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Füssen beteiligt sich an weltweiter Kampagne für fairen Handel

Fairtrade-Stadt

Fair Trade ist eine Organisation, die sich weltweit für gerechten und kontrollierten Handel einsetzt. Hierbei wird den Erzeugern für die gehandelten Produkte ein von der Fair-Trade-Organisation festgelegter Mindestpreis bezahlt, welcher über dem jeweiligen Weltmarktpreis angesetzt ist. Damit soll den Produzenten ein höheres und verlässlicheres Einkommen als im herkömmlichen Handel ermöglicht werden. In der Produktion sollen auch internationale sowie von der Organisation vorgeschriebene Umwelt- und Sozialstandards eingehalten werden. Bauern in Afrika, Lateinamerika und Asien erhalten durch Fairtrade-Standards die Möglichkeit, ihre Dörfer und Familien aus eigener Kraft zu stärken und ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen nachhaltig zu verbessern.

Die ersten Fair-Trade-Organisationen wurden in den Jahren 1946 und 1949 in den USA gegründet. In Europa hielt die Fairhandelsbewegung in den 1960er Jahren Einzug. Am 12. Juni 1992 wurde die Organisation TransFair International als Träger des europäischen Fair-Trade-Siegels von der EFTA und TransFair Deutschland in Göttingen gegründet. Im April 1997 schlossen sich verschiedene internationale Siegelorganisationen zu der gemeinsamen Dachorganisation Fairtrade Labelling Organizations International (FLO) mit Sitz in Bonn zusammen. Damit zählte TransFair bereits 37 Mitgliedsorganisationen.

2002 einigten sich 17 nationale Siegelorganisationen auf ein gemeinsames Logo, das künftig den internationalen Warenverkehr und die Öffentlichkeitsarbeit erleichtern sollte. Darüber hinaus gab die Europäische Kommission sowie die Weltbank bekannt, dass sie Fairen Handel unterstützen wolle. Die Kampagne „Fairtrade-Towns“ startete im Jahr 2000 in Großbritannien, wird von TransFair getragen und bringt unterschiedliche Akteure aus Handel, Politik und Zivilgesellschaft zusammen. In 23 anderen Ländern gibt es sie bereits, die „Fair Handelnden Städte“. Über 1.200 Fairtrade-Towns sind es mittlerweile weltweit. Seit Januar 2009 können sich nun auch Kommunen in Deutschland um den Titel „Fairtrade-Stadt“, “Fairtrade-Kreis“ oder „Fairtrade-Gemeinde“ bewerben. In Deutschland liegt die Zahl der teilnehmenden Städte derzeit bei 179. Im Allgäu tragen neben Füssen bereits Sonthofen, Marktoberdorf und Bad Wörishofen das Fair-Trade-Siegel, Kempten soll bald folgen.

Die fünf Kriterien

Um das begehrte Siegel bekommen zu können, müssen die Städte fünf Kriterien erfüllen. Das erste Kriterium gilt als erfüllt, wenn durch einen Stadtratsbeschluss festgelegt wurde, dass bei allen Sitzungen der Ausschüsse und des Rates sowie im Bürgermeisterbüro Fair-Trade-Kaffee sowie ein weiteres Produkt aus Fairem Handel verwendet wird.  Der Stadtrat muss des Weiteren festlegen, dass die Stadt den Titel „Fairtrade-Stadt“ anstreben will. Beim zweiten Kriterium wird eine Steuerungsgruppe gebildet, die auf dem Weg zur „Fairtrade-Stadt“ die Aktivitäten vor Ort koordiniert. Diese Steuerungsgruppe soll aus Vertretern verschiedener Zielgruppen bestehen, darunter die Bereiche Städtische Verwaltung, Einzelhandel, Kirche, Schule und ein Vertreter einer Lokalen Agenda 21-Gruppe. Das dritte Kriterium legt fest, dass in den lokalen Einzelhandelsgeschäften gesiegelte Produkte aus Fairem Handel angeboten und in Cafés und Restaurants jeweils mindestens zwei Fair Trade-Produkte ausgeschenkt werden. Dabei richtet sich die notwendige Anzahl an Geschäften und Gastronomiebetrieben nach der Zahl der Einwohner, was für Füssen eine Anzahl von vier Einzelhandels- und zwei Gastronomiebetrieben bedeutete. Aktuell kann die Stadt Füssen acht Einzelhandelsgeschäfte, vier Gastronomiebetriebe und fünf Hotels vorweisen, die Fairtrade-Produkte verkaufen, ausschenken oder verwenden, womit die erforderliche Anzahl bereits weit überschritten wurde. Neben der Stadtverwaltung verwenden auch eine Schule sowie drei Vereine und zwei Kirchengemeinden Fairtrade-Produkte für Besprechungen oder Veranstaltungen. Damit ist auch das vierte Kriterium erfüllt, in dem gefordert wird, dass bei einer Einwohnerzahl unter 200.000  jeweils eine Schule, ein Verein und eine Kirche Fairtrade-Produkte verwendet und Bildungsaktivitäten zum Thema „Fairer Handel“ durchführt. Im letzten Kriterium ist festgelegt, dass die örtlichen Medien über alle Aktivitäten auf dem Weg zur „Fairtrade-Stadt“ berichten. Nach Erfüllung aller Kriterien und Prüfung durch TransFair e.V. wird der Titel „Fairtrade-Stadt“ für zunächst zwei Jahre vergeben. Nach Ablauf dieser Zeitspanne erfolgt eine Überprüfung, ob die Kriterien weiterhin erfüllt sind.

