Menschen

Gelungene Integration am Arbeitsplatz

Ein nicht selbstverständlicher Luxus

Flüchtlinge erleben – hier angekommen – einen richtigen Kulturschock jenseits unserer Vorstellungskraft. Es liegen Ozeane zwischen der Kultur und dem Lebensstil in Deutschland und den Heimatländern der meisten Flüchtlinge. Umgangsformen, Gesetze, Ernährung: Alles ist völlig anders. Die Anordnung im Supermarkt, der Umgang mit Müll, die Einstellung zum Alkohol: alles.

Doch vor allem müssen die Flüchtlinge eine neue Sprache lernen. All das hat Nalin Bulathsinhala bereits vor 28 Jahren durchlebt. Der Food and Beverage-Manager des Luitpoldparkhotels in Füssen versteht die Flüchtlinge, die jetzt nach Deutschland kommen, nur zu gut. „Es fühlte sich an wie in einem Kinofilm, aber ich musste diese Verwirrung und Beklemmung bekämpfen, und zwar schnell. Denn die Deutschen sind kulturbeflissene Menschen mit einem exzessiven Interesse an Literatur und Theater, Musik und Kunst. Ohne dies alles zu schätzen – und das meiste gilt als Luxus dort, wo ich herkomme – ist man am Nullpunkt der Integration.“, sagt er rückblickend auf seine damalige Situation.

Nalin Bulathsinhala ist gebürtig aus Sri Lanka. Eigentlich wollte er sich dort selbständig machen. Doch es gab damals die dramatische Situation vieler Unruhen und er sah für sich keine Perspektive im Tourismus. Sein ehemaliger Arbeitgeber LTU verschaffte ihm 1989 die Möglichkeit nach Deutschland zu kommen. Durch seine Neugier etwas Neues zu lernen ergriff er die Chance und kam hierher. Er kann nur zu gut nachvollziehen, wie allein man sich in einem fremden Land fühlt. Seine eigene Kultur hat man hinter sich gelassen und zudem ist man mit anderen Lebensweisen und Ernährung konfrontiert.

„Am Anfang muss man das erst alles begreifen und man hat mit sich selbst sehr viel zu tun.“ Leider trifft diese Unsicherheit aber auf viel Unverständnis. Viele verstehen es nicht, wenn man noch auf der Suche ist und sich noch nicht richtig einordnen kann in der neuen Umgebung. Bulathsinhala verdeutlicht diesen inneren Konflikt: „Ich kannte nicht mal einen Staubsauger, geschweige denn eine Dusche. In meiner Kindheit gab es Wasser in der Monsunzeit oder man ging im Fluss baden. Deswegen kann ich es nachempfinden, wenn sie diese Luxusvarianten nicht kennen. Sie fangen von null an. Anfangen von der Küche, der Toilette oder Elektrizität. Wenn man hier aufwächst, dann kennt man das alles. Eigentlich banale Dinge, aber für die meisten Flüchtlinge ist das fremd.“ Aller Anfang ist schwer – und ohne Sprachkenntnisse gleich zweimal. Nalin Bulathsinhala hatte bei seiner Ankunft große Unterstützung. „Ich liebe Sprachen; je mehr Sprachen man spricht, desto mehr lernt man kennen.“ Der Vater einer Tochter hat sich durchgekämpft und hat es bis zum F&B Manager eines Vier-Sterne-Hotel geschafft. Er ist für die Organisation, Planung, Logistik und Durchführung rund um die Speisen und Getränke verantwortlich.

18 verschiedene Nationalitäten arbeiten im Luitpoldparkhotel. Er ist stolz auf die gepflegte Willkommenskultur. „Ich denke, wir haben einen Königsweg für die Integration gefunden.“ Unabhängig von der Sprache agiert man anfangs nonverbal. Es wird gelacht und man fühlt sich dadurch wohler. Außerdem bringt man ihnen Respekt entgegen, das erleichtert die Integration ungemein. Es sind kleine Gesten mit großer Wirkung. Diese interkulturelle Kompetenz bedeutet Anpassungsfähigkeit und Toleranz, von beiden Seiten, Unternehmer und Arbeitnehmer. Während der Arbeitszeit wird von allen Mitarbeitern verlangt, sich auf Deutsch zu unterhalten, sodass auch andere in die Kommunikation mit einsteigen können. Momentan sind zwei Flüchtlinge im Hotel beschäftigt, die beide aus Westafrika stammen.

Die Regierung spricht von dem sogenannten „3 plus 2-Status“. Wenn die Ausbildung drei Jahre dauert, bekommen sie automatisch weitere zwei Jahre Aufenthaltsstatus. Somit profitiert auch der Unternehmer davon und bildet nicht nur aus. Im September fängt ein Mädchen aus Eritrea ihre Ausbildung als Köchin an. „Sie kann schon Deutsch lesen und schreiben, sie hat sich alles selbst beigebracht.“ Die Sprache ist und bleibt eben das Sprungbrett für Bildung und Integration.

Bulathsinhalas Vision ist aber eine weitaus größere: „Warum bilden wir die Flüchtlinge nicht soweit aus, damit sie in ihrer Heimat etwas neues aufbauen können? Es wäre so etwas wie Hilfe zur Selbsthilfe.“ Eine Idee, die man verfolgen sollte.

Text · Bild: Sabina Riegger

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