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Der Natur auf der Spur

Füssen.    Jeder kennt ihn, den Lechfall am Ortsrand von Füssen. Vor 10 Jahren wurde unweit des beliebten  Aussichtspunktes mit dem schäumenden Wasser ein ganz besonderes Projekt ins Leben gerufen. Seit dem Jahr 2002 empfängt das „Walderlebniszentrum Ziegelwies“ interessierte Besucher, um ihnen das Erlebnis Wald näher zu bringen und ihr Verständnis für die Forstarbeit zu erweitern. Zwischen Alpenfluss Lech und den Steilhängen des Allgäuer Bergwaldes kann man heute auf drei künstlich angelegten Pfaden allerhand Neues in Wald, Natur und Bergen entdecken, sich in den Ausstellungsräumlichkeiten über den Bergwald informieren oder im Rahmen einer Fortbildung sein Fachwissen rund um Forst, Wald und Pädagogik erweitern.

Als das ehemalige Forstamt Füssen Anfang des Jahres 2000 von der Augsburger Straße kommend das leerstehende Zollamt nahe der österreichischen Grenze bezog, kam schnell der Wunsch auf, das unberührte Stück Natur am alten Grenzstreifen für die Öffentlichkeit sinnvoll zu erschließen. Durch die bevorstehende Schließung des nahegelegenen Grenzpolizeihäuschens eröffnete sich nun die Möglichkeit, endlich ein länger geplantes Vorhaben umzusetzen – die Schaffung eines Walderlebniszentrums (WEZ) für die Region. Leider wollte sich das zuständige Ministerium zuerst nicht auf das Projekt einlassen, da man keine rentable Zukunft für das Vorhaben sah. Andere Walderlebniszentren befänden sich in der Nähe großer Städte, und könnten deswegen mehr Besucher erwarten. Doch durch den unermüdlichen Einsatz von Robert Berchtold, dem amtierenden Forstdirektor des Forstamtes Füssen, ließ sich das Ministerium noch umstimmen. Aber nur unter der Auflage, dass das Walderlebniszentrum nicht staatlich finanziert werden würde, sondern ein Träger für die Kosten gefunden werden müsse. Also gründete man am 23. März 2000 den Trägerverein „Ostallgäu – Außerfern e.V.“, um ein solches WEZ nahe der Stadt Füssen zu planen und zu errichten. Knapp zwei Jahre vergingen dann zwischen der Idee und der Eröffnung des „WEZ Ziegelwies“. Der Verein entwickelte ein Konzept, bemühte sich um die unumgänglichen Förderanträge bei Staat und EU und organisierte die notwendigen Baumaßnahmen. In den 20 Monaten seit Vereinsgründung wurden neue Ausstellungsräume geschaffen sowie der erste Themenweg erschlossen. Auf dem „Bergwaldpfad“ haben seit der Eröffnung am 16. Dezember 2002 interessierte Besucher die Möglichkeit, die vielen verschiedenen Stationen des Pfades abzulaufen und kennenzulernen. Und im ehemaligen Polizeihäuschen brachte man Büroräume für das Personal, sowie eine Ausstellungsfläche unter. Die früheren Haftzellen mussten dem neuen WC weichen, das behindertengerecht ist.

Schnell folgten weitere
Attraktionen. Seit dem Jahr 2004 locken der „Auwald Erlebnispfad“ sowie eine vergrößerte Ausstellungsfläche die Touristen. Im Juli 2006 entstand der Weißtannen-
Pavillion, in welchem das Thema Holz zur Verdeutlichung
der Vielseitigkeit des nachwachsenden Rohstoffes umfassend behandelt wird.

2007 eröffnete das „Tal der Sinne“, ein Pfad, auf dem alle fünf Sinne des Menschen gefordert werden, indem die Natur auf neue und ungewöhnliche Art und Weise erkundet werden kann. Ein Jahr später entstand ein Parkplatz für 80 PKWs auf der österreichischen Seite des WEZ. Weitere 30 Parkplätze sind bereits 200 Meter weiter nahe dem Hauptgebäude des WEZ zu finden.
Erst in diesem Jahr hat der Bergwaldpfad einen neuen Steg bekommen. Und das Walderlebniszentrum bietet neuerdings privaten Waldbesitzern die Chance, sich durch einen zweijährigen Lehrgang ein staatlich anerkanntes Zertifikat für Waldpädagogik aneignen zu können. Dieser Lehrgang richtete sich bisher nur an Mitarbeiter der Forstverwaltung. Mit dem Zertifikat, das am Ende durch eine Abschlussprüfung erworben werden kann, sind die Waldbesitzer dann berechtigt ein entsprechendes Logo zu führen. Der Lehrgang dauert zwei Jahre. Er umfasst 18 Kurstage und 40 Praktikumsstunden. 14 Teilnehmer konnten bereits für diesen ersten Lehrgang gewonnen werden. Für das nächste Jahr strebt man einen Kurs an der Waldbauernschule Kelheim an, um mit dieser abwechselnd pro Jahr einen Lehrgang starten zu können.

