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Gut durch die Erkältungszeit mit Hildegard von Bingen

Die Heilige Hildegard von Bingen war eine der erstaunlichsten Frauen des Mittelalters. Ihr Leben und Wirken war einzigartig für die damalige Zeit. Man kann sie sicherlich als eine der Begründerinnen der abendländischen Medizin bezeichnen, viele ihrer Heilmittel konnten in ihrer Wirkung inzwischen sogar wissenschaftlich bestätigt werden und ihre Rezepturen werden auch heute noch mit Erfolg eingesetzt. Aus diesem reichhaltigen Repertoire möchte ich Ihnen diesmal einige Mittel vorstellen, die sich bei der unterstützenden Behandlung von Erkältungskrankheiten sehr gut bewährt haben.

Pelargoniengewürzmischung
(Grippepulver)

Diese spezielle Mischung aus 20 g Edelpelargonienpulver (Geranium anglicum), 10 g Bertram- und 10 g Muskatnusspulver ist mit Sicherheit das bekannteste Hildegard-Mittel zur Vorbeugung und Behandlung grippaler Infekte. Hier gibt es sogar mehrere Möglichkeiten der Anwendung, je nachdem, wie stark die Beschwerden bereits sind.

– Zur Vorbeugung, nicht nur für ältere Menschen, während der Erkältungszeit ½ TL dieses Pulvers über Salat, Suppen oder das Essen streuen, um das Immunsystem zu aktivieren.
– Besonders praktisch ist die selbe Mischung auch als „Grippespray“: aus dem Pulver wird eine alkoholische Lösung hergestellt oder eine Mischung der ätherischen Öle verwendet und wie in der Aromatherapie zum Riechen auf den Handrücken oder zur Desinfektion in die Raumluft gesprüht.
– Wenn ein Schnupfen sich ankündigt, sprich beim 1. Niesen: ½ TL des Pulvers auf einer Postkarte verteilen und daran schnuppern (nicht schnupfen!). Das geht auch vorbeugend, dann am besten gleich morgens. Hat der Schnupfen bereits begonnen oder ist er schon 1-3 Tage alt, sollte man des Öfteren nach dem Naseputzen diese Anwendung wiederholen.
„Wer Schnupfen hat, halte dieses Pulver an seine Nase und ziehe dessen Duft in sich ein, und der Schnupfen löst sich leichter und linder und vergeht schnell, ohne den Menschen zu gefährden“, schreibt Hildegard.
– Ist die Erkältung schon weiter fortgeschritten und/oder mit Heiserkeit und Halsschmerzen verbunden, empfiehlt es sich, 1 TL des Pelargonien-Mischpulvers mit ¼ L Wein – egal, ob weiß oder rot – bis 3 Minuten aufzukochen und als eine Art Glühwein warm zu trinken. Am besten natürlich vor dem Schlafengehen und dann gleich ins Bett und tüchtig schwitzen! In manchen Fällen kann der weitere Verlauf des Infektes sogar noch gestoppt, in jedem Fall aber abgemildert werden.
– „Wer Husten und ein Gebrechen in der Brust hat, mache aus Mehl und diesem Pulver kleine Kuchen in einer Pfanne unter Beigabe von Fett oder Butter und esse sie oft vor und nach dem Essen, und der Husten und die Geschwürigkeit der Brust lösen sich leicht und gelinde, und dem Menschen wird es besser gehen“, so Hildegard zur Anwendung dieser Art Pfannkuchen bei hartnäckigem Husten, der bereits in der Brust weh tut. Zum Mengenverhältnis: 500 g Mehl mit 1 ½  TL Pulver mischen, je nach Geschmack Apfelstücke und braunen Zucker zugeben.

Wie aktuell dieses Hildegard-Mittel ist, zeigt sich daran, dass eine spezielle Pelargonienart, die sog. afrikanische Kapland-Pelargonie mit dem schwer aussprechlichen Namen aus der Zulu-Sprache, der in etwa „großer Husten“ bedeutet, Grundlage eines sehr bekannten Erkältungsmedikamentes ist.

Königskerzenmischung
(Stimmkräuter)

„Wenn jemand an der Stimme und in der Kehle rauh ist und auch in der Brust Schmerzen leidet, der nehme Königskerze und Fenchel mit gleichem Gewicht und koche sie in gutem Wein, seihe durch ein Tuch ab und trinke oft davon, und er wird seine Stimme wieder erhalten, und die Brust heilt.“

Eigentlich hat uns Hildegard hier schon alles gesagt, nämlich, dass diese spezielle Rezeptur ein ganz wunderbares Mittel für die Stimme ist, sowohl bei Heiserkeit (nicht nur im Winter, sondern auch im Sommer, etwa durch eiskaltes Wasser), rauher Stimme, als Sängermittel, akutem Stimmverlust (Aphonie), Kehlkopfentzündung, Halsschmerzen, unterstützend bei Mandelentzündung und Brustschmerzen.

Aus Königskerzenblüten und Fenchelkraut wird zu gleichen Teilen eine Mischung hergestellt, davon werden 3 TL in ¼ L Wein (alternativ Apfelsaft) 3-5 Minuten aufgekocht. Abseihen und in eine Thermoskanne füllen. Über den Tag verteilt trinken, etwa alle 1-2 Stunden ein Likörglas. Das ist selten länger als 3 Tage nötig. Übrigens: dieses Mittel gibt es auch bereits fertig als Kräutertrank (alkoholhaltig).

