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Das Frauengefängnis in Aichach

Ein „Hotel“ mit Gittern

Es ist ein schönes, denkmalgeschütztes Gebäude, das im panoptischen Stil von 1904 bis 1908 errichtet wurde. Die Innenhöfe sind meist grün oder bieten sportliche Möglichkeiten an. In einem der Höfe ist ein kleiner Kinderspielplatz untergebracht. Hier laufen Frauen mit den Kinderwägen rum oder halten die Kleinen im Arm. Einige junge Frauen kümmern sich um die Beete vor den Häusern, die bunt bemalte Fenster haben. Wenn man es nicht besser wüsste, würde man glatt denken, dass es sich um ein Kloster handelt oder gar um eine Einrichtung für junge Frauen mit Kindern und nicht um eine Anstalt mit den meisten weiblichen Gefangenen in Deutschland. Landtagsabgeordnete Angelika Schorer ist seit 2008 Vorsitzende des Gefängnis-Beirates in Aichach. „Es ist eine interessante Tätigkeit, die natürlich viel Zeit in Anspruch nimmt“, erklärt sie während der Fahrt nach Aichach.  Inhaftierte wie die frühere RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt (22 Jahre), Vera Brühne (18 Jahre) oder Schauspielerin Ingrid van Bergen saßen einen Großteil ihres Lebens in Aichach hinter Schloss und Riegel und sorgten über Jahrzehnte für einen überregionalen Bekanntheitsgrad der Kleinstadt.

473 inhaftierte Frauen, davon 39 Jugendliche, 16 Sexualstraftäterinnen und Frauen mit schwerwiegenden Gewalttaten wobei diese auf der sozial-therapeutischen Station behandelt werden sowie 146 Männer sitzen derzeit im Gefängnis. Angelika Schorer hatte schon viele Gespräche mit den Inhaftierten, denn ihr Job ist es, sich um das Wohl der Gefangenen zu kümmern. „Wir hatten eine Insassin, die sich beschwerte nicht die Bücher zu bekommen, die sie brauchte, um nach der Haft eine Ausbildung als Heilpraktikerin zu beginnen. Sie hatte bereits einen Antrag auf die von ihr verlangten Bücher gestellt, doch dieser wurde abgelehnt. Ich habe mir dann die Bücher genauer angeschaut und gelesen und auch ich lehnte diesen Antrag ab. Die Bücher gaben genaueste Anleitungen, wie man auf pflanzlicher Basis Drogen herstellen könnte.“ Für die Gefängnisleitung und die Landtagsabgeordnete ist es wichtig, den Frauen und Männern Möglichkeiten zu bieten, wie sie nach der Haftentlassung ein straffreies Leben gestalten können. „Dazu gehört auf jeden Fall eine Ausbildung“, ist sich Schorer sicher. Zehn bis zwölf Auszubildende werden jährlich ausgebildet, doch nicht jeder Inhaftierte ist auch dafür geeignet. „Die Lehrer kommen teilweise in die Anstalt oder die Schüler bekommen eine Lockerung, dass sie eine Schule besuchen können. Doch das ist immer eine Einzelfallentscheidung“, so Gefängnisdirektor Konrad Meier.

Aktuell bietet das Gefängnis einen Lagerlogistiklehrgang an, der ein halbes Jahr dauert. Im eigenen Friseurgeschäft arbeiten sechs Frauen, davon sind zwei Auszubildende. „Wir bilden hier ganz normal aus, auch Nageldesign“, so die Friseurmeisterin. Ein Haarschnitt kostet acht Euro. Färben kostet mehr, doch das können sich die wenigsten der inhaftierten Frauen leisten. „Sie kaufen sich die Farbe im eigenen Gefängnisladen für fünf Euro und machen es dann selbst. Schaut dann nicht immer gut aus. Aber sie haben ja kein Geld“, sagt eine der Frauen.  Wer trotzdem einen Haarschnitt braucht, sich aber den nicht leisten kann, bekommt alle drei Monate einen kostenlosen. Den Weg in den Friseurladen finden dennoch viele Kundinnen, auch Pensionistinnen und Justizvollzugsbeamtinnen, die den haus-
internen Betrieb damit unterstützen.

