Kolumne

Joghurt und…

Das Gefühl, wenn die Musik läuft und man jeden Ton und jedes Wort so sehr fühlt, bis einen die Endorphine übermannen, man Gänsehaut bekommt, tanzen und unbedingt mitsingen will, nein, sogar mitsingen muss, aber den Text oder die Sprache gar nicht sicher kann, es dann aber trotzdem macht- gibt es etwas Schöneres?

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Das ist wie Karaoke, nur ohne Mikrofon und Liedtext, ohne Publikum und Bar, und trotzdem die beste Party, das beste Gefühl, die wildeste Achterbahnfahrt.

Da gibt es dieses Lied, mein Lied, mein Garant für vier Minuten und achtunddreißig Sekunden Tanzen, Hüpfen und Mitsingen. Das Lied ist im neapolitanischen Dialekt gesungen. Es ist eine Mischung aus Verlangen und Emotionen, aus Jazz, Funk, Electro, Retro, Nu Disco, Folk, und Boogie. Klingt wild, ist es auch.

Aber es kickt sogar, wenn ich flachliege. So wie neulich:

Ich war also krank und unglaublich müde. Gefühlt war ich eine Zahnpastatube mit tiefen Knickfalten, die im Becher steht und nur darauf wartet, dass der absolut allerkleinste Rest Zahnpasta mit einem kräftigen Daumen gleitend aus ihr herausgedrückt wird.

Aber diese Tube wollte ich nicht mehr länger sein.

Also öffnete ich meine Musikbibliothek und drehte lauter: mein Lieblingslied Tienaté fing an. Und mit ihm dieses Gefühl, die Party im Herzen und das Kribbeln im Bauch. Mit belegter Stimme grölte ich kryptisch mit und schloss die Augen.

Jetzt war ich zurück. Zurück an dem Ort, an dem ich mein Lied zum ersten Mal hörte:

Ein leichter Wind weht. Er lässt die bunten Stoffstreifen der Girlanden zwischen den großen Bäumen durch die warme Luft tanzen. Die Isar glitzert im Sonnenlicht. Manche halten ihre Füße ins Wasser, andere nippen an ihren Getränken und unterhalten sich oder tanzen zur Musik, die aus der Jurte hallt.
Da kommt mein Lied. Die Stimmung ist fast schon magisch, so wie dieser Ort hier.

Noch nie zuvor habe ich das Lied gehört, aber nach dem ersten Refrain singe ich los. Irgendwas, irgendwie. In keiner identifizierbaren Sprache, aber das ist egal.

Ich muss an einen Ausdruck aus dem Französischen denken: „Yaourter”. Yaourter bezieht sich auf das Wort Joghurt, aber es bedeutet etwas anderes. Und ich bin der lebende Beweis dafür. Es bedeutet, dass man in einer Sprache spricht oder singt, die man nicht gut beherrscht, aber so tut, als ob, was sich aber nicht nach echter Sprache anhört, sondern eher so, als würde man durch Joghurt singen. Ich kann kein Italienisch und noch weniger Neapolitanisch, aber ich kann wie durch Joghurt singen, als gäbe es kein Morgen.

Mein Vorschlag: Mehr Joghurt, mehr singen, mehr tanzen, mehr im Moment sein, mehr Konventionen hinter sich lassen und noch viel mehr von diesem Gefühl der vier Minuten und achtunddreißig Sekunden für uns alle…

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