Kolumne

Der Weg ist nicht das Ziel

Ach, übrigens…

Eine Einladung in ein Fünf-Sterne Hotel? Wow, nicht schlecht. Schließlich bewegt man sich nicht alle Tage in einer Preiskategorie, in der Bettdecke und Kissen allein schon so teuer sind, wie manch ein IKEA Bettgestell- inklusive Auflagen. Schon die Informations-Broschüre des Hotels ist sagenhaft. Vor allem aber sagenhaft teuer. Umso schöner ist es doch, dass wir der Einladung dankend folgen können und ich sicher sein kann, dass die Bankberaterin beim nächsten Blick auf das Konto vor Schreck nicht einfach umkippt.

Kaum angekommen, fühlt man sich, als würde das gesammelte Hotelpersonal auf die Ankunft jedes Gastes geradezu vorfreudig warten. Vom Concierge bis hin zur hauseigenen Yoga- und Chakra-Lehrerin scheinen alle vor Ort vertreten zu sein. Ab jetzt betritt man eben eine andere Welt, genau wie im Flyer beschrieben. Primär gilt, die eigene und neue Leichtigkeit des Seins zu entdecken und zu genießen. Zwar weiß ich noch nicht genau, was das heißt und vor allem wie das geht, aber ein Versuch, das herauszufinden, ist es bestimmt wert. Mit Hilfe einer königlichen Schlamm-Maske, Personal Training auf dem Zimmer oder durch die individuelle Kissenauswahl kann ich mich dann auf die Suche meines neuen „Seins“ begeben.

Vorher aber würde ich noch sehr gern die Windel meines Sohnes wechseln. Ansonsten würde der prachtvolle Eingangsbereich binnen Sekunden nicht mehr nach frisch gepflückten Blumen aus aller Herren Länder duften, sondern er würde nach „Kompost à la Mittagshitze“ riechen.

„Endschuldigen Sie bitte, wo finde ich den Wickelraum?“
„Mhm, ja also das ist jetzt etwas schwieriger zu erklären, aber keinesfalls unmöglich!“ Was meint er mit „schwieriger zu finden“? Und wieso habe ich das Gefühl, den Rezeptionisten durch meine Frage aus dem Konzept gebracht zu haben? Ich habe doch nur nach dem Wickelraum gefragt und nicht nach einer geheimen Tropfsteinhöhle im Hotel. Naja. Vorbei an der Indoor-Tennishalle und dem Spa-Bereich führt uns der Weg in das Untergeschoss des Hotels, den Keller.
Dort angekommen ist weit und breit keine Spur mehr von Marmorböden, Kunstgemälden, klassischer Hintergrund-Musik oder geschweige denn Mitarbeitern zu sehen, nichts. Das rustikale Ambiente vermittelt einem direkt das Gefühl von Gemütlichkeit. Nur hoch Null eben!
Und hier soll der Wickelraum sein? Tatsächlich…

Ganz deutlich an der Aufschrift der Türe erkennbar: Laundry, Wäscheraum, Trockner, Bügeleisen, Wickelraum. Interessante hierarchische Aufstellung und Einteilung. Ja, ein so kleines Wesen kann hin und wieder einen wirklich gräusligen Gestank absondern, aber muss ich dafür gleich mit ihm in den Keller? Sollen wir uns erst ausstinken, um wieder auf den Hotelbetrieb losgelassen zu werden? Oder warum sonst ist der vermeintliche Wickelraum ein kühler, dunkler Raum, ohne einen Hauch von Wickelutensilien, im letzten Abteil des Keller-Flurs? Also dieser Weg war definitiv nicht das Ziel. Aber neben der Chakra-Lehrerin, der Tennishalle, den vielen Mott- Zimmern, dem Marmorboden und dem Piano war eben kein Geld mehr für eine Wickelunterlage, einen Windeleimer oder ein Waschbecken, was soll´s. Wir haben auf diese ganz besondere Kinderfreundlichkeit reagiert…

Die stinkige Windel macht sich bestimmt gut auf der Waschmaschine des Hotels. Und es geht doch nichts über den Duft frisch gewaschener Wäsche, oder wie heißt das nochmal?

Herzlichst, V. Ademi

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