
Alles begann im Jahre 1980, als Ursula Schmidt, in Ihrer Funktion als Diakons-Gattin die Sternsinger-Aktion in Rieden ins Leben gerufen hat. Bis zum Jahr 1990 kam sie, damals noch mit den Ministranten und ihren eigenen Kindern und nur auf Bestellung, zu den Einwohnern nach Hause, um den Segen der katholischen Kirche weiterzugeben. Ab 1990 konnte die heute 82-jährige es dann durch ihre Arbeit als Pfarrhelferin in Rieden möglich machen, mit mehreren Gruppen ohne Anmeldung von Haus zu Haus zu gehen und an jedes Haus den Segen weiterzugeben.
Die Sternsinger waren den Eheleuten Schmidt schon von Aachen bekannt. Dort befindet sich der Hauptsitz von „Die Sternsinger“, wie der Verein sich heute nennt, ein Kinderhilfswerk der katholischen Kirche, das schon im Jahre 1846 von Auguste von Sartorius gegründet wurde, damals noch unter dem Namen „Verein der heiligen Kindheit“.
Da in Rieden Brauchtum sehr gepflegt wird, werden die Sternsinger stets freundlich an den Häusern empfangen. „Hier kann man die Kinder gut einbinden und ihnen das Gefühl vermitteln, dass auch sie gebraucht werden und helfen können“, so Ursula Schmidt.
Problematisch war hingegen, dass die Menschen sehr oft die Kinder direkt beschenken wollten, was aber nicht zielführend war, da ja in erster Linie Spenden für bedürftige Kinder in anderen Ländern gesammelt werden sollten.
Man einigte sich gemeinsam mit den Kindern darauf, dass jedes Kind als „Obolus“ für die Leistung eine Entlohnung von 5,00 DM bekommen sollte. Hier zeigte sich deutlich, wie wenig eigennützig Kinder sind, denn die meisten haben ihren Obolus just nach Erhalt gleich wieder gespendet.
Mit der Zeit hat es sich dahingehend entwickelt, dass die Kinder Süßigkeiten (Schokolade) von den Riedenern bekamen. Und auch diese wurden/werden anschließend, ganz christlich, gerecht an alle Kinder verteilt. In ihrer bescheidenen Art erzählt Ursula Schmidt weiter, dass sie „letztendlich zwar der Motor“ war, aber immer zahlreiche Helfer zur Hand hatte.
Das Engagement der Bürgerinnen und Bürger ging über das Nähen der Gewänder, die Verpflegung beim Mittagstisch, Spenden der Seniorinnen und Senioren für Stoffe und über das Erstellen der Stäbe für die Sterne weit hinaus. Die Rentnerin erzählt lachend vom Besuch in Berlin im Jahre 2000 (damals noch mit Kanzler Schröder) eine nette Anekdote:
Als die Kinder im damals provisorischen Regierungsgebäude fertig gewandet gestanden sind, hat eins der Kinder gesagt: „Und wenn nachher der Schröder kommt, dann nehmt ihr alle eure Kronen ab und winkt ihm zu“.
Hier musste Ursula Schmidt dann mit folgenden Worten einschreiten: „Das machen wir nicht. Wir haben einen anderen König.“ Auch mussten die „Stern-Stäbe“ zwischendurch von den Begleitpersonen eingesammelt werden, da die Kinder anfingen, wilde Fechtkämpfe damit auszuführen. Im Zuge dessen wurde den Kindern auch wieder bewusst gemacht, dass sie Könige sind und sich auch so zu benehmen hätten.
„Aber da muss man halt einfach ein weiches Herz für die Kinder haben“, erklärt Ursula Schmidt. Das ist es ja mitunter auch, was Kinder so liebenswert macht, dass sie aus einer Unbedarftheit heraus Dinge zweckentfremden.
Als es im Jahre 2005 für Ursula Schmidt Zeit war, sich aus der Organisation und Hilfe für das Gelingen der Sternsinger-Besuche zu verabschieden, übernahmen vier engagierte Frauen aus Rieden diesen Part und beschertern so die nächsten zehn Jahre den Kindern und auch vielen Bürgern einen schönen und segensreichen Dreikönigstag. Denn für viele Menschen ist der Besuch der Sternsinger eines der Highlights im Kirchenjahr.
