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Integration dank Arbeit

Gemeinsam mit anderen Flüchtlingen leistete Mir Vais Mohammadi aus Afghanistan im September 2015 gemeinnützige Arbeit und lernte so die Rotkreuzeinrichtung in Füssen kennen. Wenige Monate später wurde er am 1. Januar 2016 in der Abteilung Hauswirtschaft, Reinigung, Wäscherei und Service angestellt. „Er ist sozusagen der Hahn im Korb unter elf Frauen“, so seine Vorgesetzte Alina Kraftsik.

Rund 80 Flüchtlinge sammelten in den letzten zwei Jahren Arbeitserfahrung in Rotkreuzeinrichtungen vor Ort. Die Spannweite reichte vom Ein- und Abdecken der Tische in den Speisesälen über Hilfen in der Küche bis hin zur Aufnahme einer Ausbildung im altenpflegerischen Bereich.

Alina Kraftsik, die selbst 1999 aus Rumänien nach Deutschland kam und keine deutschen Sprachkenntnisse hatte, kann die sprachlichen Barrieren nachempfinden. Die Unsicherheit, die dabei entsteht, und auch die gesellschaftliche Isolation. „Am Anfang war es schwer und ich musste ihm immer wieder alles zeigen, bis er es verstanden hat. Mir Vais macht seine Arbeit gut, weil er gerne arbeitet und sehr zuverlässig ist“, erklärt die Hauswirtschaftsleiterin.

Zwei bis drei Mal die Woche läuft der 24-Jährige von Hohenschwangau nach Füssen West, ins Seniorenheim St. Michael. „Er hatte sich von seinem Gehalt ein Fahrrad gekauft. Das wurde ihm gestohlen. Jetzt ist er nicht mehr mobil und läuft deswegen“, übersetzt Alina Kraftsik. Nicht, dass sie afghanisch spricht. Nein, es sind die Gesten, das sogenannte „Mit-Händen-und-Füßen-sprechen“ und das Vertrauen, das sich zwischen Menschen entwickelt, die sich verstehen. Da ist Sprache erst einmal nicht relevant. In Deutschland fühlt sich der junge Mann aus dem Kundus sicher. In Afghanistan arbeitete er als Schweißer. „Meine Mutter lebt noch dort. Mein Vater wurde erschossen“, erzählt er leise.

Laut Zeit Online registrierten die Vereinten Nationen 2016 im Vergleich zu 2015 einen Anstieg der bewaffneten Auseinandersetzungen um 22 Prozent, Hunderttausende sind innerhalb des Landes auf der Flucht. Und selbst Mitarbeiter des Roten Kreuzes – die bislang in dem Land unter einem besonderen Schutz standen – sind inzwischen in Afghanistan nicht  mehr sicher. Der Kundus gehört zu einer Krisenregion. Ob das Mir Vais Mohammadi helfen wird, ist ungewiss. Fakt ist, dass er hier bleiben möchte. „Die Landschaft ist hier so schön“. Ein familiäres Netzwerk hat der 24-Jährige nicht. „Aber die Bewohner mögen ihn. Als er im Urlaub war, haben sie nach ihm gefragt. Das ist ein gutes Zeichen. Er geht sehr respektvoll mit allen um“, erzählt Alina Kraftsik.  Ohne diesen Job würde er jedenfalls in seiner Unterkunft sitzen und die Zeit mit Nichtstun totschlagen. „So bekommt er soziale Kontakte und lernt Deutsch. Das wird ihm weiterhelfen für seine berufliche Zukunft“, erklärt Alina Kraftsik. Von den ursprünglich 21 Flüchtligen, die gemeinnützige Arbeit leisteten, macht gerade einer eine Ausbildung als Altenpfleger, während ein anderer bereits als Altenpflegehelfer arbeitet. Nicht alle haben sich so engagiert und waren bemüht sich zu integrieren. „Manche kamen nicht damit zurecht, dass sie eine Frau als Vorgesetzte haben oder eine Frauentätigkeit ausüben sollten. Das sind ganz andere Wertvorstellungen“, beschreibt Heimleiter Matthias Stroeher die verschiedenen Charaktere.

Thomas Hofmann, Geschäftsführer beim BRK Kreisverband Ostallgäu, sieht den Einstieg der Flüchtlinge in die BRK-Arbeitswelt als eine Bereicherung und eine Aufgabe ganz im Sinne der Rot-Kreuz-Idee, zu helfen, ohne nach Herkunft, Rasse, Religion oder politischen Einstellungen zu fragen. „Das BRK betritt allerdings kein Neuland in Bezug auf die Ausbildung ausländischer Mitarbeiter“, erklärt Personalleiter Werner Ehrmanntraut. Bereits 2014 startete der Kreisverband ein Ausbildungsprojekt mit fünf spanischen Altenpflegern. Von diesen Erfahrungen profitiere der Kreisverband nun bei der Integration von Flüchtlingen. Eine gewichtige Rolle spielen dabei die ehrenamtlichen Asylkreise vor Ort. Die Asylhelfer kennen die einzelnen Flüchtlinge und können so sozial interessierte Bewerber vermitteln.

Text · Bild: Sabina Riegger

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