„Auwald Erlebnispfad“:

· entlang des Lechfalls
· Weidentunnel
· Auwaldrutsche
· viele Überraschungen und Spielelemente
· Flussüberquerung auf verschiedene Arten
· besonders für die kleinen Gäste geeignet

„Bergwaldpfad“:

· direkter Anschluss an das Wanderwegenetz
· Märchenwald
· Riesenspinne
· Jägerhochstand
· Musikplatz

„Tal der Sinne“:

· Barfußpfad
· Matschstrecke
· Balancierpfad
· Wassertretbecken
· toller Ausblick auf die Berge
· „Riechen, fühlen, schmecken, hören und sehen“
· Kleine und Große Seenrunde

Die Erlebnispfade sind:

· barrierefrei, also kinderwagen- und rollstuhlgeeignet
· hunde-/familienfreundlich
· jederzeit zugänglich
· abenteuerlich
· erlebnisreich
· kindgerecht
· kostenfrei

Der Wald als grenzübergreifendes Freizeitangebot für Jung und Alt

Das Walderlebniszentrum Ziegelwies ist ein grenzübergreifendes Gemeinschaftsprojekt, ausgerichtet auf den Landkreis Ostallgäu in Deutschland und das Außerfern in Österreich, welches ungefähr flächengleich dem Bezirk Reutte entspricht. Es befindet sich direkt an der Grenze zwischen Bayern und Tirol und erstreckt sich über ein Areal von etwa 30 Hektar. Mit über 70.000 Besuchern pro Jahr, die zum Großteil nur auf mündliche Empfehlung hin auf das WEZ aufmerksam geworden sind, hat es sich über die vergangenen zehn Jahre zu einer wichtigen Einrichtung für Waldpädagogik und Umweltbildung entwickelt. 2007 wurde es deshalb mit dem Qualitätssiegel „Umweltbildung.Bayern“ ausgezeichnet. Dieses Qualitätssiegel bekommen Einrichtungen und Netzwerke der Umweltbildung in Bayern, die qualitativ hochwertige Bildungsveranstaltungen für eine nachhaltige Entwicklung anbieten.

Die grundlegenden Kooperationspartner sind der Trägerverein „WEZ Ostallgäu-Außerfern e.V.“ und die Bayerische Forstverwaltung über das „Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kaufbeuren“.
Weitere Kooperationen bestehen beispielsweise mit dem Tourismusverband Ostallgäu, diversen Tourismusbüros aus Füssen und den Tourismusbüros im österreichischen Außerfern, mit der Interessengemeinschaft „Tal der Sinne“, einigen Gemeinden, mit verschiedenen Vereinen und mit zahlreichen weiteren Partnern. Eine Vielzahl an Anbietern, die Veranstaltungen im Rahmen des WEZ-Programmes durchführen, unterstreichen die Wichtigkeit der Einrichtung.
Besonders hervorzuheben ist die Tatsache, dass den Besuchern ein kostenloser Eintritt zum Gelände und den Ausstellungsräumlichkeiten ermöglicht werden kann. Finanziert wird das Walderlebniszentrum hauptsächlich durch den Trägerverein, der seine Kosten in erster Linie aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden bestreitet, sowie durch Fördermittel des Freistaates Bayern und der EU als Umweltstation im Rahmen des „LEADER+/Interreg III“-Programms. Nur bei Aktionstagen müssen kleine Unkostenpauschalen erhoben werden, um beispielsweise das Bastelmaterial für die Kinder bereitstellen zu können.
Insgesamt neun feste Mitarbeiter kümmern sich um den laufenden Betrieb der Einrichtung. Matthias Landgraf, der Leiter des WEZ Ziegelwies, wird von einer Sekretärin, zwei Forstwirtschaftsmeistern, einem Waldarbeiter, einem Schreiner, einer Auszubildenden, zwei Abiturientinnen, die das Freiwillige Ökologische Jahr ableisten, und vielen weiteren freiwilligen Helfern bei seiner Arbeit unterstützt. Die beiden Forstwirtschaftsmeister und der Waldarbeiter kümmern sich dabei vorrangig um den Unterhalt der Außenanlagen, geben im Winter Motorsägenkurse für Privatpersonen oder Mitarbeiter von Kommunen, entsorgen den angefallenen Müll und kümmern sich um die Verkehrssicherung. Weiterhin sind regelmäßig zwei Stellen für Teilnehmer am Freiwilligen Ökologischen Jahr besetzt, meist von Frauen. In diesem Jahr sind es zwei Abiturientinnen, Rebecca Reichkendler und Cornelia Ammann. Sie leiten hauptsächlich die Aktionstage, sind neben Matthias Landgraf für die Führungen im Gelände des WEZ zuständig oder betreuen die kleinen Gäste auf den buchbaren Kindergeburtstagen. Die auszubildende Kauffrau im 2. Lehrjahr, Anna-Lena Linder, ist hauptsächlich für die organisatorischen Belange des WEZ zuständig und die einzige Auszubildende für Tourismus und Freizeit aus Bayern, die in der Forstverwaltung tätig ist.
Jährlich finden sich schätzungsweise zwischen 60.000 und 70.000 Besucher auf dem Gelände der WEZ ein. Da keine Eintrittsgelder erhoben werden, lässt sich die Zahl nur über durchgeführte Stichprobenzählungen der geparkten Autos schätzen. Viele Besucher kommen auch über Spazierwege vom Lechfall oder aus Schwangau, so dass die realen Besucherzahlen vermutlich noch höher liegen dürften. Das WEZ Ziegelwies ist laut Robert Berchtold das meistbesuchte Walderlebniszentrum in Bayern. Die Gründe hierfür sieht er in der hervorragenden Lage am Lechfall und der Nähe zu den Königsschlössern, der hervorragenden Anbindung an die vielen Waldpfade, dem vielfältigen Angebot an Attraktionen, sowie dem umfassenden Netzwerk mit den Unterstützern des Trägervereins aus der Region. Durch diese wirtschaftliche regionale Vernetzung bestehe eine höhere Identifikation mit der Einrichtung, als wenn es eine rein staatliche Institution wäre. Die Besuchergruppen setzen sich zusammen aus einheimischen Familien, Touristen, Schulklassen und Kindergärten.

