Kolumne

Andere Länder, gleiche Sitten

Ich bin die, die vollbepackt mit Kühltasche, Sonnenschirm und Handtüchern á la Güteklasse AAA der Touristen- Manier an der Promenade steht und mit Argusaugen nach dem schönsten und ruhigsten Fleckchen Strand Ausschau hält. Die, die das Meer unendlich liebt, aber sich nicht weiter rein traut als sie stehen kann. Die, die die Mittagssonne fast „bien cuit“ , wie die Franzosen hier sagen, durch brät. Und ich bin die, die stolz denkt Schokolade und Wein bestellt zu haben, aber „Coq au vin“ bekommt.

Die, die sogar im Urlaub jeden Morgen um halb sieben geweckt wird und ihre innere Uhr dafür hasst. Und die, die jetzt keine Ahnung hat, was sie so früh machen soll. Und deswegen erstmal beschließt, das Feriendomizil zu verlassen, um die Camping Anlage unsicher zu machen.

Aber gerade mal bis zur Terrasse kommt, weil sie feststellt, dass außer ihr auch der holländische Touri-Kollege aus Haus 103 von gegenüber schon wach ist und im Gegensatz zu ihr nicht mit Dutt, Schlafhemdchen, Socken, Adiletten und Kamera gerade auf Erkundungstour gehen wollte, sondern sich schon produktiv auf dem eigens mitgebrachten Fahrrad-Hometrainer verausgabt.

Ich bin die, die jetzt hofft: „Bitte, hat er mich jetzt nicht gesehen!“ Aber drei Sekunden später feststellen muss, dass er es doch hat, fröhlich rüber winkt und quer über den Platz ruft: „Sie schauen sich der Anlage jetzt an, ja?! Nett!“

Nett?! Hilfe. Ich bin die, die sich ertappt fühlt. Und sich spontan was aus den Fingern saugt: „Ach so. Nein, nein. Ich bin ja noch im Schlafanzug! Die Kamera ist hier bei mir, weil sie ins Auto muss! Da muss sie hin! Immer.“

Und ich bin natürlich auch die, die jetzt vor dem Auto steht. Ohne Schlüssel. Dafür aber im direkten Sichtfeld auf das Schlafdress. Man(n) radelt jetzt nicht nur , sondern schaut auch direkt auf „Juicy“. Den Schriftzug auf der Rückseite.  Genau, unterhalb der Gürtellinie. Ja, zwischen Steißbein und Kniekehle.

Und die, die am Auto rum hantiert, als würde es gleich aufgehen und sich zwischen „Juicy“, Adiletten und Dutt abtastet, als hätte sich der Schlüssel irgendwo dazwischen versteckt. Hat er sich aber nicht. Wie auch, wenn er auf dem Kühlschrank liegt.
Ich bin die, die wieder in Richtung Terrasse geht. Die, die vorhin die Türe zugezogen hat. Die, ohne Schlüssel. Die, die sich jetzt das Spinning-Training des niederländischen Opis anschauen muss. Die, die schon beim Zuschauen schwitzt. Die, die hofft, dass die restliche Anlage endlich erwacht.

Und die, die den restlichen Urlaub, Morgens länger liegen bleiben wird.

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