Wer Glück hat, kann arbeiten und verdient dabei noch Geld in Unternehmerbetrieben oder Eigenbetrieben, wie zum Beispiel in der Wäscherei, Bäckerei oder auch Schneiderei. „Die Löhne sind unterschiedlich“, erzählt die junge Justizvollzugsbeamte, die einen Unternehmerbetrieb beaufsichtigt. „Zwischen 1,28 Euro und 1,63 Euro in der Stunde kann man hier in dem Betrieb verdienen. Es sind teilweise sehr einfache Arbeiten, wie zum Beispiel Etiketten aufkleben oder etwas zusammenstecken. Wer ein technisches Geschick hat, kann kleine Motoren zusammen bauen“, erzählt sie. Von Montag bis Donnerstag arbeiten die inhaftierten Frauen sieben Stunden, am Freitag sind es sechs. Dreisiebtel des Lohnes wird als Eigenbedarf ausgezahlt, der Rest wird als Überbrückungsgeld zurückgelegt.

Auf jedem Stockwerk ist eine Küche und eine Waschmaschine. „Die Frauen können hier selber kochen oder backen“, erzählt meine Begleiterin. Im Hof ist noch niemand zu sehen, es ist noch kein Hofgang. Die Höfe sehen nicht wirklich so aus wie im Fernsehen, zubetoniert und trist. Sie sind teilweise bepflanzt, Sportgeräte sind sichtbar und überall sind Sitzmöglichkeiten. Nur bei den jungen Müttern ist der Hof voll. Ihre Zellen sind nicht wirklich welche, es sind kleine Appartements mit einem Bad und einem zusätzlichen kleinen Kinderzimmer. „Die Kinder sollen nicht das Gefühl, haben in einem Gefängnis zu sein“, wird mir erklärt. Eine junge 21-jährige Mutter darf ich fragen, wie ihr Tag mit dem Kind aussieht. „Ich muss die Kleine um halb sieben in die Krippe bringen. Um sieben muss ich in der Arbeit sein. Um drei kann ich sie wieder holen und dann sind wir zusammen.“ Ob sie sich Gedanken macht, wie das Leben danach aussieht? „Ja. Ich habe Unterstützung durch meine Familie. Wir schaffen das schon“, sagt sie. Viele der jungen Frauen kommen immer wieder, erzählt mir die Justizvollzugsbeamtin. „Manche kenne ich schon seit 20 Jahren“, sagt sie lächelnd. Das „Kinderhaus“ ist schön, es ist bunt und mit vielen Spielsachen. Nichts deutet auf ein Gefängnis, es gibt keine Mauern. Es ist ein normaler Zaun und grüne Hecken. Im offenen Vollzug dürfen sich die Mütter mit ihren Kindern frei bewegen, am Wochenende dürfen sie nach Hause. Auch hier ist alles offen und hell – und dennoch kommen sie immer wieder, „manche lernen es eben nicht“, sagt man schulterzuckend. Warum die jungen Mütter hier „sitzen“, ist meine nächste Frage. „Die meisten sind hier wegen Betrügereien, erst dann kommen die Drogendelikte.“

Nur Wenige schaffen es wirklich aus dem Sumpf der Kriminalität heraus. „Wenn man in die Akten Mancher schaut, tut es einem schon irgendwie leid. Der Kreislauf wiederholt sich immer wieder. Das ist dann traurig“, so meine Begleitung. Manche der Insassinnen kennt sie schon als Jugendliche. Jetzt sind sie erwachsene Frauen. Ihre jüngste inhaftierte Frau ist 16 Jahre alt, erzählt sie mir. „Ein Richter verurteilt nicht so ohne Weiteres eine Jugendliche zu einer Gefängnisstrafe. Das Strafregister muss lang sein“, erklärt sie. Jugendliche dürfen vier Stunden im Monat Besuch empfangen, Langstraffällige drei stunden und andere Gefangene zwei Stunden. Nur die Jugendlichen dürfen zwei Stunden Hofgang haben alle anderen eine Stunde und das zu festen, vorgegeben Zeiten. Von Mai bis September kommen noch einmal 2,5 Stunden Hofgang für alle dazu. Wenn die Mädchen oder Frauen wieder in Freiheit sind, passiert es hin und wieder, dass sie im Gefängnis anrufen und sich mit ihrer Betreuerin zum Kaffeetrinken verabreden wollen.

Aichach wird auf den Knast-Foren als Hotel bezeichnet. Gegenüber den Gefängnissen im Ausland mag das sicherlich sogar ein Fünf Sterne Hotel sein, doch dafür seine Freiheit aufgeben, seine Würde und Privatsphäre?

 

Text · Bild: Sabina Riegger

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