Ein herzliches Dankeschön geht an dieser Stelle daher an alle Bürgerinnen und Bürger von Rieden, die in all den Jahren nicht nur ihre Türen, sondern auch Ihre Herzen für die Sternsinger öffneten und hoffentlich in Zukunft noch oft öffnen werden. In den letzten Jahren konnte so sehr viel Geld gesammelt werden.
Ein Dank geht zudem an die Riedener Firmen, die immer separat besucht werden und auch mit großzügigen Spenden ihren Beitrag leisten. Es ist beeindruckend zu sehen, wie gut Rieden Jahr für Jahr im Vergleich zu anderen Gemeinden des Altlandkreises Füssen abschneidet. Mit einem Betrag von durchschnittlich mehr als 5 Euro pro Einwohner zeigt die Gemeinde ein starkes Engagement und eine hohe Solidarität.
Der gesammelte Betrag von 8.122,00 Euro im vergangenen Jahr ist ein tolles Ergebnis und spricht für die Gemeinschaft und den Zusammenhalt in Rieden. Im Vergleich zu den anderen Gemeinden der Pfarreiengemeinschaft, die im Durchschnitt zwischen 1,50 Euro und 3,00 Euro pro Einwohner sammeln, hebt sich Rieden wirklich positiv ab.
2019 hatten die Riedener Sternsinger dann wieder Glück und wurden mittels Los ausgewählt, um am Empfang der Bundeskanzlerin teilzunehmen, was natürlich erneut ein tolles Erlebnis für die Kinder war.
Erwähnenswert ist, wie es das Team um die Sternsinger auch in den schwierigen Corona-Jahren geschafft hat, den Segen an alle Häuser zu bringen. 2021 wurden Plakate gemalt, Kronen gebastelt, QR-Codes mit der Projektvorstellung, dem Segensspruch und den Liedern erstellt, um die Bürgerinnen und Bürger zu informieren.
Am Dreikönigstag wurden dann Tüten an die Häuser verteilt, in welchen sich neben diesen Infos und einer Spendenkarte auch ein kleines Stück Kreide, Weihrauch und ein Türaufkleber mit dem Segensspruch befanden. Im Jahr 2022 konnte das Motto passender nicht sein. „Gesund werden – gesund bleiben.“
Unter Einhaltung eines strengen Hygienekonzepts und Schnelltestung aller Beteiligten war es möglich, den Segen wieder persönlich auszutragen. Wie sehr sich alle Menschen über den Besuch der Sternsinger gefreut haben, kann man auch an der Summe der Spenden erkennen, die in diesem Jahr die Rekordsumme von 8.185,00 Euro einbrachte.
Im Gespräch kann bei allen Akteuren deren Leidenschaft, sehr viel Herzblut und ein gewisser Spirit gespürt werden: Kinder, die von Herzen helfen wollen, und Eltern, die sich aus voller Überzeugung ehrenamtlich engagieren. Die Organisatoren betonten alle unabhängig voneinander dass es zwar immer eine sehr stressige Zeit mit viel Arbeit war, aber jede Einzelne erinnert sich, meist mit einem Funkeln und gelegentlich auch mit etwas feuchten Augen, gerne zurück an diese Zeit.
Nach zehn Jahren ist es nun für Uta Schneider und Margit Senn an der Zeit, das Ehrenamt weiterzugeben, deshalb werden aktuell neue Mütter oder Väter gesucht, welche sich bereit erklären für die nächsten Jahre, gemeinsam mit den Kindern nicht nur diesen tollen Brauch weiterzupflegen, sondern auch den Kindern, die sich in großer Anzahl an der Aktion beteiligen, dies zu ermöglichen.
Margit Senn erzählt, dass es aktuell 42 Kinder sind, die sich gerne für Not leidende Kinder engagieren möchten. Es wäre sehr schade, wenn dieser Enthusiasmus aus organisatorischen Gründen verloren ginge. Nähere Infos können bei Margit Senn unter der Nummer 01 57 – 51 44 30 08 erlangt werden.
Der Grundgedanke der Sternsinger ist, dass Kinder Kindern helfen. Jedes Jahr wird ein bestimmtes Projekt ausgesucht, das man unterstützt. Das Motto für dieses Jahr lautet „Erhebt eure Stimme! – Sternsingen für Kinderrechte.“ Denn „jeder Mensch hat das Recht, in Würde zu leben und sich voll zu entwickeln, und kein Land kann dieses Grundrecht verweigern“, wie Papst Franziskus in der Enzyklika „Fratelli tutti” erklärt.
Text: Tanja Kunz



