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Eine kleine Gemeinde mit viel Potential

Im Gespräch mit Nesselwangs Tourismuschef Robert Frei

Nesselwang.    Er war der Mann der ersten Stunde, als es darum ging, Nesselwang touristisch besser zu positionieren. Mit der Gründung des Werbepools und der Marketing GmbH ist ihm mit seinen Mitstreitern etwas gelungen, wovon größere Gemeinden träumen: nämlich mehr Budgetmittel speziell für Marketing zu haben und schnellere Entscheidungen treffen zu können. Tourismuschef wollte Robert Frei nicht unbedingt werden. Sein Beruf als selbständiger Grafiker forderte ihn genug und die Arbeit in der Kommunalpolitik sowieso. Erst als er für drei Monate kommissarisch die Stelle des Tourismus-Geschäftsführers übernahm und Freunde aus der Marktgemeinde ihm nahe legten sich für diese Stelle zu bewerben, dachte er darüber nach. Erst ein Urlaub in Skandinavien brachte ihn dazu, sich damit auseinander zu setzen. Füssen aktuell traf sich mit dem gebürtigen Münchener zu einem Gespräch und wollte mehr über den Tourismus in Nesselwang und ihn selbst wissen.

Seit 2003 sind Sie nun in Nesselwang Tourismuschef. Wie sind Sie nach Nesselwang gekommen? Ich habe Grafikdesign studiert und Kaufmann gelernt. Über die Agentur Tanner bin ich nach Nesselwang gekommen und habe dort von 1979 bis 1987 gearbeitet. Danach habe ich bis 2003 meine eigene Agentur gehabt.

Am Anfang prallten sicher zwei Welten aufeinander. Auf der einen Seite München mit seinem Großstadtflair und auf der anderen Seite Nesselwang, der ruhige Allgäuer Ort. Wie sind Sie damit klar gekommen?
Die erste Zeit, gerade wenn man alleine ist, war ein wirkliches Problem. In München hat man einen Riesensupermarkt und in Nesselwang einen Tante Emma Laden. In München ist man anonym und hier kennt jeder jeden. Man muss sich erst einmal daran gewöhnen. Ich habe sehr gerne die Anonymität gegen diese Offenheit ausgetauscht. Es ist schön, dass man seinen Metzger, Bäcker, … kennt. Dass sind große Vorteile. Was wirklich enorm ist, ist der Freizeitwert. Den gibt es nicht überall.

Wenn man viele Jahre selbstständig ist, will man nicht unbedingt in ein festes Arbeitsverhältnis übergehen. Was war bei Ihnen der Grund, dass Sie die Stelle des Tourismuschefs angenommen haben?
Diese Frage kann ich gar nicht wirklich richtig beantworten. Das Hauptthema in meiner Agentur war Tourismus, ich habe immer damit zu tun gehabt, genau so wie ich mich politisch engagiert habe. Geändert hat sich an meiner Arbeit nicht viel. Meine Kunden sind jetzt meine Kollegen. Vier Wochen Finnland haben bewirkt, dass ich mich in Nesselwang als Geschäftsführer beworben habe, weil ich plötzlich das Wesentliche gesehen habe. Ich hatte den Eindruck, dass ich das machen muss. Ich habe den Werbepool, die Satzung, alles was damit zu tun hat, mitgegründet. Die Stelle wie sie damals ausgeschrieben war, passte auf mich. Es war ein neuer Anreiz.

Im öffentlichen Leben zu stehen, bedeutet auch angreifbar zu sein. Hat Sie das nicht abgeschreckt? Wenn man 17 Jahre freiberuflich war, dann lernt man mit Druck umzugehen. Man ist grundsätzlich immer angreifbar, besonders dann, wenn man eine konsequente Linie vertritt. Aber wenn klare Aufgaben gestellt sind, dann muss man die auch lösen. Die letzten zehn Jahre hat man das gut gemeistert. Es hat sich vieles positiv verändert. So etwas geht allerdings nur in Gemeinschaft und nicht im Alleingang. Tourismus ist nicht mehr Prospekte verschicken, Tourismus ist mittlerweile so vieles. Deswegen ist das Thema so reizend.