FairTrade-Siegel für Füssen

Der notwendige Ratsbeschluss gegen Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit in Füssen erfolgte am 23. Oktober 2012 auf Initiative des Füssener Vereins „Eine Welt Partnerschaft e.V.“, vertreten durch Ursula Renner, Rosalie Nold, Ina Schicker und Hubert Endhardt. Ende Februar 2013 wurde die Füssener Steuerungsgruppe gebildet. Die sieben Mitglieder haben sich bereits am 11. März zur ersten von vier geforderten Sitzungen pro Jahr getroffen. Bei diesem Treffen wurde die Bewerbung auf den Weg gebracht. Vorsitz der Gruppe führt Mitinitiatorin Ursula Renner, die weiteren Vertreter der Steuerungsgruppe sind Heike Eggensberger für den Bereich Hotellerie, Christian Möller für den Einzelhandel, Roberto Dego für die Gastronomie, Sabine Thilemann für die Schulen, Ursula Lappler für die Kirchen und Carmen Settele als Vertreterin der Stadt Füssen.

Die Bestätigung für das erfolgreiche Bewerbungsverfahren kam am 28. Mai 2013. Am 21. September wird um 15 Uhr im Kaisersaal des Füssener Rathauses die offizielle Übergabe des Siegels zelebriert. Bei einem abwechslungsreichen Rahmenprogramm mit Musik und verschiedenen Referenten wird dann ein Vertreter von TransFair Deutschland das Siegel überreichen. Im Anschluss ist im Klosterhof ein bioregionales Buffet geplant.

Zu den weiteren Vorhaben in diesem Jahr zählen die Erstellung eines Flyers mit Auflistung aller Füssener Organisationen, die Fairtrade-Produkte im Sortiment haben oder verwenden, sowie die Planung von weiteren Veranstaltungen zur Steigerung des Bekanntheitsgrades von Fairtrade-Produkten.

Ursula Renner, Mitinitiatorin und Vorsitzende der Steuerungsgruppe:
„Dass Waren fair gehandelt werden, sollte weltweit der Normalfall sein. Leider ist das nicht so und deshalb ist es wichtig, dass der Faire Handel in allen Geschäften vertrieben und hoffentlich bald Standard wird. Der Titel Fairtrade-Stadt ist Aufforderung, Programm und Meilenstein zu diesem Ziel. Fairer Handel findet jetzt breite Unterstützung durch Politik und Handel vor Ort. Der Weltladen Füssen verspricht sich darüber hinaus eine noch größere Resonanz bei seiner Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit“.

Heike Eggensberger, Mitglied der Steuerungsgruppe:
„Schon früh hatte ich durch die kirchliche Jugendarbeit in der Region mit fair gehandelten Produkten zu tun. Es ist mir ein persönliches Anliegen, durch kleine Schritte vor Ort die Welt woanders ein wenig besser gestalten zu können. Der Einkauf bei Partnern des fairen Handels bedeutet für uns nur einen geringen Mehraufwand – für andere Menschen schaffen wir damit menschenwürdige und verlässliche Lebensbedingungen. Für uns als Gastgeber im Biohotel Eggensberger ist dieses Engagement ein selbstverständlicher Teil unserer Arbeit. Viele unserer Gäste haben ein ausgeprägtes Bewusstsein für soziale und ökologische Zusammenhänge und engagieren sich in ihrem Umfeld. Da kommt es auch immer wieder zu einem interessanten Austausch im Gespräch. Die Bestellung der Waren ist unkompliziert und es gibt vieles in GV-gerechten Verpackungs-Größen. Darüber hinaus haben viele unserer Bio-Lieferanten auch eigene Fair-Handels-Projekte – und auch im Bereich Naturkosmetik gibt es da immer mehr. Es ist also wirklich möglich, einige kleine Schritte zu gehen – man muss es nur tun! Gerne helfe ich anderen Kolleginnen und Kollegen im gastronomischen Bereich dabei, geeignete Produkte und Lieferanten zu finden.

Sabine Thilemann, Mitglied der Steuerungsgruppe:
Kinder und Jugendliche sind oft noch begeisterungsfähiger und leichter zu motivieren als Erwachsene. Daher ist es sinnvoll, mit der Bewusstseinsarbeit zum fairen Handel möglichst früh zu beginnen. Zudem übernehmen Schülerinnen und Schüler gerne Verantwortung beim Verkauf. Dies hat in den vergangenen  15 Jahren am Gymnasium Hohenschwangau und am Gymnasium Füssen meist sehr gut funktioniert. Die Bewusstseinsarbeit ist natürlich am nachhaltigsten, wenn die Kinder und Jugendlichen sich auf diese Weise praktisch für den fairen Handel einsetzen. Von „Füssen – faire Stadt“ erhoffen wir uns, dass alle Schulen Lust bekommen, einen Pausenverkauf mit fairen Produkten einzurichten und in noch mehr Lehrerzimmern fair gehandelter Kaffee und Tee Standard werden. Für die Schülerinnen und Schüler, die sich schon bisher für den fairen Handel engagiert haben, ist es wiederum eine schöne Bestätigung und Anerkennung ihrer Arbeit.

Text: Sven Ademi

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