Wirtschaft

75 Jahre Hotel Geiger

Im Wandel der Zeit

Wenn er die Wahl gehabt hätte, dann wäre Karl Geiger lieber Flugzeug-Mechaniker geworden als Koch. Aber manchmal hat das Leben etwas anderes mit einem vor, und aus welchem Grund auch immer, beugt man sich dem. „Vielleicht hätte ich auch nein sagen können, aber dann dachte ich mir, die Eltern wissen es vielleicht besser. Ich war noch jung und hatte keine Vorstellung“, so der 84-Jährige. Heute würde er den Beruf nicht mehr wählen. Erst vor kurzem feierte er ein Jubiläum: 70 Jahre Koch und seit 75 Jahren gibt es das Hotel Geiger in Hopfen am See.

Angefangen hat alles 1950, als die ersten Sommerfrischler, wie man damals die Touristen nannte, ins Allgäu kamen. Eine touristische Infrastruktur wurde peu á peu aufgebaut, um es den Gästen so angenehm wie möglich zu machen. Auch die Familie Geiger ließ sich auf den Tourismus ein und eröffnete eine Weinstube. Da war Karl Geiger sieben Jahre alt. Acht Jahre später war er Koch-Lehrling in einem erstklassigen Hotel in München. „Das Regina-Palast-Hotel am Maximilianplatz war ein Luxushotel“, erinnert sich Karl Geiger. Den Ausbildungsplatz bekam er über seinen Lehrer vermittelt, der die Münchner Familie persönlich kannte.

„Aus der Provinz gleich in die Großstadt war anfangs sehr ungewohnt. Es gab Zeiten, da wollte ich wieder nach Hause zurück. Aber das war unmöglich. Was hätten die Leute gesagt. Aufgeben kam nicht in Frage“, erzählt Geiger. Also machte er das Beste daraus. Er wohnt bei Verwandten und so oft es ging schaute er sich ein Fußballspiel von 1860 an. Die Bayernliga gab es damals noch nicht. „Das war auch mitunter das Einzige, was ich in meiner Freizeit machen konnte. Wenn jemand Koch war, dann ist das gesellschaftliche Leben an einem vorbeigegangen. Man arbeitete am Wochenende und an den Feiertagen. Ein 12-Stunden-Arbeitstag war die Regel und das sechs Tage in der Woche. Das war üblich“, beschreibt Karl Geiger seine Lehrzeit.

Die Berufsschule war am Rosenheimer Platz, zu der er einmal in der Woche ging. Einen Blockunterricht gab es damals nicht. „Mit heute ist das alles nicht vergleichbar. Es ging ziemlich rau in der Küche zu. Es waren riesige Gruppen mit hunderten von Essen. Da war jeder angespannt und da ging es dann ziemlich laut zu.“

Neue Eindrücke bekam der 84-Jährige nach der Lehrzeit auch durch andere Betriebe, in denen er als Koch auf verschiedenen Posten gearbeitet hat. „Meine Eltern haben es nicht gerne gesehen, dass ich in Schickimicki-Restaurants arbeite, weil sie der Meinung waren, dass ich das bei uns zu Hause so nie anwenden kann“, erzählt der Hopfener. Dennoch war er in angesehenen Restaurants „unterwegs“ und brachte viel Input mit nach Hause. Da war er 26 Jahre alt. Während seiner Wanderzeit lernte er seine Frau Maria Franziska in Oberstdorf kennen. 1967 heirateten sie und 1974 haben sie den Betrieb übernommen, nachdem aus der kleinen Weinstube ein Hotel geworden war, das dieses Jahr sein 75-jähriges Bestehen feiert.

Das Hotel erzählt eine bewegende Geschichte familiärer Gastfreundschaft im Allgäu. Dabei reichen die Wurzeln der Familie zum Auerberg und nach Eschach, wo die Eltern des heutigen Seniorchefs herstammten. Eine besondere Rolle spielte Ehefrau Maria Franziska Geiger, die alle nur als „Petra“ kannten – ein Name, den sie während ihrer Zeit in Bad Reichenhall erhielt, wo sie als sechste Maria kurzerhand umbenannt wurde. „Es war eine glückliche Zeit mit meiner Frau. Sie war mit dem Betrieb verwachsen. Sie war eine großartige und wertvolle Person“, blickt Karl Geiger auf die schöne Zeit zurück.

Jetzt zieht sich der Seniorchef aus der Küche zurück. „Ich bin kein biologischer Wunderkörper“, lacht der 84-Jährige. Sein Sohn Klaus Geiger, der das Hotel 2014 übernahm, hat, anders als sein Vater, den Beruf des Kochs aus Überzeugung gewählt. Heute führt er den 60-Betten-Betrieb mit etwa 20 Mitarbeitern. Er weiß, dass die Branche vor großen Herausforderungen steht: Steigende Energie- und Warenkosten, Personalmangel und veränderte gesellschaftliche Gewohnheiten prägen das Geschäft. Die Nachwirkungen der Pandemie wirken sich heute noch auf die Hotel- und Gastronomiebranche aus. Sie steht im Wettbewerb mit anderen Wirtschaftszweigen, die oft bessere Arbeitsbedingungen bieten, insbesondere geregelte Arbeitszeiten und mehr Freizeit und auch moderne Ausbildungskonzepte.

„Wir müssen umdenken“, so Klaus Geiger. Viele seiner Kollegen und Kolleginnen haben bereits umstrukturiert. Auch er muss sich neu ausrichten. Er will eine „gestaffelte Reservierung ohne Zeitbegrenzung“ einführen. Statt die Hälfte des Restaurants zum Beispiel um 19 Uhr und die andere Hälfte um 20 Uhr zu belegen, werden Reservierungen in kleineren Blöcken vergeben. Das führt zu einem gleichmäßigeren Fluss von Bestellungen. „Durch gestaffelte Bestellannahme ermöglicht die Küche eine qualitativ hochwertige und fehlerfreie Zubereitung. Die Gäste genießen ohne Zeitdruck ihren Aufenthalt und profitieren von besserem Service und kürzeren Wartezeiten. Diese Organisation erlaubt uns eine optimale Personalplanung, reduziert Überstunden und fördert ein positives Arbeitsklima – ein wichtiger Faktor für langfristige Mitarbeiterbindung“, erklärt Klaus Geiger und hofft damit dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und auch den Stress des À la Carte-Geschäftes für die Küche zu minimieren.

Info
www.hotel-geiger.de

Text · Foto: Sabina Riegger

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