Menschen

Barrieren abbauen

Arbeiten in Deutschland ist ein Privileg

„Deutschland ist ein perfektes Land. Hier ist alles so geordnet. Es ist nicht so chaotisch wie in Serbien“. Armin Hadzalic ist 19 Jahre alt. Er studiert in Belgrad Hotelmanagment und ist mit seinem Studienfreund Leon Vukosavljevic für drei Monate nach Füssen gekommen. Sie haben Glück, dass sie Deutsch sprechen und über ein Studienprogramm einen begehrten  Praktikumsplatz in Deutschland bekommen haben. Nur drei Studenten aus dem ersten Studienjahr wurden dafür zugelassen. Eines der Auswahlkriterien ist, dass sie Deutsch sprechen müssen. Für beide war das kein Problem. Leon ist in Essen geboren und ist mit seinen Eltern als vierjähriges Kind nach Serbien zurückgekehrt. Die Mutter ist auch in Deutschland geboren. Armin lebte bis zu seinem achten Lebensjahr in Frankfurt, bis sich auch seine Eltern für die Rückkehr ins Heimatland entschieden. Ihr Praktikumsgeber ist das Hotel Sonne.

Seit sechs Jahren nimmt das Hotel Praktikanten aus dem Ausland an. 17 Nationen arbeiten in dem Füssener Stadthotel, das sehr gute Erfahrungen mit Arbeitnehmern und Praktikanten aus dem Ausland gesammelt hat. „Jedes Jahr im Herbst schreiben wir für das kommende Jahr eine Bewerbung aus. Die geht an die Bundesgentur für Arbeit nach Bonn, die uns dann wiederum die Daten der Studienbewerber weiterleitet. Aus den Bewerbungsunterlagen können wir sehen, welcher Bewerber gut in unseren Betrieb passt und laden den oder die dann ein“, erläutert Hotelchef Martin Hanauer. Das Hotel zahlt ein Praktikumsgehalt, das von der Schule festgelegt wird, sämtliche Versicherungen, die Fahrtkosten sowie Unterbringung und Verpflegung der Studenten. „Wir sehen es als unsere Verpflichtung an, jungen Menschen eine Chance zu geben, hier bei uns nicht nur berufliche sondern auch soziale und kulturelle Erfahrungen zu sammeln. Auch wenn es nur für drei Monate ist. Das lohnt sich auf jeden Fall“, ist Hanauer überzeugt. „Letztendlich hilft das kulturelle Barrieren und Vorurteile abzubauen“, so der Familienvater.

Ganz andere Beweggründe brachten den 20 jährigen Ahmed Omar aus Somalia und den 21 jährigen Alhadar Sessay aus Libyen nach Deutschland. Sie sind geflohen, sogenannte Boatpeople. Dass sie die Möglichkeit haben ihren eigenen Lebensunterhalt zu verdienen, darüber sind die zwei jungen Menschen sehr dankbar. Sie haben den zweiten Schritt in ihre neue Zukunft getan, nachdem sie sich entschlossen haben zu fliehen. Nein, sie haben nichts gezahlt für ihre Flucht. Zumindest sagen sie es. Sie gehörten zu jenen, die auf einem kleinen Boot, das mit mindestens doppelt so vielen Flüchtlingen belegt war, als es erlaubt war, das Meer überquerten in der Hoffnung, dass sie nicht untergehen und irgendwo wieder festen Boden unter den Füssen bekommen. „Es war eine Odysee, nicht zu beschreiben“, sagt Alhadar Sessay. Das Geld, das sie im Hotel verdienen, können sie an ihre Familien nicht schicken. „Es ist viel zu gefährlich. Die Leute morden um viel weniger als Geld“, sagt Ahmed Omar. Seine Mutter verlor das Bein, weil sie von einer Granate getroffen wurde. Ob es die Miliz oder die somalische Regierung war, das weiss keiner. Die Fronten wechseln fast täglich. Als er die Highschool beendete, stand nicht zur Frage was er studieren wollte, sondern was ihm die Miliz und die somalische Regierung eindringlich vorschlugen. Er ist nur einer von vielen jungen Menschen in seinem Heimatland, die sich für die Flucht entschieden haben. Als er sich entschied zu fliehen, sagte er seiner Familie nichts davon. Er wollte sie nicht beunruhigen vor allem aber wollte er sie nicht in Gefahr bringen.

Alhadar Sessay erging es nicht anders. Seine Eltern stammen ursprünglich aus Mali, bevor sie dann später nach Libyen zogen. Alhadar Sessay spricht vieles aus, was sich manche nicht trauen. Er spricht offen über die Religion, die er und Ahmed Omar haben: Beide sind Moslems und wollen auf keinen Fall mit den Fanatikern in einen Topf geworfen werden. „Dass was die islamische Miliz macht gehört nicht zu unserer Religion und auch zu keiner anderen. Man kann nicht im Namen einer Religion oder eines Gottes töten. Wahrscheinlich ist das alles „hausgemacht“, weil es die Politik und die Wirtschaft gerade so brauchen“. Dass er im Hotel als Hausmeister arbeiten darf, bedeutet ihm sehr viel. Endlich freier leben, wenn auch nicht ganz frei. Er darf sich nur in Deutschland aufhalten genauso wie Ahmed Omar. Da beide arbeiten erhalten sie keine finanzielle Ubterstützung mehr. Vor einem Jahr waren das noch 279,- Euro im Monat für Essen. Die Unterkunft, ein Zimmer mit anderen Asylanten, bekamen sie kostenfrei gestellt. Heute ist das anders. „Da wir arbeiten, zahlen wir unsere Unterkunft selbst in unserem Asylantenquartier. Das sind 192,68 Euro pro Person. Wir schlafen zu zweit oder zu dritt in einem Zimmer.“ Für Alhadar Sessay wäre das alles noch in Ordnung, wenn die Auflagen die vom Landkreis an die Vermieter kommen, eingehalten werden würden. „Ich spreche hier von Tisch, Stühlen oder von einem Schrank“, so der junge Mann.

Doch bald werden Sie ihre eigene, kleine Wohnung haben und ihrem Ziel, ein normales Leben führen zu können, wieder einen Schritt näher sein. „Dafür sind wir sehr, sehr dankbar“. Beatriz und Martin Hanauer auch. Sie haben zwei neue, motivierte Mitarbeiter finden können und dadurch auch ein Signal setzen können: Man muss sich kennen lernen um Barrieren abbauen zu können.

Text · Bild: Sabina Riegger

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