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Amerikanischer Charme im bayerischen Gewand

Adriana Ortega und die Blasmusik

„Ich werde das letztjährige Bezirksmusikfest nie vergessen. Es war irgendwie surreal und doch war ich mittendrin. Fein angezogen im Dirndl und bereit, die deutsche Nationalhymne auf meinem Saxophon zu spielen“. Wenn Adriana Ortega an diesen Augenblick zurück denkt, läuft ihr ein kleiner Schauer über den Rücken. „Das war fantastisch“, bringt sie ihre Erinnerung noch einmal zum Ausdruck. Adriana Ortega ist Amerikanerin und das beste Beispiel einer bayerisch-amerikanischen Integration im Allgäu.

Ihre Liebe zur deutschen Sprache begann in El Paso, der zweitsichersten Stadt Amerikas und der Heimatstadt der jungen Frau. Als Reporterin war sie ständig mit ihrem TV-Team auf Achse, um sich die besten Storys zu angeln. „Es war eine harte Zeit  Wir waren kein Team, sondern alles Einzelkämpfer – Ellenbogen raus und rein ins Getümmel der Geschichten. Wer holt sich die beste Story“. Ein halbes Jahr gehörte sie zu den „Guerilla-Reportern“ die mit ihrem Kameramann Geschichten „am Puls der Zeit“ zeigte. Geschichten voller Emotionen. Denn obwohl El Paso zu den sichersten Städten Amerikas gehört, ist die gefährlichste Stadt der Welt ganz in der Nähe. Denn nur zehn Autominuten weiter weg ist Juarez. Unter allen mexikanischen Städten ist sie von dem seit 2007 tobenden Drogenkrieg in Mexico am meisten betroffen. „In El Paso versucht die Polizei alles zu kontrollieren, aber die Gewalt ist nicht aufzuhalten. Man muss immer achtsam sein. Viele haben einfach nur Angst und das ist sehr traurig. Kinder sehen Gewalt. Sie üben in der Schule wie sie sich zum Beispiel verbarrikadieren müssen, wenn es zu einer Schießerei kommt“. Adriana Ortega wird nachdenklich. Ihre Stimme wird leiser, als sie sagt: “es gibt dort viele Flüchtlinge und Kinder, die Grausames gesehen und erlebt haben. Ich will das für meine Kinder nicht“.

Alles im Leben ist eine Herausforderung
Während ihrer Zeit als Reporterin lernte die Amerikanerin mit mexikanischen Wurzeln ein paar junge Leute aus Bayern kennen. Bei Adriana Ortega war es Liebe beim ersten Hinhören. „Ich habe mich sofort zu der deutschen Sprache hingezogen gefühlt. Es war irgendetwas da und ich war mir sicher, dass ich Deutsch lernen wollte und zwar in Deutschland“. Die 33-Jährige lebt nach dem Motto, dass alles im Leben eine Herausforderung ist, und wir die Wahl haben, uns entscheiden zu dürfen, welchen Weg wir gehen wollen.

Sie selber entschloss sich für den Weg nach Regensburg in eine Sprachenschule mit einem integriertem Internat. Nach zwei Monaten ging sie wieder zurück nach Hause, um ihren Eltern mitzuteilen, dass sie sich entschlossen hat, in Deutschland zu bleiben. Seit dem sind acht Jahre vergangen. Davon brachte sie fünf Jahre lang anderen Menschen Geschäfts-Englisch bei. Jetzt lebt sie in der höchstgelegensten Stadt Bayerns, in Füssen. Hier hat sie das gefunden, was sie liebt: ihren Freund und ihren tollen Job. „Es war richtig, diesen Schritt zu gehen. Als meine Mutter mich besuchte sagte sie: ich verstehe nun, warum Du hier bist. Ich muss nicht mehr Angst um dich haben. Wenn Du glücklich bist, dann bin ich es auch“.

Dass sie sich im Allgäu so wohl fühlt, hängt auch mit Sieglinda Scheitl zusammen. Sie war es, die Adriana Ortega für die Musikkapelle Eisenberg „anheuerte“. Sie hat ihr geholfen, wieder „spielfähig“ zu sein. Denn 14 Jahre lang spielte die junge Frau kein Saxophon mehr. „Ich habe nicht gewusst, dass mir bayerische Musik wie Polka und Märsche so gut gefällt. Es ist ein tolles Gefühl, mit den Leuten zusammen zu sein, zu reden und Musik zu machen. Wir sind eine gute Gruppe. Ein großes Danke an alle“.

„Es gibt fast nichts, was ich hier vermisse“
Dass Füssen ihre zweite Heimat geworden ist, hängt auch mit ihrem Freund Chris zusammen. „Ich lerne gerade bayerisch kochen wie Spätzle und Semmelknödel“, lacht die 33-Jährige. Mit der „Weißwurst“ hat sie sich mittlerweile auch angefreundet, „am Anfang konnte ich nicht verstehen, dass man so etwas essen kann. Aber mittlerweile schmeckt es mir sogar“.

Es gibt fast gar nichts was die Amerikanerin hier vermisst. Selbst Thanksgiving wird traditionell gefeiert, genauso wie Halloween oder der amerikanische Nationalfeiertag. „Wir haben letztes Jahr so ein tolles Thanksgiving gefeiert. Freunde von uns haben per Videobotschaft eine Mitteilung bekommen, was sie zum Essen mitbringen sollen. In Amerika ist das so üblich. Es war einfach nur super – das Essen war so toll und wir hatten einen großen Truthahn“, schwärmt die Wahlfüssenerin. Nur eines fehlt ihr noch zum 100 % Wohlfühlen.  „Ich vermisse ein Kino mit englischsprachigen Filmen. Einmal im Monat würde mir das völlig ausreichen“.

Dass Adriana Ortega in Füssen bleiben will, steht außer Frage. „Meine Zukunft ist hier. Manchmal habe ich Angst wenn ich denke, dass ich ein neues Leben in einem fremden Land angefangen habe, weit weg von meiner Familie – aber ich fühle mich wohl“.

Text · Bild: Sabina Riegger

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