameisensäure) in der Volksheilkunde seit jeher als Einreibung bei Arthrose, Arthritis und Rheuma eingesetzt. In der Homöopathie gilt die Ameisensäure als äußerst wirksames Konstitutionsmittel für harnsaure, rheumatische und allergische Zustände.

Aber Gott sei Dank gibt es auch noch ein sehr bewährtes Hildegardmittel, das für unsere Zeit bestens geeignet ist. „Doch wenn einer von Gicht so gepeinigt ist, dass er durch Zusammenziehen und Zucken des Mundes geplagt wird und dass seine Glieder zittern und dass er sogar an seinen Gliedern verkrümmt ist …“ Hier wird die sog. Selleriegewürzmischung aus den Pulvern von Selleriesamen, Weinraute, Muskatnuss, Gewürznelken und Steinbrechsamen empfohlen, um die Beschwerden zu lindern. Dieses bitter-herbe Pulver gibt es fertig gemischt. Ein ganz hervorragendes Rezept bei Gicht ist folgende Anwendung: 1 TL dieser Mischung morgens zum Frühstück aufs Butterbrot zusammen mit Quittenmarmelade (denn die Quitte senkt zusätzlich den Harnsäurespiegel) essen. Nach etwa 2-3 Tagen können je nach Beschwerdebild die allerschlimmsten Schmerzen gelindert werden, aber natürlich dauert so eine Kur schon etwas länger. Die Dauer beträgt 6-8 Wochen, dann die gleiche Zeitspanne Pause machen und danach nochmals ein Zyklus. Sogar die Gichtknoten an den kleineren Gelenken können sich bei konsequenter Anwendung zurückbilden. Bei plötzlichen Gichtattacken ist auch diese Anwendung möglich: 3 x täglich 1 TL einspeicheln und zerkauen.

„Schmieren und salben hilft allenthalben“, ein alter Spruch… Aber auch hier kann Hildegard etwas empfehlen. Ihre Wermutsalbe aus Wermutfrischsaft, Hirschtalg, Hirsch- und Ziegenfett lindert, mehrmals täglich einmassiert, die Schmerzen, und die Gelenke werden wieder besser beweglich. Hildegard rät uns, das Ganze vor einem Ulmenholzfeuer zu machen. Gut, ich gebe zu, das ist nicht so ganz einfach… Es geht hier natürlich um die Wärme, die den Effekt bei chronischen Schmerzen noch verbessert. Heutzutage müssen wir uns wohl oder übel mit z.B. einer Rotlichtlampe oder einem Kachelofen behelfen! Sicherlich eine gute Zusatztherapie.

Aus der Schüßlersalz-Therapie können folgende Mittel eingesetzt werden:
Bei Neigung zu Gicht und Harnsäureablagerungen: Salz Nr. 9 Natrium phosphoricum und auch die Salbe Nr. 9 dazu (Entsäuerung). Das Hauptmittel beim akuten Gichtanfall, allerdings genauso gut wirksam bei chronischen Beschwerden. Hier kann auch sehr gut das Salz Nr. 11 Silicea mit eingesetzt werden, denn es ergänzt und unterstützt.
Zur Ausscheidung von Harnsäure und zur Lösung von Ablagerungen im Körper: Salz Nr. 16 Lithium chloratum – dieses Salz hat eine ganz spezielle Wirksamkeit bei Gicht, es löst die Harnsäure und befreit die Zellen von schädlichen Stoffen – und Nr. 23 Natrium bicarbonicum zur Aktivierung der Stoffwechselprozesse und es unterstützt den Körper bei einer Übersäuerung darin, damit die Zellen harnpflichtige Substanzen ausscheiden können.
Schmerzen: Salbe Nr. 3 Ferrum phosphoricum. Dieses Salz ist auch sehr hilfreich bei den ersten Anzeichen einer Gelenkentzündung.
Entgiftung und Feuchtigkeit für das Gewebe: Salbe Nr. 8 Natrium chloratum. Hier steht die Regulation des Wasserhaushalts im Körper im Vordergrund. Dadurch können betroffene Gelenke wesentlich leichter abschwellen.
Stoffwechsel aktivierend: Salbe Nr. 12 Calcium sulfuricum, ebenso die Tabletten. Dieses Salz scheidet die im Bindegewebe befindlichen Säuren aus und wirkt so entlastend auf den Körper.

Die Homöopathie hat uns auch noch einiges zu bieten!
Liegt eine starke, rosa Schwellung vor und lindert Kälte die Beschwerden, ist Apis mellifica (Honigbiene) indiziert.
Ist dagegen das betroffene Gelenk tomatenrot und überwärmt, dann ist Belladonna (Tollkirsche) das richtige Mittel. Typisch ist dann auch, dass den Patienten trotz des heißen Gelenks lokale Wärme gut tut.
Friert der Kranke dagegen stark, fühlt sich kalt an (auch die Nasenspitze) und lehnt dennoch äußere Wärme ab, dann ist Ledum palustre (Sumpfporst) das Mittel der Wahl. Diese Patienten wollen „paradoxerweise“ ihr kaltes gichtiges Gelenk kühlen.
Mein persönliches Lieblingsmittel ist eine homöopathische Mischung aus Colchicum autumnale, der Herbstzeitlose, wie schon oben beschrieben und Berberis vulgaris, der Berberitze oder auch Sauerdorn genannt. Die Berberitze wirkt hervorragend auf das Harnsystem, heilungsfördernd bei schmerzhaften Gelenkserkrankungen, Rückenschmerzen, Hexenschuss und eben auch bei Gicht. Für die Anwendung spricht besonders, wenn sich die Beschwerden schnell ändern und der Schmerz von einer Körperregion in eine oder mehrere andere ausstrahlt und auch oft wandert. Dieses Kombinationspräparat hat sich seit langer Zeit super bewährt, sowohl bei akuten als auch bei chronischen Beschwerden!

Also Kampf dem
„Zipperlein“!
Ihre Apothekerin
Simone Wagner

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