Kolumne

Die Glücksformel

Ach, übrigens …

Ich glaube, die Harmonie zwischen Wartebereichen und mir liegt beinahe bei Null. Denn immer dann, wenn es heißt „Bitte nehmen Sie doch noch einen Moment im Wartezimmer Platz!“, weiß ich, dass es höchstwahrscheinlich nicht bei einem Moment bleiben wird, sondern dieser sich zu einer Kette vieler Momente ausdehnen wird und ich damit zum Warten verdammt wurde.

Bevor ich mich dann also nach einem 45-minütigem Moment zu fragen beginne, ob ich im Wartezimmer vielleicht vergessen wurde, versuche ich direkt nach der Aufforderung mich doch noch irgendwie in Sichtweite der Damen am Empfang zu platzieren. Hab ich ein Plätzchen erspäht, dann versuche ich mein Glück:

„Ach, der Stuhl hier vorne wäre ja auch noch frei. Würde es Sie vielleicht stören, wenn…“ „Links hinten ist der Wartebereich! Nehmen Sie dort Platz!“
Naja, was soll´s. Jetzt habe ich wenigstens mal wieder ein kleines bisschen Zeit, um Zeitschriften und Magazine durchzublättern, die sonst eigentlich nicht zu meinem persönlichen Repertoire gehören. Und so stoße ich gleich auf eine Frauen-Zeitschrift vom vergangen Dezember. Ein Artikel darin hat es mir dann aber doch angetan- „Der große Glücksreport.“

„Ihre beste Freundin schwebt nach fünf Jahren immer noch auf Wolke sieben, startet im neuen Job direkt voll durch, macht neben dem Yoga- und Pilates-Training neuerdings auch noch diesen ziemlich angesagten veganen Kochkurs für trend- und körperbewusste Kulinariker und ist ganz nebenbei auch noch total glücklich. Immer und überall…
Doch was ist Glück, wie spürt man es und kann man glücklich sein lernen? Wir verraten es Ihnen mit dem Happy-to-go-Test. So finden Sie Ihre ganz persönlichen Glücksformel für jeden Tag.“

Gesagt, getan und dank dem Test hab ich es jetzt auch ganz offiziell… Ich bin glücklich! Von 30 möglichen Kleeblättern konnte ich immerhin 23 beim Test sammeln. Um mein Ergebnis aber zu optimieren und wie angepriesen meine persönliche Glücksformel zu finden, lese ich mir dann auch noch den Auswertungsteil auf der nächsten Seite durch.

„Reden Sie sich Ihr Glück ein! Manchmal ist das die beste Methode, um wirklich glücklich zu sein. Stellen Sie sich vor, Sie würden mit geschlossenen Augen an Ihrem Lieblingsort liegen. Über Ihnen wäre dann ein Megafon, das immer wieder die gleichen Sätze wiederholt, bis Sie es tief in sich spüren und daran glauben:
…Was auch immer schief läuft, so soll es sein und das ist auch gut so! Ich bin glücklich…“ Also, ein gewisses Maß an Zweck-Optimismus ist bestimmt nicht verkehrt. Aber um alle Kleeblätter sammeln zu können, soll ich mir tatsächlich vorstellen in Süd-Frankreich am Meer zu liegen, den Sand und die Sonne zu genießen und mir währenddessen Lügen von einem Megafon einreden zu lassen?
Nein, danke! Also wirklich nicht!

Aber vielleicht sollte ich den „Glücksreport“ einfach mitnehmen und an ein ganz bestimmtes Wegschild kleben, das ich neulich bei einer Wanderung zufällig entdeckt habe. Auf dem Schild klebt ein Sticker mit den Worten:  „Staat. Nation. Kapital. Scheisse.“

Einreden hilft wahrscheinlich doch manchmal, das Megafon dann aber vielleicht auch…

Herzlichst, V. Ademi

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