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Chronische Schmerzen

Wenn die Seele nicht schreien kann, dann macht es der Körper

Die Zahl chronischer Schmerzkranker in der Bundesrepublik Deutschland wird auf über 5 Millionen Menschen geschätzt. Für die Kranken bedeutet dieses Schicksal andauerndes Leid und Behinderung, für das Gesundheitswesen und die Gesellschaft hohe Kosten, zum einen durch die aufwändige medizinische Versorgung, zum anderen durch Arbeitsausfall und vorzeitige Berentung.

Patienten mit chronischer Schmerzkrankheit leiden seit vielen Monaten bis Jahren an mehr oder weniger starken Schmerzen. Sie haben eine Reihe von Behandlungsversuchen hinter sich, die sich oftmals auf unterschiedliche Diagnosen stützen, jedoch nicht den erhofften Erfolg brachten. Beeinträchtigungen auf verschiedenen Ebenen des Verhaltens und Erlebens sind die Folge: Der gefühlte Schmerz ist nicht mehr Warnsignal, sondern ist zu einer eigenständigen Krankheit, der Schmerzkrankheit, geworden.

Viele chronische Schmerzpatienten wissen nicht wie sie mit dieser Krankheit umgehen sollen. Nicht nur dass sie sich aus dem normalen Leben zurück ziehen, weit schlimmer sind die Gedanken des Suizids, weil sie den Schmerz und somit ihr Leben als unerträglich empfinden. Soweit sollte es nicht kommen. Gegen die Schmerzen kann etwas getan werden. Die Multimodale Schmerztherapie hilft dem chronischen Schmerzpatienten mit dem Schmerz umzugehen und ihm dadurch ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

Was ist die Multimodale Schmerztherapie?

Wenn die Seele nicht schreien kann, dann tut es stellvertretend der Körper. Dann kann man sich vortsellen, was passiert wenn der seelische Schmerz ständig da ist, dann ist auch der körperliche Schmerz ständig parat. Ein Ausweg kann die multimodale Schmerztherapie sein. Im interdiszilpinären Schmerzzentrum der Fachklinik Enzensberg werden dazu verschiedene Therapien miteinander kombiniert und verknüpft. Kernstück ist die Schmerzbewältigungsgruppe. Parallel abgesprochen erfolgen Verhaltens- und Bewegungstherapie mit Entspannungsverfahren, physikalischer Therapie und zusätzlich, aber nicht obligatorisch, Medikamente. Betrachtet und behandelt wird also nicht nur die physische, sondern auch die psychische Seite, die den Schmerz nicht unerheblich beeinflussen kann.

Schmerz ist eine vielschichtige Sinnesempfindung, die jeder Mensch anders wahrnimmt. Unterteilt wird er generell in zwei Kategorien: den akuten und den chronischen Schmerz. Im Gegensatz zum akuten Schmerz, der dem Körper ein Warnsignal für körperliche Unstimmigkeiten oder eventuelle Überbelastung meldet, funktioniert der chronische Schmerz eigenständig. Er entwickelt sich zu einem eigenen Krankheitsbild. Eine unimodale Therapie, also eine rein medikamentöse Behandlung, schlägt dann meist nur kurzfristig an. Wird diese abgesetzt, werden die Schmerzen oft genauso stark wie zuvor. „Das bedeutet aber nicht, dass chronischer Schmerz überhaupt nicht therapierbar ist. Es liegt einfach nur daran, dass die Beseitigung der schmerzunterhaltenden Ursachen nicht in Angriff genommen wird“, erklärt Dr. Klaus Klimczyk. Seit 1999 leitet er das interdisziplinäre Schmerzzentrum in der Fachklinik Enzensberg. „Chronischer Schmerz muss ganzheitlich gesehen werden, nicht nur körperlich sondern auch psycho-sozial. Deswegen führt nur eine multimodale Schmerztherapie, also eine ganzheitliche Therapie, die sowohl Körper als auch Geist gleichermaßen behandelt, zu einer langfristigen Verbesserung“, weiß der Facharzt für Orthopädie. Viele Menschen wundern sich, wenn sie bei der Schmerztherapie im interdisziplinären Schmerzzentrum der Fachklinik Enzensberg dann plötzlich neben der körperlichen Behandlung auch psychologisch betreut werden. „Denn vielen Menschen ist gar nicht bewusst, dass ihr ursprünglich körperlich verursachter Schmerz eventuell durch ein psychisches Problem wie beispielsweise zu viel Stress, Probleme im sozialen Umfeld oder dergleichen unterhalten wird. Da ist viel Aufklärungsarbeit notwendig“, erklärt Dr. Klimczyk.

