Kolumne

Mombie

Ach, übrigens …

„Hatte Stress. Morgen rufe ich an. Geh hin.“
Dass eine SMS heutzutage  mehr als 35 Zeichen zulässt, interessiert meine Schulfreundin meistens mäßig bis gar nicht. Dafür immer schön kurz und knapp und mit einem leicht hektischen Unterton. Das sieht ihr ähnlich. Dafür freue ich mich aber umso mehr auf unsere Telefonate und hoffe, dass sie dann mehr als nur Drei-Zeiler spricht.

„Mombie! Du?! Und ich bald auch!“
„Äh, ich? Ja. Also, nein! Was redest du da überhaupt? Ich freue mich auch Dich zu hören…“

Das Gespräch beginnt ohne die üblichen Verhaltensnormen wie einer Begrüßung zum Beispiel, statt dessen werde ich gleich mit einer Art kuriosen Abänderung eines Haikus belehrt.

„Du glaubst ja gar nicht wie viele Mombies es tatsächlich gibt!“

Gott sei Dank, sie spricht in ganzen Sätzen zu mir. Aber leider verstehe ich nach wie vor nicht, von was sie da eigentlich redet.
„Wie, du weißt nicht was ein Mombie ist? Du bist bestimmt schon selber einer!“
Schön, jetzt beschimpft sie mich auch noch. Glaub ich zumindest…
Dann erklärt sie mir, dass ein Mombie eine Kreuzung der englischen Wörter Mom und Zombie sei. Resultierend also ein Mombie. Jene Mütter, die vor lauter Stress, Hektik, Schlafentzug und Termindruck eine Metamorphose zu einem „Mutter-Monster“ durchwandeln. So stünde es zumindest in ihrer total hippen „Mommy“, einer Zeitschrift für werdende Mütter zwischen 20 und 30 Jahren.

Sie erklärt mir, dass sie jetzt auch Angst davor hat, sich irgendwann vor ihrem Kind auf dem Klo verstecken zu müssen, um wenigsten dort fünf Minuten ihre Ruhe zu haben. Außerdem würde sie bestimmt nie wieder irgendwo pünktlich erscheinen können. Ganz zu schweigen von ihren Klamotten, die ständig nur mit Babyspucke, Durchfall oder Popel bedeckt sein würden.

Eigentlich würde ich gerne lachen, sehr gerne sogar, vor allem wegen der Sache mit dem Klo. Aber sie ist schwanger, das heißt, ihre Hormone schweben in Ekstase, die Blase will mittlerweile alle 30 Minuten entleert werden und die Füße sind um das doppelte angeschwollen als üblich. Also verkneife ich mir meine Witze über ihre Klo-Ängste.

Meine Freundin liegt mir am Herzen, also versuche ich sie zu beruhigen und erkläre ihr meine Sicht der Dinge. Vorher aber bitte ich sie noch, diese Überhaupt-Nicht-Hippe-Zeitschrift zu verbannen, am besten aufs stille Örtchen. Für den Fall der Fälle. In einem Punkt muss ich ihrer „Mommy“ leider doch Recht geben, die Sache mit der Pünktlichkeit. Mit einem Kind von A nach B zu gelangen kann oft etwas länger dauern als gewohnt. Zum Beispiel dann, wenn man beim Rausgehen die Mütze, das Schmusetuch oder die Feuchttücher vergessen hat, oder dann, wenn man beim Einsteigen ins Auto feststellen muss, dass die Windel unerträglich riecht und die Konzentration beim Autofahren dadurch erheblich beeinträchtigt wäre. Immer dann heißt es zurück zu A.

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und eine Mutter sowieso. Den Spucke-Geruch auf der eigenen Kleidung nimmt man irgendwann einfach nicht mehr wahr, Popel werden gekonnt vom T-Shirt gespickt und die Sache mit dem Durchfall lässt sich auch regeln: Wäsche waschen, Wäsche waschen, Wäsche waschen!
„Hab keine Angst! Du wirst sehen, das eigene Baby in den Armen zu halten ist das Schönste auf der ganzen Welt! Da ist so ein A-A-Fleck auf deinem neuen Pulli fast schon eine Verzierung, die dich stolz macht…“

 

Herzlichst, V. Ademi

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