
Eine tolle Knolle
Sie werden sich wahrscheinlich fragen, wie ich auf dieses Thema komme. Ich habe für meine Verhältnisse das erste Mal im großen Stil Kartoffeln angebaut, nicht im Beet, dafür gibt es leider keine Möglichkeit in unserem Garten, sondern in sog. Pflanzsäcken. Einfach ein paar Saatkartoffeln hinein, mit Erde bedecken und abwarten. Na, mehr als schiefgehen konnte es ja nicht! Ich hatte zwei Sorten, einmal eine violettfarbige und dann noch so kleine, Drillinge genannt, die mal übrig geblieben waren und bereits auskeimten. Anfang September haben wir dann nachgeschaut, was wohl daraus geworden ist. Von der Ausbeute war ich echt begeistert! Lustigerweise sind aus den kleinen festkochenden große mehlige geworden, warum auch immer. Davon essen wir heute noch!
Die Kulturgeschichte der Kartoffel, die zu den Nachtschattengewächsen gehört, wie auch die Tomaten, Auberginen oder Paprika, ist schon sehr alt. Sie stammt ursprünglich aus dem Südwesten Südamerikas und lag bereits vor 8000 Jahren domestiziert vor. Wie man wohl auf die Idee gekommen ist, sie nicht roh, sondern gekocht zu genießen, ist nicht bekannt. Sie hatte viele Namen, allerdings bei den Inkas hieß sie „Papa“. Unter diesem Namen lernten die Spanier sie dann im 16. Jahrhundert kennen und brachten sie auf ihren Schiffen mit nach Europa. In Italien erhielt sie dann z.B. wegen ihrer Ähnlichkeit mit Trüffeln den Namen „Tarathopholi“, bis sich dann in unserem Sprachgebrauch der Name Kartoffel entwickelte. Aber nach wie vor gibt es je nach Region einen eigenen Begriff, man denke nur an unser Nachbarland Österreich – hier spricht man von Erdäpfeln.
Den Europäern die Kartoffel im wahrsten Sinne des Wortes „schmackhaft“ zu machen, war gar nicht so einfach. Auf die Britischen Inseln soll sie ohne Umwege über Spanien gekommen sein, ob durch Francis Drake oder Walter Raleigh ist nicht bekannt. Allerdings ist in Irland ihr Anbau ab 1606 nachgewiesen, und noch vor dem Ende des 17. Jahrhunderts hatte sie sich dort zu einem der Grundnahrungsmittel entwickelt. Das war alles prima, bis die große Hungersnot aufgrund der Kartoffelfäule viele Iren zum Auswandern zwang….
Doch nun zu uns nach Deutschland: die bekannteste Geschichte ist sicherlich die darüber, dass Friedrich II. große Mühe hatte, den Anbau von Kartoffeln bei der Bevölkerung durchzusetzen. Man musste die Menschen förmlich zu ihrem „Kartoffelglück“ prügeln. Durch einen Trick hat er es dann doch geschafft: er ließ einen Kartoffelacker von Soldaten bewachen und verleitete somit die Bauern zum Stehlen der vermeintlich wertvollen Pflanzen. Am Anfang gab es allerdings noch Probleme: viele aßen die oberirdischen Früchte, die nicht ganz ungiftig sind und ziemliche Bauchschmerzen verursachen, bis es endlich klar war, die unterirdischen Knollen gekocht zu genießen. Gar nicht so einfach, oder?
Die Einführung der Kartoffel in Europa blieb allerdings nicht ohne Schattenseiten. Als Haupternährungsquelle des Volkes verbesserte sie zwar die Ernährungsmöglichkeiten der Landbevölkerung nach der Katastrophe des Dreißigjähren Krieges und zahlreichen Seuchen zunächst einmal stark, besonders in Irland.
Als dann aber am Anfang des 19. Jahrhunderts aus Amerika auch Kartoffelkrankheiten eingeschleppt wurden, waren diese Monokulturen vollkommen schutzlos. Eine Missernte folgte der anderen und verursachte Hunger bei einem Großteil des Volkes. Viele Millionen Menschen verhungerten in Europa. Sehr hart traf es dann eben die Iren. Die große Hungersnot zwischen 1845 und 1852 kostete etwa zwei Millionen Menschen ihr Leben. Wer es sich irgendwie leisten konnte, wanderte aus, meist in die USA. Bei uns in Deutschland wurden in den Nachkriegsjahren zahlreiche öffentliche Grünanlagen umgenutzt, um Kartoffeln anzubauen.
Sind Kartoffeln eigentlich gesund? Das kann ich definitiv mit einem „ja“ beantworten. Außer, dass sie sehr gut sättigen, haben sie noch andere Vorteile. Sie enthalten praktisch kein Fett. Lange Zeit galten sie ja als Dickmacher der Nation – und das ganz zu Unrecht! In Wirklichkeit sind die Knollen sogar relativ kalorienarm, denn sie bestehen zu 80% aus Wasser. 100 g liefern gerade einmal 70 Kalorien und sind damit für einen Speiseplan zum Abnehmen geeignet.
