Menschen

Zuhause ist er in sich selbst

Am Abend vor dem Interview mit dem Vilser Hortleiter Manfred Segmüller bin ich noch auf dem Balkon gesessen und habe mir Fragen überlegt wie: „Welcher Gedanke lässt Sie morgens gerne aufstehen?“ oder: „Wie ist es, als Mann in einer Frauendomäne zu arbeiten?“

Falls Sie, wie ich damals, eine konkrete Antwort darauf erwarten, muss ich Sie leider enttäuschen, denn alles kam anders. Als ich ankam, wurde ich gleich herzlich empfangen, auf einen Kaffee eingeladen und etwa zwei Minuten später waren Manni und ich schon in ein Gespräch über ihn, seine Arbeit, Gott und die Welt vertieft, dem ich einfach mal freien Lauf lassen wollte. Er und seine Kollegin sind die Nachmittags-Betreuer von 20 Vilser Stadtpiraten im Alter von 3-13 Jahren. Auch wenn es viel Arbeit ist beschwert er sich nicht, sondern nimmt es sportlich und gelassenen als Herausforderung. „Es gibt keine Probleme, nur andere Themen“, so seine Einstellung. Im Laufe des Gesprächs verstehe ich auch, wie er es schafft, allen Kindern gerecht zu werden. Denn laut seinem Werdegang mit Studium, diversen Zusatzausbildungen und Hobbys ist er einfach alles! Theologe, Pädagoge, Philosoph, Psychologe, Persönlichkeitscoach, Teambuilder, Personalentwickler, Musiker, Maler, Schriftsteller, TaiChi-Lehrer, Taoist, Getriebener und damit ist die Liste bestimmt noch nicht vollständig.

Aber als Käptain der Stadtpiraten kann er seine vielen Fähigkeiten verbinden und hat sich zur Aufgabe gemacht zu zeigen, dass ein Miteinader in der Vielfalt möglich ist! Und wie, fragt man sich? Indem man untereinander aufeinander aufpasst und Grenzen akzeptiert. Es ist ein ständiges Austarieren zwischen Regeln und Freiheit, um jedem die Möglichkeit zu geben, sein Potential auch ausschöpfen zu können. Durch seinen Tatendrang, z. B. bei seinen beliebten Theaterstücken, wie die Rocky Horror Picture Show, die er selbst kindgerecht umschreibt, schafft er es mit seiner Begeisterung, alle um ihn herum anzustecken und so Unmögliches möglich zu machen. „Ich tu‘s einfach!“ sagt er dazu ganz bescheiden.

Bei seinen Projekten geht es ihm in erster Linie um die Sache an sich und da erwartet er dann auch von den Beteiligten, dass sie sich zurücknehmen können, wenn es der Sache zu Gute kommt. Die größten Probleme mit dieser Einstellung hatte er allerdings nicht mit den Kindern, sondern mit Institutionen. In früheren Zeiten war er Betreuer von straffälligen jungen Mädchen im Gefängnis. Die Arbeit mit den Mädchen war zwar sehr belastend und schwierig, auch manchmal gefährlich, aber er hatte es letztendlich doch geschafft einen Draht zu den Mädchen zu bekommen, um so mit ihnen arbeiten zu können. Er hatte z. B. ein Mädchen dazu gebracht, sich neue Klamotten zu kaufen, um so auf dem Arbeitsmarkt bessere Chancen zu haben. Doch hatte die Vollzugsanstalt den Einkauf nicht gestattet, da sie nur schwarze Kleidung tragen wollte. Für Manni total unverständlich, da man ja auch in schwarz sehr ordentlich aussehen kann, „man muss die Menschen dort abholen, wo sie stehen“. Man hatte dort leider nicht „die Sache“ als oberste Priorität, den Mädchen zu helfen, sondern die Bürokratie und die Verordnungen. Als Betreuer ist so ein Arbeiten gegen die Windmühlen sehr demotivierend und so musste Manni wieder weiterziehen. Als Abschiedsgeschenk haben die Mädchen ihm ein großes Plakat gestaltet, auf de sich jede bei Ihm und seiner Arbeit bedankt hat. In seinem Buch „Träumer“ hat er einige Gedanken, die er zu dieser Zeit hatte, literarisch verarbeitet – das Cover zeigt eine seiner Malereien. Der Tausendsassa lässt sich gern treiben, immer auf der Suche nach neuen Abenteuern. Zuhause ist er in sich selbst. Sie sehen, meine Fragen habe ich zwar nicht so konkret beantwortet bekommen, aber dafür habe ich mich sehr gut unterhalten und viele interessante Sichtweisen erfahren.

Am Schluss hatte ich noch einige seiner Hortkinder über ihn befragt und alle waren sich einig. Er unternimmt spannende Sachen mit ihnen und sie finden es toll, dass er sich auch in den Ferien Zeit für sie nimmt. Auf die Frage, ob er streng sei, mussten sie erstmal lachen und meinten dann aber „a bissle, aber auf a lustige Art“.

Text · Bild: Ela Engel

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