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Befreiend

Wer das Ziel kennt, kann entscheiden; wer entscheidet, findet Ruhe; wer Ruhe findet, ist sicher; wer sicher ist, kann überlegen; wer überlegt, kann verbessern. Konfuzius

Im weitesten Sinne war es Horst Lichter, der Carmen Möglich deutlich machte, dass es an der Zeit ist ihr Leben umzukrempeln. Es war eine seiner Veranstaltungen, zu der sie hinging, weil Freunde und ihr Mann dafür Karten besorgten. Er sprach von Haselnusspesto und vom Kochen. Erst als er von seinem Freund erzählte, der ihm anhand eines Bandes zeigte, wie kostbar seine Zeit und sein Leben sind und wie viel er davon noch hat, hörte sie ihm aufmerksam zu. „Als er sagte: Du hast keine Zeit dich länger über diese Arschlöcher der Welt aufzuregen, wusste ich es wird sich in meinem Leben etwas ändern“, erzählt sie. Zu dem Zeitpunkt war sie 48 Jahre alt und der Entschluss stand fest, dass sie neu anfangen wird. „Erst da begriff ich wie schlecht es mir ging. Ich meine, wer gibt eine gesicherte Existenz auf und ein Friseurgeschäft, das erfolgreich lief?“

Carmen Möglich war ausgebrannt, sie war in einer Situation gefangen nicht mehr vorwärts gehen zu wollen und erst recht nicht mehr nach hinten zu schauen. Und doch musste es irgendwie weitergehen. „Wir hatten im Ort ein großes Friseurgeschäft. Wenn man bekannt ist wird man ständig bewertet. Wie sieht man aus, was macht man, was sagt man – alles. Irgendwann wurde mir das zu viel“, erzählt sie heute.

Im Nachhinein weiß sie, dass es Millionen Dinge gab, die dazu führten und keineswegs mit ihrem Beruf zu tun hatten. Es waren die Lebensumstände, die Zeit, in der sie wenig selbst entscheiden konnte, wie zum Beispiel ihren Beruf. „Ich wollte in den Sanitätsdienst. Aber das war erst mit 21 Jahren möglich. Meine Eltern haben mich so lange bearbeitet, bis ich am gleichen Abend einen Lehrvertrag im benachbarten Dorf unterschrieb. Ich sollte Friseurin werden. Die Ausbildung war kein Zuckerschlecken. „Meine Chefin war sehr streng und wenn sie schlechte Laune hatte, dann durften wir draußen im Winter die Schaufenster ohne Handschuhe putzen. Und ich dachte mir, wenn Du das jetzt machen musst, dann mache es gut“. Als sie ihre Meisterprüfung ablegte, war sie mit ihrem Sohn hochschwanger.

Dass ihr neues Leben im Allgäu beginnen sollte war klar. Ihr Hobby, das Motorradfahren, brachte sie immer wieder in die Region. Heute ist sie glücklich darüber, ihren festen Platz gefunden zu haben. Vieles sieht sie aus einer anderen Perspektive. „Ich habe es geschafft meine Fesseln abzuschneiden und mich nicht mehr unter Druck setzen zu lassen“, sagt sie. Ihr Beruf macht ihr Spaß, sie hat Ideen und sie ist eine taffe Geschäftsfrau. Ihr Sohn ist in Hessen geblieben, während die Tochter und ihr Mann mit ins Allgäu kamen. Ihr Friseurgeschäft im Hopfener Dreieck läuft gut.

Ihre angenehme, zurückhaltende Art, ihre Erfahrung und Wissen im Beruf schätzen die Kunden und Kundinnen sehr. Sie ist diejenige die lieber zuhört als erzählt. Jetzt hat sie den Kopf frei für das was ihr am Herzen liegt. Ihre neue Idee der Nachhaltigkeit, die sehr gut ankommt. Ihre Kunden dürfen ihre Handtücher selbst mitbringen. Pro mitgebrachtem Handtuch spendet das Friseurgeschäft einen Euro in die Spendenbox. „Somit reduzieren wir Wäsche und können Wasser und Energie einsparen. Am Ende des Jahres spenden wir dann das Geld an eine gemeinnützige Organisation.“ Carmen Möglich bietet ihren Kunden auch das Auffüllen ihrer Shampooflaschen an. Dabei sparen sich die Kunden 20% vom Einkaufspreis. „Im Salon benutzen wir nur Dinge die in Deutschland hergestellt sind und hier auch ihre Zulassung haben. Und wo wir auch 100 Prozent dahinter stehen. Mit dem Auffüllen der Shampooflaschen wollen wir Alle dazu motivieren weniger wegzuwerfen und somit weniger Müll zu produzieren.“ Für Carmen Möglich war die Welt noch nie schwarz oder weiß, sondern immer schon ganz schön bunt. Und dazu gehört es auch zu sich selbst zu stehen.

Text: Sabina Riegger · Foto: Margarete Häfelein

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