Am allerbesten ist es, wenn man sie nach dem Kochen abkühlen lässt und erst am nächsten Tag verarbeitet. Bis dahin hat sich eine resistente Stärke gebildet. Das sind kristallisierte Stärkebestandteile – eine Form der Stärke, die dem Körper weniger Energie in Form von Kilokalorien liefert. Außerdem sinkt nun der sog. „glykämische Index“, und beim Verzehr steigt der Blutzuckerspiegel nur langsam an. Das hält länger satt. Natürlich gilt das nicht für stark verarbeitete Produkte wie Pommes frites, Chips oder Kroketten. Sie enthalten sehr viel Fett und häufig auch ungünstige, ungesättigte Fettsäuren.
Soviel zum ernährungstechnischen Aspekt, aber es gibt auch viele andere gesundheitliche Vorteile. Außer der Stärke enthält die Kartoffel noch Ballaststoffe, Eiweiß, Vitamine, vor allem die der B- Gruppe, Vitamin C, Mineralstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe. Durch das Kochen wird die Stärke eben verdaulich und liefert dem Körper die nötigen verwertbaren Kohlenhydrate. Rötliche und blaue Kartoffelsorten, von denen ich ja dieses Jahr das erste Mal welche angebaut habe, enthalten als Farbstoffe zusätzlich Flavonoide und Anthocyane.
Manche dieser sog. sekundären Pflanzenstoffe sind sogar in der Lage, Bakterien, Pilze oder Viren zu bekämpfen. Sie können den Cholesterinspiegel senken, gegen Entzündungen wirken und auch den Blutzuckerspiegel sowie die Immunreaktionen des Körpers positiv beeinflussen. Geschmacklich werden sie als nussiger und würziger beschrieben als ihre gelben Verwandten. Das kann ich auf jeden Fall bestätigen, die Farbe ist halt ungewohnt. Aber das Experiment hat sich definitiv gelohnt!
Aber nun kommen wir richtig in den medizinischen Bereich: 36% der Deutschen hatten schon einmal mit Sodbrennen zu kämpfen. Viele greifen dann zu Antazida oder Protonenpumpenhemmern. Aber wussten Sie eigentlich, dass die gute alte Kartoffel hier auch helfen kann ? Sodbrennen kann auf zweierlei Weise entstehen: einmal, dadurch, dass die Klappe zwischen Magen und Speiseröhre nicht richtig schließt und so ein Rückfluss zustande kommt oder durch die physiologische Variante, die beispielsweise nach einer sehr fetten Mahlzeit entsteht.
Zusätzlich leidet man an unangenehmem Aufstoßen und einem Druckgefühl hinter dem Brustbein. Bei häufigen Beschwerden können sogar Zahnschmelzschäden und Reizhusten als Begleitsymptome beobachtet werden. Chemische Medikamente helfen natürlich schon, sind aber eigentlich nichts für eine Langzeittherapie.
Alternative: Kartoffelsaft! Je nach Intensität der Beschwerden begleitend oder auch alleine. Die weit unterschätzte Knolle wirkt säureregulierend, bildet durch den hohen Schleimstoffanteil einen Schutzfilm auf den Schleimhäuten im Magen-Darm-Bereich, hat einen hohen Ballaststoffanteil sowie eine hervorragende Mineralstoffdichte. Alles Eigenschaften, die bei Sodbrennen deutlich zur Milderung der Beschwerden beitragen können.
An eine weitere spezielle, sensible Zielgruppe ist hier auch zu denken: die Schwangeren, die ja oft unter Sodbrennen zu leiden haben. Sie wünschen sich natürlich eine Alternative zu den gebräuchlichen Medikamenten, das ist ja verständlich. Kartoffelsaft hat weder Neben-noch Wechselwirkungen oder eine Symptomverschlimmerung zur Folge. Das ist doch prima!
Eine Pilotstudie von 2006 hat einmal die Wirkung untersucht: Nach einwöchiger Einnahme von 100 ml Kartoffelsaft pro Tag verbesserten sich bei Patienten mit Sodbrennen zu etwa zwei Dritteln die Beschwerden sehr, sehr deutlich. Und das Ganze ohne Nebenwirkungen! Kartoffelsaft müssen Sie sich natürlich nicht selber herstellen, den gibt es bereits fertig zu kaufen. Sie essen die feine Knolle lieber gekocht, in welcher Variation auch immer…
Zum Schluss ein Tipp zur Lagerung: es gibt sie ja meist in Folie oder Netzen verpackt, oft in Mengen, die ein kleiner Haushalt gar nicht so schnell aufbrauchen kann. Kartoffeln mögen es generell kühl, feucht und dunkel, aber der Kühlschrank ist definitiv nicht der richtige Ort. Dort ist es zu trocken, die Kartoffeln keimen schnell aus und verlieren so wertvolle Inhaltsstoffe. Besser ist die Speisekammer oder der Keller. Bei mir ist es die Garage, da ist es dunkel und kühl. Schön nebeneinander legen ist auch wichtig und falls welche faulig oder von Schädlingen befallen sind, sofort aussortieren, denn sonst stecken sie die anderen an.
Bei mir geht es nächstes Jahr weiter, vielleicht noch im größeren Stil, im Sinne von „Die dümmsten Bauern haben die größten Kartoffeln“. Ich fühle mich da in keinem Sinne beleidigt, ich glaube, wer diesen Spruch erfunden hat, war nur neidisch auf seinen Nachbarn…
Ihre Apothekerin
Simone Wagner



