Essen & TrinkenLeben

Verpackungsmüll

Das Pro und Contra von unverpackten Lebensmitteln

Wirft man einen Blick auf das Sortiment deutscher Supermärkte, erkennt man sofort, dass Verbrauchsgüter größtenteils verpackt sind, manchmal sogar doppelt und dreifach. Der Verbraucher hat oftmals keine Möglichkeiten, Waren ohne oder mit wenig Verpackungsmaterial zu erwerben, obwohl sich laut einer Umfrage der deutschen Verbraucherzentrale 87% der Konsumenten ein größeres Angebot an verpackungsfreien Produkten wünschen würden. Dies führt zu alarmierenden Zahlen. Deutschland produziert deutlich mehr Verpackungsmüll, als es in anderen Ländern der Fall ist. In konkreten Zahlen aus dem Jahr 2016 bedeutet das: 18 Millionen Tonnen Verpackungsmüll pro Jahr alleine in Deutschland und somit 227kg pro Einwohner und Jahr. Dass die Tendenz immer weiter steigt, lässt sich deutlich erkennen, wenn man die Zahlen aus früheren Jahren betrachtet. Verglichen mit dem Jahr 2009 mit 15 Millionen Tonnen Verpackungsmüll pro Jahr, ist die Menge seither um etwa 20% gestiegen.

Neben dem Titel als Europameister in der Produktion von Verpackungsmüll ist Deutschland jedoch europaweit auch das Land, in dem am meisten davon wieder recycelt wird. Laut Zahlen des Umweltbundesamts werden hierzulande siebzig Prozent des Verpackungsmülls wiederverwertet, bei Plastikverpackungen hingegen nur weniger als 50%. Jedoch werden bereits bei der Produktion von Verpackungsmaterialien enorme Mengen an Wasser, Energie und Rohstoffen verbraucht. Die dadurch freigesetzten Treibhausgase, vor allem Kohlenstoffdioxid, tragen erheblich zum Klimawandel bei und lassen ihn immer schneller voranschreiten. Viele Verpackungen werden zusätzlich nur einmal benutzt, besitzen somit also keinen nachhaltigen Mehrwert.

Somit kann die Verpackungsmüllproblematik auf Grund der zunehmenden Quantität an Gütern und zeitgleich fehlender Qualitätsstandardisierung der verwendeten Materialien nicht nur durch überarbeitete Recycling-Systeme gelöst werden. Vielmehr ist es notwendig, an Maßnahmen und Innovationen zu arbeiten, durch die der Müll gar nicht erst entsteht. Deshalb bedarf es eines bewussteren Verhaltens der Konsumenten und Änderungen im Verantwortungsbereich der Hersteller. Eine sich immer weiter verbreitende Innovation sind beispielsweise Unverpackt-Läden, die durch ihr Zero-Waste-Konzept die Produktion von Verpackungsmüll weitestgehend vermeiden.

Doch warum werden Lebensmittel eingepackt? Laut dem Gesetz der Lebensmittelverpackung geht es darum, den Verbraucher vor potenziellen Gefahren und Verunreinigungen zu schützen. Unverpackt-Läden sind ebenso wie herkömmliche Supermärkte Geschäfte, in denen Lebensmittel, Kosmetik und andere Verbrauchsgüter erworben werden können. Der große und revolutionäre Unterschied besteht jedoch darin, wie die Produkte angeboten werden und woher sie stammen. Im Gegensatz zu üblichen Supermärkten versuchen Unverpackt-Läden ihre Waren in möglichst großen und wiederverwertbaren Gebinden zu erhalten. Die angebotenen Waren werden vor Ort in große Spender umgefüllt, aus denen sich die Kunden dann ihre gewünschten Produkte in eigene Behältnisse abfüllen können. Das Konzept hat den Vorteil, dass der Kunde über die gekaufte Menge selber entscheiden kann. Der Einkauf wird somit bedarfsgerechter und es werden potentiell weniger Lebensmittel weggeworfen. Allgemein geht es bei dem Konzept der Unverpackt-Läden also darum, dem Kunden einen möglichst verpackungsarmen und gleichzeitig bedarfsgerechten Einkauf zu ermöglichen. Dass dieses Konzept auch von den Konsumenten angenommen wird, zeigt sich darin, dass die Anzahl der Unverpackt-Läden in den Dach-Regionen Deutschland, Österreich und Schweiz steigen.

Doch sind Unverpackt-Läden wirklich so umweltfreundlich?

Christian Möller, Inhaber des Bio-Ladens „Naturkost Möller“ in Füssen, bietet vereinzelte Waren ohne Verpackungen an und hat sich bewusst gegen den Wandel in einen reinen Unverpackt-Laden entschieden. Sein Geschäft hat eine Ladenfläche von 120 Quadratmetern. Eröffnet wurde der Laden 1991.