Warum wirkt diese Mischung so gut? Die Königskerze enthält viel Schleim, beruhigt also dadurch die entzündliche Schleimhaut und mildert so die Reizbarkeit. Der Fenchel wirkt ebenfalls entzündungshemmend und zugleich auswurffördernd und leitet so die Heilung ein. Auch hier wieder ganz bezeichnend: die Königskerze hat eine Geschichte, die von der Antike bis in die heutige Zeit reicht. Bereits Dioskorides behandelte vor 2000 Jahren damit trockenen Husten. Auch bei Krämpfen, Schwellungen und Wunden sollte sie helfen. Mit Pech oder Teer bestrichen nutzte man die bis zu 2 m hohe Pflanze als Fackel oder Lampendocht – daher stammt wohl auch der Name. An Maria Himmelfahrt gehört sie in jedes geweihte Kräuterbüschel und sogar als Wetterorakel musste sie oft herhalten: je nachdem, wie die Blüten beschaffen waren, kam der erste Schnee früher oder später. Sebastian Kneipp empfahl sie u.a. als herzstärkendes Mittel, dafür kochte er die Blätter in Fleischbrühe. Auch hier gibt es erstaunlicherweise einen Bezug zu Hildegard:

„Und wer ein schwaches oder trauriges Herz hat, der koche Königskerze mit Fleisch oder mit Fisch oder mit Kucheln (?) ohne andere Kräuter, und er esse das oft, und es stärkt sein Herz und macht es fröhlich.“

3 Arten der Königskerze aus der Familie die Braunwurzgewächse werden heute arzneilich genutzt: die großblumige, die gemeine und die kleinblütige Art, lateinisch Verbascum densiflorum, V. phlomoides und V. Thapsus. Alle 3 Arten weisen ganz ähnliche Inhaltsstoffe auf: 3 % Schleimstoffe, die sich wie eine Art schützender Film über die Schleimhaut von Mund und Rachen legen und sie damit beruhigen und so Halsschmerzen und trockenen Reizhusten lindern und Triterpensaponine, die dagegen zähes Sekret lösen, das sich in den Atemwegen festgesetzt hat.

Tipp am Rande: Hildegard rät uns bei stärkeren Beschwerden zur „Aufstockung“ der Stimmkräuter mit den „Hustenkräutern“ Dill und Andorn zu den sog. „Grippekräutern“,  deren Anwendung die Beschwerden eines grippalen Infektes noch kompletter abdecken.

Hirschzungenelixier oder -kräutertrank

Zu Ihrer Beruhigung gleich einmal vorab: die Hirschzunge ist eine Farnart, nicht das Organ des Wildtieres!!!
„Die Hirschzunge ist warm und hilft der Leber und der Lunge und den schmerzenden Eingeweiden. Mache aus Hirschzungenfarnkraut, langem Pfeffer und Zimt einen Klartrank und trinke ihn oft vor und nach dem Essen, es nützt der Leber und reinigt die Lunge und heilt die schmerzenden Eingeweide und nimmt die innere Fäulnis und den Schleim weg.“

Hier ist Hildegards bestes Mittel bei trockenem, hartnäckigem Husten beschrieben, der einfach nicht verschwinden will:
12 g Hirschzungenfarnkraut in 2 L Wein kochen, 200 g Honig zufügen und ein 2. Mal aufkochen. 40 g Zimt und 10 g langen Pfeffer (Piper longum, eine spezielle Pfeffersorte) nochmals aufkochen und abfiltern. Dosierung: in der 1. Woche 3 x täglich 1 Likörglas nach dem Esssen, danach vor und nach dem Essen für 6-8 Wochen.

Das klingt relativ aufwendig, ist es aber nicht. Zur Selbstherstellung für die 2 L gibt es eine Gewürzmischung, die bereits aus 2 Komponenten besteht, um die Zubereitung zu erleichtern. Sie brauchen nur noch Wein und Honig. Wem das trotzdem zu viel ist, dem bietet der fertige Hirschzungenkräutertrank eine praktische Alternative.

Was hier sehr interessant ist: nach Hildegard steht die Leber in ihrer Funktion direkt mit der Lunge in Verbindung. Das bedeutet: wenn ein trockener, quälender Husten einfach nicht besser wird, dann steckt möglicherweise die Leber dahinter, denn aufgrund eines gestörten Leberstoffwechsels entsteht Schleim und der Weg zu einer chronischen Bronchitis ist nicht mehr weit. Was allerdings schade ist: bei Raucherhusten bringt das Mittel keinen Erfolg, hier wären sicher Präparate aus dem Huflattich eher erfolgversprechend.

Neben der Stärkung von Leber und Lunge hat sich das Hirschzungenelixier laut Hildegard gut bewährt zur unterstützenden Hormonregulation bei Unterleibsleiden, Schilddrüsen- und Bauchspeicheldrüsen-Funktionsstörungen.

Die mehrjährige Pflanze steht unter Naturschutz und ist sogar eine Art der „Roten Listen“. Zur Verwendung in der Naturheilkunde wird die Hirschzunge in speziellen Gärten kultiviert.

Einen schönen Herbst wünscht Ihnen,

Ihre Simone Wagner
Apothekerin

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