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Zeit für eine große Reise

Anfang Dezember ist es so weit, dann beginnt die große Weltreise von Claudia Lutz. Die 58-Jährige aus Reutte hat sich lange darauf vorbereitet und freut sich auf das große Abenteuer, dass jetzt auf sie zukommt. Blauäugig geht sie aufs ihre „Lebensreise“, wie sie es nennt, nicht.

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„Ich habe mir das ganz genau überlegt. Es war ein großer Wunsch von mir, der jetzt in Erfüllung geht.“ Damit sie sich ihre Reise finanzieren kann, hat sie ihr Leben umgekrempelt. Ihre große Wohnung hat sie gekündigt und stattdessen eine kleinere Wohnung gemietet. Auch das Ausgehen hat sie auf ein minimales reduziert und das „Kleiderkaufen“ stellte sie ganz weit hinten ein. 

Viele ihrer Möbel hat sie entweder verkauft oder verschenkt. „In meiner kleinen Wohnung habe ich diesen Platz nicht mehr. Anfangs fiel mir die Umstellung schwer. Doch dann merkte ich, dass mir dieser minimalistische Lebensstil gefällt. Es ist befreiend“, erzählt sie.  

Die gebürtige Brasilianerin, die seit 1996 in Reutte lebt, kommt aus Salvador, einer Großstadt aus dem Nordosten Brasiliens.  Als sie 1992, bepackt mit Rucksack, nach Deutschland kam, lernte sie einige Leute kennen, die ihr Reutte zeigten. „Ich sprach kein Wort Deutsch und mein Englisch war furchtbar. Aber es gab noch die Sprache des Herzens“, sagt sie lachend. Das kleine Städtchen fand sie schön, so dass sie nach wenigen Jahren in die kleine Tiroler Stadt zurückkehrte und schnell Anschluss fand.

Nach 28 Jahren packt sie ihren Rucksack erneut. Ihr erstes Reiseziel wird Brasilien sein. Sie will Freunde, Nachbarn und Menschen wiedersehen. „Ich freue mich schon sehr darauf, weil es auch eine Reise in die Vergangenheit sein wird. Ich habe in Brasilien meine Kindheit verbracht. Viele Verwandte leben noch dort. In Brasilien sind meine Wurzeln und je älter ich werde bekomme ich Sehnsucht.“

Bei einigen Freunden und Bekannten wird sie übernachten können. „Ansonsten suche ich mir Unterkünfte die bezahlbar sind. Eine Luxusreise wird das nicht, aber das soll es auch nicht sein“, sagt sie. Von Brasilien aus geht es weiter nach Argentinien, Uruguay, Paraguay, Chile, Peru. Danach geht es mit dem Bus nach Bolivien, Kolumbien und Venezuela und wieder nach Brasilien zurück in das Indianerreservat zu den Yanomami. Amerika und Kanada stehen genauso auf ihrer Liste sowie Asien und Afrika. Sie will nach Tansania, dort hat ihre Tochter ein Projekt, das sie sehen möchte. 

Ein Jahr hat Claudia Lutz Zeit, um neue Menschen und Länder kennenzulernen. Dass sie die Möglichkeit bekam Auszeit zu nehmen, hat sie ihrem Arbeitgeber zu verdanken. Nach ihrem Sabbatical Jahr wird sie in ihrem Beruf als sozialpädagogische Begleitung wieder anfangen. Wie lange sie an einem Ort bleiben möchte, weiß die Mutter von drei erwachsenen Kindern nicht.

„Ich lasse alles auf mich zukommen.“ Die Packliste für ihren großen Rucksack, hat sie bereits fertig. Es ist nicht viel, was sie mitnehmen will: Ein paar Kleidungsstücke, auf jeden Fall die Wanderschuhe sowie ihre Kamera, ein Tagebuch und ein Diktiergerät. Damit sie ihre Reise auch körperlich gut schafft, hat sie eineinhalb Jahre darauf trainiert und ist täglich gelaufen, um so ihre Kondition zu stärken. 

Angst vor ihrer „Lebensreise“ hat die 58-Jährige nicht. Sie hat vorgesorgt wie zum Beispiel den täglichen Kontakt mit ihren Kindern. „Sie werden wissen, wo ich bin, was ich gerade mache oder vorhabe. Vielleicht treffen wir uns irgendwo auf meiner Reise. Das wäre schön“, hofft Claudia Lutz. Viele ihrer Freunde und Freundinnen finden ihre Idee gut. Manche machen sich Sorgen, andere finden sie mutig und die Letzteren wollten ihr die Reise ausreden.

Auf die Frage, warum jetzt, antwortet sie: „Wenn nicht jetzt wann dann? Die letzten Jahre waren hart. Während der Coronazeit war ich krank. Ich konnte mich nur langsam erholen. Dann starb unerwartet ein guter Freund von mir. Das hat mich noch einmal zurückgeworfen. Da habe ich mir gedacht: ‚Ich muss etwas an meinem Leben ändern‘.“ Als sie die Zusage von ihrem Arbeitgeber bekam, dass sie ein Jahr Auszeit nehmen kann, ging es auch gleich an die Planung. Dabei half ihr die Reisekauffrau Alexandra Pede. 

Allmählich kommt die Aufregung. Sie ist bereit. Nur noch wenige Dinge hat sie zu erledigen. Das Auto wird bei einem guten Freund geparkt, die Postsendungen sind umgeleitet, wichtige Medikamente hat sie dabei und die Impfungen sind auch durch. Mit ihren Freunden und Freundinnen wird sie sich noch treffen, sich ein paar gutgemeinte Ratschläge anhören, vielleicht werden auch ein paar Tränen fließen… 

Text·Foto: Sabina Riegger

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