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König Max II. von Bayern und die Tracht

Während der Oktoberfestzeit, das sich 1842 bereits zum zweiunddreißigsten Mal jährte. In jenem Jahr wurden zu Ehren seiner Heirat mit Prinzessin Marie von Preußen fünfunddreißig Brautpaare, aus unterschiedlichen Regionen des Königreichs, samt deren Hochzeitslader, Familien und all ihrer Gäste auf die Wiesn eingeladen. Der “Hochzeiter”-Zug umfasste fast vierhundert Personen in den unterschiedlichsten bayerischen Trachten. Ein farbenprächtiges und imposantes Spektakel. Endlich konnte man die bayerische Tradition wieder in ihrer ganzen Vielfältigkeit bewundern. Bis auf diese Gelegenheit sah man Mitte des 19. Jahrhunderts die Tracht nur noch selten. Sie war “aus der Mode” gekommen und in den Schränken und Truhen der Bevölkerung verschwunden. Schon kurz nach Maximilians Hochzeit, also noch während seiner Kronprinzenzeit, äußerte er den Wunsch, mehr über die verschiedenen bayerischen Traditionsgewänder, ihre Herkunft und ihr Aussehen zu erfahren. Das Interesse war damals noch ganz privater Natur. Im Jahr 1848, nachdem Max König geworden war und sich die revolutionären Unruhen im Land wieder gelegt hatten, griff er das Thema “Tracht” wieder auf. Nur diesmal nicht aus reinem privatem Interesse, jetzt steckte auch ein politischer Gedanke dahinter. König Max II. von Bayern wusste, die Tracht ist etwas ganz Besonderes, etwas Einzigartiges, nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer Vielfältigkeit.

Ab dem 28. Mai 1853 machte Max II. die Förderung der bayerischen Trachten und somit deren Erhaltung zur Aufgabe des Königreichs Bayern und dessen Staatsapparates. Er erteilte den Befehl, dass Abbildungen der jeweiligen regionalen Trachtengewänder angefertigt werden sollten. Diese mussten für jeden einsehbar an den dazugehörigen Rathäusern angebracht werden. Die Jugend wurde zum Tragen von Trachtengwand animiert und man ermutigte die Bevölkerung nicht nur im Alltag, sondern auch bei festlichen Anlässen, Jubiläen und Hochzeiten in der traditionellen Kleidung zu erscheinen. König Max II. lies sogar Prämien an diejenigen ausstellen, die sich dem Erhalt des Gewandes ihrer Region verschrieben hatten. Die Resonanz auf diese Trachtenerhaltungsaktion war gigantisch. Im ganzen Land war die Tracht wieder in aller Munde und wurde aus den Untiefen der Schränke und Kästen ans Sonnenlicht geholt. Bei Tombolas verloste man Trachtenstoffe, Bildnisse von unterschiedlichen Trachten wurden angefertigt und verteilt, man schickte Trachtenpaare auf die Wiesn und sogar Pfarrer und andere Geistliche predigten das Tragen und die Wichtigkeit dieser traditionellen Kleidung von der Kanzel.

Am 4. April 1859 wurde die Miesbacher “Gesellschaft der Gemütlichkeit” angemeldet, ein Vorgänger der späteren Trachtenvereine. Das traditionell bayerische Gwand erfuhr eine noch nie zuvor dagewesene Rettungsaktion. Und auch der König selbst lebte das Gewünschte vor, indem er in Lederhose zur Jagd ging und die Tracht zur “hoffähigen” Kleidung machte. Egal zu welchem Anlass und in welcher Umgebung, ob zu Hause oder in der Öffentlichkeit, ob im Alltag oder bei festlichen Anlässen, selbst am bayerischen Königshof – die Tracht war willkommen und als vollwertige Kleidung anerkannt. Sie wurde zum Allround-Kleidungsstück. Zum “Alles-Könner”. Max II. war es darüber hinaus sehr wichtig, dass die bayerischen Bürger nicht gezwungen wurden, diese traditionelle Kleidung zu tragen. Er wollte, dass sie es aus Überzeugung taten, nicht aus Zwang. Der König sah in der Tracht mehr als nur eine schlichte Kleidung, vielmehr sah er darin, „die im Volk gewachsenen Traditionen, die es unbedingt wert sind bewahrt zu werden“ unabhängig von Stand und Region. “Es ist von großer Wichtigkeit, auch in Bayern das Nationalgefühl zu leben und zu kräftigen“, notierte der König.

Doch nicht nur die Tracht, die ganze Bandbreite der Volkskunde wurde von König Max II. von Bayern gefördert. Gesang, Dichtung, Mundart, Musik und Erzählungen waren für ihn von großer Bedeutung.

Zur Errettung der bayerischen Kultur gab er schließlich die “Bavaria – Landes- und Volkskunde des Königreichs Bayern” in Auftrag. Nur in dieser, acht Bände umfassenden Literatur, ist ganz Bayern mit seiner Tradition in allen Facetten genauestens beschrieben. Dieses Werk ist bis heute einzigartig. Nach Maximilians Tod 1864 wurde die Trachtenbewegung träger. In manchen Gegenden Bayerns war sie schnell wieder verschwunden. Gerade einmal die Jäger trugen noch ab und zu eine Lederhose.

Und wieder fiel dieser Zustand einem Mann negativ auf. Diesmal keinem Adeligen, sondern einem Lehrer. Sein Name war Josef Vogl. Er wollte sich dem Verschwinden der Tracht entgegenstellen und gründete am 25. August 1883 (am 38. Geburtstag König Ludwigs II. von Bayern) den ersten “Gebirgstrachten-Erhaltungsverein” Bayerns, nachdem er einige andere Männer dazu überreden konnte, sich auch Lederhosen schneidern zu lassen.

Viele Dörfer und Städte zogen nach und gründeten ebenfalls ihre eigenen Trachtenvereine. So festigte sich diese bayerische Tradition nach und nach. 1890 wurde es Zeit, die Vielzahl der neu gegründeten Vereine unter einem Dachverband zu organisieren.

Man sieht, die Tracht erlebte über die Jahrhunderte ein immerwährendes Auf und Ab. War es im 17. und 18. Jahrhundert noch normal Tracht zu tragen, verschwand sie im 19. Jahrhundert fast vollständig. Nur durch den Einsatz Einzelner konnte ihr gänzliches Verschwinden verhindert werden. Gott sei Dank! Denn man stelle sich vor, wie Bayern ohne Tracht aussehen würde. Was wäre das bayerische Heimatgefühl ohne Tracht. Auf dem Münchener Oktoberfest möchte jeder, egal aus welchem Land, oder aus welchem Kulturkreis er stammt, ein bisschen von diesem bayerischen Heimatgefühl spüren können. Ja sogar Chinesen oder Amerikaner tragen dort Dirndl und Lederhosen. König Max II. von Bayern hatte vollkommen recht. Tracht ist viel mehr als nur Kleidung. Sie ist ein Stück Lebensgefühl, ein Stück Heimat.

Text: Vanessa Richter, Kulturvermittlerin
im Museum der bayerischen Könige in Hohenschwangau
Foto: Hubert Riegger

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