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O’zapft is!

Alle Jahre wieder, so sicher wie das Amen in der Kirche, pilgern Hunderttausende auf die Festwiese in der bayerischen Landeshauptstadt München. In Lederhosen und Dirndl, der typischen bayerischen Tracht, kommen sie aus nah und fern in die heiligen Hallen der Münchner Brauereien. Der Ursprung dieses, außerhalb der deutschen Grenzen mitunter als absonderlich geltenden Festes ist den meisten dabei nicht bekannt. Das größte Volksfest der Welt, das „Munich Beer Festival“ oder im Italienischen „Festa della birra“ hat längst nichts mehr von seiner ursprünglichen Bedeutung.

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Der Ursprung des Oktoberfestes, das für viele verwirrenderweise in unserer Zeit im September beginnt, lag einst in einer Hochzeitsfeier, verbunden mit einem Namenstag. Am 12. Oktober 1810 feierte der erste bayerische König Maximilian I. Joseph seinen Namenstag und zugleich die Hochzeit seines ältesten Sohnes, des Kronprinzen Ludwig, mit Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen. 

Die Zeremonie fand in der Hofkapelle der Münchner Residenz statt. Am folgenden Tag wurde die Bevölkerung in der festlich geschmückten Münchner Innenstadt auf Kosten des Königshauses reichlich bewirtet. Beleuchtete Transparente und Blumenschmuck an Häusern und Plätzen huldigten dem Brautpaar und dem Königshaus.

Für den 17. Oktober, einen Mittwoch, hatte der Unteroffizier und Lohnkutscher Franz Baumgartner seinem Vorgesetzten Andreas von Dall’Armi, Major der Kavallerie, ein Pferderennen im Stil der vergangenen „Scharlachrennen“ der Jacobidult vorgeschlagen. Diese Idee wurde begeistert aufgenommen. 30 Rennmeister meldeten ihre Pferde und Rennknaben für das Ereignis an. Es galt, die 3370 Meter lange Reitbahn in drei Runden zu bewältigen.

Kein anderer als Franz Baumgartner war es, der nach seinem Sieg in 18 Minuten und 14 Sekunden von Maximilian Joseph von Graf Montgelas vor 40.000–50.000 begeisterten Zuschauern gekürt wurde. Auch ein Zelt gab es bereits auf dem ersten Oktoberfest. Es spendete der königlichen Familie Schatten und stellte den Mittelpunkt des Ereignisses dar. Ob es sich bei diesem aber tatsächlich um das Osmanische Zelt des Großwesirs Sari Suleimann Pascha, erbeutet 1687 in der Schlacht bei Mohacs, handelte, das sich heute im Bayerischen Armeemuseum in Ingolstadt befindet, ist nicht mehr ganz festzustellen.

Sicher ist hingegen, dass die beiden Halbmonde, die man heute in Ingolstadt sehen kann, einst das Zelt auf dem ersten Oktoberfest schmückten. Auch Schloss Hohenschwangau hat eine Verbindung zum Oktoberfest, denn der Leiter des Pferderennens im Jahr 1824, Johann Baptist Findl, war später der erste Kastellan in Hohenschwangau. 32 Jahre nach seinem Vater gab auch Kronprinz Maximilian, der spätere König Maximilian II. von Bayern und Vater Ludwigs II., Prinzessin Marie Frederike von Hohenzollern am 12. Oktober 1842 das Ja-Wort.

Vier Tage später, am Sonntag, 16. Oktober 1842, feierten 35 Brautpaare aus den acht Regierungsbezirken des Landes Bayern, darunter 24 katholische und elf evangelische Paare, ihre Hochzeit auf der Theresienwiese. Diese Paare wurden am Morgen des Tages gemäß ihrer Konfession in der Kirche getraut und zogen dann in einer feierlichen Prozession auf dem Festplatz ein. Somit feiern wir heute mit der Wiesn nicht nur das größte Volksfest der Welt, sondern auch gleich zwei der größten Hochzeiten des Landes.

Den am 23. April 1516 durch die bayerischen Herzöge Wilhelm IV. und Ludwig X. in Ingolstadt in der bayerischen Landesordnung, die uns heute als Reinheitsgebot bekannt ist, erlassenen Bierpreis von 2 Pfennig für die Maß werden wir aber, trotz aller Traditionen, auch in diesem Wiesn-Jahr nicht erwarten können. 

In diesem Sinne: Auf eine fröhliche und unvergessliche Wiesn-Zeit!

Text: Louise-H. Meinicke,
Kulturvermittlung Museum
der bayerischen Könige

Fotos: Wikipedia

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