Nesselwang hat eine Marketing GmbH. Füssen wollte eine. Was ist das Besondere an dieser GmbH? Ich habe durch die GmbH ganz andere Möglichkeiten. Da ist mehr Spielraum drin, um touristische Maßnahmen umzusetzen. Mit der GmbH wurde eine neue Plattform geschaffen. Der Werbepool mit 135 Mitgliedern ist einer der Gesellschafter, die Gemeinde Nesselwang der zweite Gesellschafter. Es ist eine besondere Form, ich wüsste nicht, wo es sie sonst noch gibt. Fakt ist, dass sie sich so bewährt hat – sonst hätten wir das alles, wie es ist, nicht geschafft. Mit der Form einer GmbH können wir schneller handeln. Vor allem ist unser Marketingbudget von den Betriebskosten getrennt. Die Gemeinde übernimmt zu 100 Prozent die Betriebskosten.

Wer trägt dann das Marketingbudget? Die Mitglieder des Werbepools zahlen einen gewissen Marketinganteil, der nach einem Schlüssel aufgelistet ist, in den Budget-Topf und die Gemeinde verdoppelt den Betrag.

Sozusagen ein Public-Privat-Partnership, also eine öffentlich private Partnerschaft?
Ja, so kann man es sagen.

Nesselwang ist eine kleine Gemeinde mit viel Potential und liegt irgendwie abseits in der touristischen Landschaft. Wie schaffen Sie es, sich da richtig zu positionieren? Nesselwang ist typisch allgäuerisch – der Allgäuer ist zukunftsorientiert und innovativ, und da kann sich Nesselwang gut positionieren. Innovation heißt, dass man auf seine Wurzeln zurückschaut. Nesselwang ist kompakt, man kann viele Dinge auf kurzem Wege anbieten. Auf der anderen Seite muss man sich auf bestimmte Sachen konzentrieren. Wie kann man die Räume drum herum nutzen? Die strategische Stärke ist, dass wir die ersten Berge haben, die man sieht, wenn man von der  Autobahn kommt. Der Tourismus fängt vor der Haustüre an, allerdings geht das nur mit Qualität. Da haben wir Nachholbedarf – aber wir sind auf einem guten Weg.

Was ist genau der Leitfaden von Nesselwang? Liebenswert, authentisch und mittendrin.

Sie nehmen quasi diese gesonderte Stellung Nesselwangs positiv auf und machen sie zum Leitfaden?
Aber natürlich. Wir sind mittendrin, liebenswert und authentisch. Jeder, der bei uns Urlaub macht, hat es nicht weit in die große Stadt aber auch nicht zur Kultur, sprich Schlösser. Nesselwang hat nichts Spezielles. Wir müssen mit Ideen eine Nasenlänge voran sein. Ich möchte Ihnen einige Beispiele aufzählen: Wir haben eine klasse Beschneiungsanlage, die erste Kombibahn Deutschlands, den ersten Flutlicht-Funpark, den ersten Nordic Walkingpark der mittlerweile der größte in Deutschland ist, Laufarena, Gehzeitenweg – der Tourismus ist der Koordinator dieser Geschichten. Das geht nur mit den Partnern, insofern ist die Vernetzung im Ort sehr wichtig. Nesselwang hat das Potential, der Blick ist nach vorne gerichtet. Neben Füssen wird Nesselwang auch ein Portal-Ort bei der Wandertrilogie werden.

Nesselwang ist also auf dem besten Weg nach oben?

Nesselwang hat bislang viel erreicht. Doch wie gesagt im Alleingang ist so etwas nicht möglich. Gemeinsam kann man noch viele andere Ziele erreichen.

Vielen herzlichen Dank für das Gespräch.
Ich danke Ihnen für das Interesse.
Interview: rie · Bild: oh

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