Selbstheilungskräfte aktivieren

Mit der multimodalen Schmerztherapie setzt das Team des Schmerzzentrums der Fachklinik Enzensberg genau an diesem Punkt an. Mit einer Kombination aus medikamentöser Behandlung, physiotherapeutischer Behandlung, Bewegungs- und Verhaltenstherapie sowie verschiedenen Entspannungstechniken wird den Patienten hier die Hilfe zur Selbsthilfe vermittelt. Das Kernstück der Behandlung ist die psychologisch betreute und geleitete Schmerzbewältigungsgruppe. Hier lernen die Patienten viel über sich selbst und dass ihr Schmerz nicht nur eine körperliche, sondern auch eine psychische und soziale Komponente hat. „Dieser Teil der Therapie hat neben der Erlernung eines Entspannungsverfahrens eine wichtige Informations- beziehungs weise Aufklärungsfunktion. Der Patient lernt, seinen Schmerz zu verstehen und damit besser in der Griff zu bekommen“, erklärt Dr. Klimczyk. Physiotherapeutische Behandlungen, die sich unter anderem aus individuell angepasstem Training und Belastungsberatung wie „langsam Gas geben“ zusammensetzt, ist ein weiterer wichtiger Bestandteil des Programms. Eher untergeordnete Bedeutung haben die bekannten röntgengesteuerten Injektionen, deren Sinnhaftigkeit jedoch im Team abgestimmt wird. „Die Selbstheilungskräfte des Einzelnen zu aktivieren um am Ende des Aufenthaltes in unserer Fachklinik in eine neues Leben mit weniger Schmerzen, folglich auch weniger Arztbesuchen und mehr Lebensqualität zu starten, das ist das Ziel, das wir mit unserer Therapie verfolgen“, erklärt der Leiter des Schmerzzentrums. Teamarbeit im Verbund mit dem Patienten an oberster Stelle. Das Team des Schmerzzentrums Enzensberg setzt sich aus Psychologen, Ärzten, Ergotherapeuten, Musiktherapeuten, Tanztherapeutin, Kreativtrainern und Physiotherapeuten, Masseuren, Sozialarbeitern und einer spezialisierten Pflege zusammen. Teamarbeit im Verbund mit den Patienten steht hier an oberster Stelle. Die Patienten können sicher sein, dass sie sich hier in die besten Hände begeben. Der Illusion, dass der Schmerz nach einem Aufenthalt in der Fachklinik Enzensberg komplett verschwindet, darf man sich allerdings nicht hingeben. Der bessere Umgang mit weniger Schmerzen ist deutlich wahrscheinlicher. „Bei manchen Patienten ist es tatsächlich der Fall, dass die erste Behandlung erfolgreich ist. Andere wiederum bekommen ihn erst nach dem zweiten oder dritten Aufenthalt in den Griff“, weiß Dr. Klimczyk zu berichten. Aufgrund der hohen Intensität ist es nicht möglich, die Therapie ambulant durchzuführen. Die Patienten müssen sich für mindestens drei Wochen in die stationäre Behandlung begeben.

Text: Sabina Riegger

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