Der Geschäftsmann bietet neben verpackten Produkten auch viele unverpackte Waren an. Verschiedene Getreidesorten, Nüsse und weitere Lebensmittel, können sich die Kunden aus großen Säcken in ihre eigenen Verpackungen abfüllen. Neben Putzmittel dürfen auch Waren, die an der Frischetheke angeboten werden, mit Absprache der Lebensmittelaufsicht, in eigene Behältnisse gepackt werden. Für Obst und Gemüse stehen den Kunden zurzeit noch kompostierbare Plastiktüten zur Verfügung, die aus Mais hergestellt werden und keine Erdölprodukte enthalten. Geplant ist aber, dass in absehbarer Zeit auf spezielle Papiertüten umgestellt wird. Um Kunden zu motivieren, eigene Verpackungen mitzubringen, spendet „Naturkost Möller“ pro Einkauf, bei dem kein Verpackungsmüll produziert wird, 30 Cent an eine wohltätige Organisation. Somit kommen im Jahr zwischen 400 Euro und 500 Euro zusammen.

Vor einigen Jahren überlegte Christian Möller, eine etwa fünf Meter lange Wand mit Lebensmittelspendern in den Laden einzubauen, um noch mehr unverpackte Waren anbieten zu können. Die Idee konnte aus Platzmangel nicht umgesetzt werden. Andererseits fand er heraus, dass viele Waren, die in großen Säcken geliefert werden, trotzdem in Plastiksäcken verpackt sein müssen, um den Inhalt vor Schädlingen zu schützen, gerade wenn die Lebensmittel verschifft oder mit dem Flugzeug transportiert werden. Da der Plastiksack aus sehr dickem Plastik besteht, macht dies den Gedanken, das Produkt dann unverpackt zu verkaufen, komplett widersprüchlich. „Generell spart man nicht viel mehr Plastik, wenn es in einem dicken Plastiksack geliefert wird, als wenn die Ware in kleineren dünnen Plastiktüten steckt. Außerdem ist die Säuberung der Behälter, in denen unverpackte Waren angeboten werden, problematisch. Reste, die beispielsweise in einem Getreidesack sind, dürfen nicht in den Behälter nachgefüllt werden, wenn dieser nicht komplett leer und gesäubert ist. Oft kann man das allerdings nicht vermeiden, wenn Reste trotzdem verwendet werden sollen. Das Problem zeigt sich dann nach einigen Jahren in Form von Schädlingen wie Kornkäfern und Mehlmotten“, so der Geschhäftsinhaber.

Mittlerweile gibt es auch neue Behältersysteme, die zwar wesentlich teurer, aber auch hygienischer sind. Die neuen Systeme haben in den Behältern zwei Kammern. Die vordere beinhaltet die Ware exemplarisch in einer abgeschlossenen Kammer, damit der Kunde sehen kann, was er kauft und immer einen scheinbar komplett gefüllten Behälter vor sich hat. Die hintere Kammer, die für den Kunden nicht sichtbar ist, beinhaltet das eigentliche Produkt, das der Kunde sich dann abfüllt. Diese Kammer kann leicht ausgespritzt beziehungsweise gereinigt werden, wenn das Produkt leer ist und anschließend wieder neu aufgefüllt wird. Für Möller ist es sinnvoll, Waren wie Getreide oder Putzmittel unverpackt anzubieten. „Bei einigen Produkten lässt es sich aber nicht vermeiden, eine Verpackung zu verwenden. Vor allem Fertigprodukte, wie beispielsweise Tofu, funktionieren nicht ohne Verpackung“, erklärt der Fachmann. Ein ebenso großes Problem, wie das des enormen Verpackungsaufkommen, sieht Christian Möller darin, wie mit dem daraus entstehendem Müll umgegangen wird. Dieser wird zwar in Deutschland recht gut recycelt, jedoch aber größtenteils nicht hier verwertet oder verbrannt. Stattdessen wird viel davon in andere Länder exportiert, die den Müll direkt im Meer entsorgen oder aufgrund von schlechteren Filteranlagen in den Müllverbrennungsanlagen viel mehr Schadstoffe in die Luft abgeben.

Christian Möller sieht für die Zukunft die Streckenläden näher an der Realität liegen, als reine Unverpackt-Läden. „Ein wichtiger Aspekt ist allerdings das Umdenken der Konsumenten. Jeder müsste sich die Frage stellen, welche Lebensmittel brauche ich wirklich und welche nicht. Ob es immer die weit hergeflogene Banane sein muss, oder ob man nicht mit regionalen Lebensmitteln genauso zufrieden sein kann.“

Text: Franziska Prinz/Sabina Riegger · Grafik: Statista

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