Einigen Privatpersonen wurde auch erlaubt, sogenannte Caches für Geocaching auf dem Areal des WEZ unterzubringen. Diese Caches sind kleine Schatztruhen, die man mit Hilfe eines GPS-Empfängers und der Lösung von Rätseln an Zwischenstationen aufspüren kann. Die benötigten Koordinaten dafür findet man im Internet. Die Schatztruhen beinhalten manchmal Kleinigkeiten für den Finder sowie ein Logbuch, in das sich die Finder eintragen. Insgesamt fünf Caches kann man finden, eines davon ist ein Nachtcache, das man unter Zuhilfenahme von Reflektoren an den Baumstämmen aufspüren muss.
1,5 Millionen Euro wurden bisher für die Investitionen in das WEZ aufgebracht. 50 Prozent davon kamen aus Mitteln der EU, 30 Prozent aus Mitteln des Landes Tirol und die verbleibenden 20 Prozent stammen aus Eigenmitteln des Vereins. Der jährliche Unterhalt der Einrichtung schlägt mit 50.000 Euro zu Buche, wobei das Personal darin noch nicht berücksichtigt ist.
Der Trägerverein „WEZ Ostallgäu – Außerfern e.V.“, der in diesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen feiert, kann mit Stolz auf eine erfolgreiche Vergangenheit zurückblicken. Viele Projekte und Ideen im WEZ konnten durch die Arbeit von Walter Ganseneder als erstem Vorsitzenden und Robert Berchtold, der neben seinem Amt als Forstdirektor auch den zweiten Vorsitzenden des Vereins stellt, verwirklicht werden. Die Vereinsmitglieder werden größtenteils durch die angrenzenden Kommunen gestellt. Walter Ganseneder hat übrigens eine ganz besondere Verbindung zum WEZ, denn er war über viele Jahre als Leiter der Grenzpolizei im ehemaligen Grenzpolizeihäuschen tätig, welches jetzt die Büroräume für die Mitarbeiter des Walderlebniszentrums beherbergt.

Für den zukünftigen Ausbau des WEZ hat der Verein noch einiges vor. So ist seit längerem ein Baumkronenpfad in Planung, der in Österreich seinen Anfang nehmen soll und die Besucher durch die Baumkronen des Auwaldes zum WEZ-Gebäude führt. Ein Geologiepfad soll den Interessierten die Möglichkeit geben, sich mit der Geologie der Alpen auseinanderzusetzen. Und auf dem Weg des Bergwaldpfades ist ein neuer Irrgarten vorgesehen. Doch es wird noch einige Zeit vergehen, bis diese Ideen umgesetzt werden können. „Wir haben einen Überschuss an Ideen, aber die personellen Möglichkeiten sind gering“, meint Robert Berchtold dazu. Da das Personal bereits mit den vielen Führungen und den Aktionstagen ausgelastet ist, bleibt einfach keine Zeit, um die neuen Projekte zum Ausbau in Angriff zu nehmen. Und für zusätzliches Personal sind leider keine Mittel mehr vorhanden.

Text: sk · Bilder: WEZ

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