Kolumne

Im Sommer

Kurze Nächte und lange Tage, Kälte, meistens Regen, manchmal Sonne, Pollenflug und Halbzeit- noch nie war der Juni so präsent für mich. Jedenfalls kommt es mir so vor. 

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Gestern rief meine Freundin aus Leipzig an. Und das Erste, was sie sagte, war:  „Die Hälfte des Jahres ist rum! Kannst du das glauben?” Und im ersten Moment konnte ich es nicht. Aber der viele Regen, die Kälte und der graue Himmel holten jegliche Gefühle aus mir heraus, nur nicht das wärmende, kribbelnde Gefühl, wenn die Sonne die nassen Haare langsam trocknet und die erste Portion Pommes in der Pappschale auf dem Gras neben dem Badehandtuch steht. 

Meine Gefühlswelt war eine andere. Sie war ungefähr so:

Frühling: Zwei Monate 
Sommer: Sieben Minuten 
Herbst: Drei Wochen
Winter: Acht Jahre

Und ich steckte im letzten Punkt fest.

Bis zum Telefonat mit meiner Freundin.

Die erste Hälfte des Jahres war also vorüber. Weg und vorbei. Aber ich wollte mich diesem Gefühl nicht länger hingeben und so versuchte ich mich an das zu erinnern, was mir der Juni bisher beigebracht und mitgebracht hat. 

Und da fiel mir einiges ein: vor allem aber meine erste eigene Tischtennisplatte. Die Platte ist genauso alt wie ich. Und weil ich dazu neige, geliebten Objekten einen Namen zu geben, entschied ich mich für Ludger.

Ludger war ein Geschenk von meinem Mann. Und ich könnte glücklicher nicht sein, würde Ludger seit seinem Einzug nicht zusammengeklappt in der Garage auf seine ersten, richtigen Amateur-Turniere warten, die selbstverständlich barfuß ausgetragen werden müssen. Aber Ludger ist mit seinen 34 Jahren sehr nässeempfindlich. Auch das verbindet uns.

Aber die Gewissheit, dass das gute Stück im Trockenen auf uns und mich wartet, gibt mir ein gutes Gefühl. Draußen regnet es. Das Thermometer zeigt schlappe elf Grad, ich friere und mein Kind hat heute Morgen nach Spekulatius gefragt.

Aber Ludger tröstet mich auf eine subtile Art, wie es keine andere, neue Tischtennisplatte je könnte. 

Ludger hat schon viele Sommer auf dem Buckel. Und der nächste kommt bestimmt. Ein Sommer mit uns. 

Der Sommer draußen- und der Sommer in uns.

Ich glaube, die Tischtennisplatte löst Vorfreude in mir aus. Und ist bei der Vorfreude nicht schon das Glück auf dem Weg?

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